Tierische Tresor-Knacker
| 03. Juli 2013Einem Team um Kognitionsbiologin Alice Auersperg von der Universität Wien ist es gelungen, "sequenzielles Problemlösen" bei Kakadus zu beobachten: Indonesische Goffini-Kakadus lösten ein komplexes mechanisches Problem in fünf Schritten, um so an die Nuss in der verschlossenen Box heranzukommen.
In der Studie der Universität Wien wurden untrainierte Kakadus mit einer Box konfrontiert, in der eine Nuss hinter einem transparenten Fenster lag, das mit fünf verschiedenen Verschlussmechanismen verbarrikadiert war. Dabei blockiert jedes einzelne Schloss das nächste in der Serie; zum Öffnen sind unterschiedliche motorische Handlungen erforderlich. Möchte der Kakadu an die Nuss herankommen, muss er zuerst ein Pin ziehen, dann eine Schraube aufdrehen, einen Bolzen entfernen, ein Rad 90 Grad ausrichten und schließlich einen Riegel wegschieben.
Motorhandlungen zum Entfernen der einzelnen Schlösser: 1. den Pin an dem oberen Ring packen und nach oben ziehen; 2. die Schraube mit 25-30 aufeinanderfolgenden Auf- und Abbewegungen des Schnabels oder des Fußes aufschrauben; 3. den Schnabel unter den Bolzen stecken und ihn durch den Befestigungsring drücken; 4. das Rad 90 Grad drehen und es dann auf den Körper zu durch den T-Balken ziehen; 5. den Riegel durch die Schlaufe drücken. |
---|
In weniger als zwei Stunden
Bemerkenswerterweise löste das Kakadu-Männchen "Pipin" das Problem – ohne fremde Hilfe – in weniger als zwei Stunden. Fünf weitere Vögel beherrschten das Öffnen, nachdem sie entweder einem anderen Kakadu beim Öffnen zugesehen oder zunächst jedes Schloss einzeln nacheinander gelöst hatten.
"Außer im Fall von Werkzeugsets bei Schimpansen gab es bisher keine Berichte von Tieren, die so wie Pipin ohne Vorerfahrung ein fünfteiliges Problem lösen können, das bei dem jeder Schritt unterschiedliche Handlungen erfordert", sagt Studienleiterin Alice Auersperg vom Department für Kognitionsbiologie.
Lernprozess
Obwohl sie die Belohnung nur erreichen können, nachdem alle fünf Schlösser entfernt sind, räumen die Tiere determiniert ein Hindernis nach dem anderen aus dem Weg. Ihr Fortschritt ähnelt dabei einer "kognitiven Rasterung". Nachdem sie einmal ein Schloss "geknackt" haben, hat die Mehrheit der Vögel in der Zukunft mit demselben Objekt nie wieder Probleme. Dies deute zumindest im Fall von Pipin darauf hin, dass die Kakadus eine gewisse Vorstellung ihres Ziels haben, d.h., dass sie das Verkürzen der Kette an Hindernissen an sich schon als belohnend empfinden, so die WissenschafterInnen.
|
---|
Spontane und flexible Reaktionen
Nachdem die Tiere die gesamte Sequenz beherrschten, untersuchten die ForscherInnen weiter, ob diese einfach eine unflexible Reihe von gelerntem Verhalten durchlaufen oder ob sie den Effekt, den die Schlösser auf die Erreichbarkeit des Futters haben, verstehen. "Wir haben die sechs erfolgreichen Vögel vor sogenannte 'Transfer Tests' gestellt, in denen Teile der Sequenz unfunktionell gemacht wurden. Zum Beispiel haben wir einzelne Schlösser innerhalb der Struktur entfernt, um zu sehen, ob die Vögel den jetzt ineffektiv gewordenen Teil oberhalb der Lücke auslassen würden. Die Kakadus reagierten spontan sowohl flexibel als auch sensibel auf Änderungen in der Sequenz und Funktion der Schlösser. Sie ließen die meisten irrelevanten Teile aus, sogar wenn die gesamte Konstellation der Schlösser durchgemischt wurde", erklärt Alice Auersperg.
Die Kognitionsbiologin Alice Auersperg mit ihrem Kakadu. |
---|
Neugierde von Vorteil
"Wir können natürlich nicht beweisen, dass die Vögel die physikalische Struktur des Problems auf einer Ebene verstehen, wie es erwachsene Menschen tun würden – wir schließen aber daraus, dass sie fähig sind, ihr Lernen auf ein entferntes Ziel zu organisieren", sagt der Co-Autor der Studie, Alex Kacelnik von der Universität Oxford.
Auguste von Bayern vom Max-Plack-Institut für Ornithologie in Seewiesen (Deutschland) fügt abschließend hinzu: "Die plötzliche und fehlerfreie Verbesserung der Vögel deutet auf eine extrem ausgeprägte Verhaltensplastizität und praktisches Erinnerungsvermögen hin. Kakadus erforschen ihre Umwelt mit Schnabel, Zunge und Füssen. Wir glauben, dass gewisse Eigenschaften ihrer Spezies, wie ihre starke Neugierde, dabei von Vorteil sind". Die Ergebnisse erscheinen aktuell im Fachjournal "Plos One". (af)
Die Publikation "Explorative learning and functional inferences on a five-step means-means-end problem in Goffin’s cockatoos (Cacatua goffini)" (AutorInnen: Alice Auersperg, Alex Kacelnik, Auguste von Bayern) erschien im Juli 2013 im Fachjournal Plos ONE.