Verschmutztes Grundwasser mit Nano-Eisen sanieren
| 02. Dezember 2011Perchlorethylen heißt eines der häufig verwendeten Lösungsmittel, das sich durch Beton und Gummidichtungen frisst und so den Boden verschmutzt. Verwendet wird es in erster Linie zur chemischen Reinigung von Kleidung sowie zur Entfettung von Metallen. Eine neue Methode zur Sanierung des Grundwassers, z.B. unter Putzereien, die das aufwändige und kostenintensive Abpumpen und Reinigen von verschmutztem Wasser auf lange Sicht ersetzen soll, erforschen Thilo Hofmann und sein Team am Department für Umweltgeowissenschaften in Kooperation mit dem Austrian Institute of Technology (AIT). Die kleinen Hoffnungsträger, die Großes versprechen: Nano-Eisenpartikel.
Der Buchstabe P auf den Pflegehinweis-Etiketten in unseren Kleidungsstücken erlaubt die chemische Trockenreinigung mit Perchlorethylen (PCE). Damit wird die Wäsche ganz ohne Wasser sauber. Mit einem großen Nachteil:
Landet das organische Lösungsmittel im Abfluss oder auf dem Fußboden, gelangt es auf lange Sicht in den Untergrund: "An Standorten wie Putzereien, aber auch in Betrieben, in denen Gegenstände wie Werkzeuge oder Fahrzeuge hergestellt bzw. lackiert werden und somit das Fett von Metallen entfernt werden muss, finden wir im Untergrund PCE und andere Lösungsmittel. Da das Lösungsmittel schwerer ist als Wasser, sinkt es in den Grundwasserleiter, d.h. in jene porösen Gesteinskörper, die auch unser Trinkwasser leiten. Diese Altlast verschmutzt das Wasser beträchtlich", so der Umweltgeowissenschafter Thilo Hofmann: "Hier findet man mitunter Konzentrationen von bis zu 100.000 Mikrogramm vor, der Grenzwert liegt bei zehn."
Von "Pump and treat" …
Eine solche Kontamination muss natürlich beseitigt bzw. zumindest gesichert werden, und das verschlingt finanzielle wie zeitliche Ressourcen. Bisher löst man das Problem meist damit, einen Brunnen zu bohren, verschmutztes Wasser abzupumpen und mit Aktivkohle zu reinigen. "Pump and treat" nennt Hofmann den Prozess und ergänzt, dass diese Vorgangsweise besonders kostenintensiv ist, da sie über viele Jahrzehnte betrieben werden muss. | Projektleiter Thilo Hofmann |
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Eine innovative Lösung des Problems glauben die UmweltgeowissenschafterInnen und ihre Kooperationspartner am AIT nun in Nanopartikeln zu finden, und zwar in rund 20 bis 25 Nanometer großen – ein Nanometer ist ein Millionstel Millimeter – Partikeln aus nullwertigem Eisen. Eisen reagiert mit chloriertem Kohlenwasserstoff (PCE) und schafft es, das Chlor abzuspalten und daraus unschädliche Gase wie Ethan oder Ethen zu produzieren.
… zu Nanopartikeln auf Wanderschaft
"Wir kennen diese Eigenschaften von Nano-Eisenpartikeln. Damit ist das Problem aber noch nicht gelöst. Die Herausforderung besteht darin, zum Schadstoff zu gelangen – insbesondere wenn er sich unter Gebäuden in bebauten Stadtgebieten befindet. Wir hatten daher die Idee, diese Eisenpartikel zu den Schadstoffen wandern zu lassen", erklärt Hofmann, den das Thema Nanopartikel schon mehrere Jahre lang begleitet. Hier kommen nun eine Reihe von Fragen ins Spiel, die das interdisziplinäre Team im Rahmen ihrer Forschungsarbeit beschäftigen: Wie und mit welcher Geschwindigkeit wandern die Partikel dorthin, wo sie gebraucht werden? Wie schnell erfolgt der Abbau des Schadstoffs?
"Coating": Die Reaktivität der Partikel steuern
Die WissenschafterInnen haben sich zum Ziel gesetzt, diese Vorgänge – den Transport der Eisenpartikel an die "richtige" Stelle und die Dauer ihrer Reaktion mit dem Schadstoff – genau kontrollieren zu können: "Die Eisenpartikel sind hochreaktiv. Nach vier, fünf Tagen ist der Zauber vorbei. Um den Schadstoff tatsächlich auch dann bekämpfen zu können, wenn er an den porösen, grobkörnigen Grundwasserleitern 'vorbeikommt', entwickeln wir gemeinsam mit den ExpertInnen vom AIT Partikel, die ihre Reaktivität über mehrere Monate hinweg behalten", so Hofmann. Ein sogenanntes "Coating", eine Art Hülle, die sich im Grundwasser auflöst, soll ermöglichen, dass die Nanopartikel kontrolliert Eisen-Null freisetzen.
Nano-Eisen mobiler machen
Die nächste Herausforderung liegt nun darin, die Teilchen mithilfe des Coatings so zu modifizieren, dass sie mobiler werden, d.h. leichter durch das Material – in erster Linie Sand – des Grundwasserleiters gelangen. Ohne die "Einkapselung" durch das Coating bewegen sich die Partikel nämlich nur rund 20 bis 50 Zentimeter. Um die Verschmutzung unter Gebäuden beheben zu können, sollten die Partikel aber idealerweise einige Meter zurücklegen können. "Das Transportverhalten erforschen wir, indem wir in Laborsäulen die Beschaffenheit von grobkörnigen, porösen Grundwasserleitern in Österreich simulieren und die Eisen-Nanopartikel injizieren und untersuchen", ergänzt Projektmitarbeiterin Susanne Laumann.
Nanotechnologie und Umweltschutz
Mit diesem ambitionierten Vorhaben sind die WissenschafterInnen in Österreich Vorreiter: Das anwendungsorientierte Forschungsprojekt, im Rahmen dessen der Beseitigung des Problemstoffs buchstäblich "auf den Grund gegangen wird", ist hier das erste seiner Art und macht neugierig auf die Ergebnisse. (dh)
Das Projekt "NanoSan – Application of nanoscale zero-valent iron (nZVI) for in situ remediation of groundwater contaminated by chlorinated solvents", finanziert vom Lebensministerium (Management: Kommunalkredit Public Consulting GmbH), wird von Univ.-Prof. Dr. habil. Thilo Hofmann geleitet. Das Projekt wird bis Ende 2012 zusammen mit den Kooperationspartnern Dr. Thomas Reichenauer und Dr. Hiber Brückl vom Austrian Institute of Technology (AIT) bearbeitet.