Stadt der Turmfalken

Der Turmfalke ist der häufigste Greifvogel im Stadtgebiet. Seit einem Jahr untersucht Petra Sumasgutner vom Department für Evolutionsbiologie seine Lebensgewohnheiten. In Kooperation mit dem Naturhistorischen Museum kartiert die Dissertantin Turmfalkennester, erfasst den Bruterfolg und untersucht den Speiseplan der Wiener Falken. Die Forscherin freut sich über die Meldung von gesichteten Turmfalkennestern im Wiener Stadtgebiet.

Der Turmfalke ist im Gegensatz zu anderen Greifvögeln ausgezeichnet an das Leben in der Stadt angepasst. Er jagt vor allem Mäuse, Kleinvögel und Insekten und brütet in Gebäudenischen von Altbauten. Dabei scheint die Architektur der Wiener Gründerzeithäuser besonders attraktiv zu sein, fast 50 Prozent aller Nistplätze befinden sich in Dachbodenluken. Doch auch in Neubauten findet der Turmfalke seinen Platz und brütet sogar in Blumenkästen an Fenstern und Balkonen.

"Der aktuelle Trend der Fassadenrenovierungen und Dachbodenausbauten macht den Turmfalken jedoch zu schaffen, jedes Jahr gehen langjährig genutzte Brutnischen verloren. Daher werden Nistkästen in Zukunft an Bedeutung gewinnen, möchte man den Turmfalken als Brutvogel in Wien erhalten", erklärt Petra Sumasgutner.

320 Nistplätze in Wien

Das Turmfalkenprojekt startete die junge Forscherin im Jahr 2010: Via Medien wurde die Bevölkerung damals aufgerufen, Turmfalkensichtungen zu melden. Insgesamt sind über 1.000 Meldungen von Turmfalkennistplätzen telefonisch, per E‐Mail und Facebook sowie per Post eingegangen. Die Überprüfung der Hinweise ergab insgesamt 320 Nistplätze in Wien. Damit liegt Wien im mitteleuropäischen Vergleich im Spitzenfeld und kann sich als Hauptstadt der Turmfalken bezeichnen.

Stadt und Land

In der Brutsaison 2011 werden ausgesuchte Turmfalkennester mit einer Kamera beobachtet, um Rückschlüsse auf die Beutetiere der Falken zu ziehen. Besonders interessant ist die Frage, ob sich Falken in der Stadt aufgrund der hohen Populationsdichte promiskuitiver verhalten als ihre Artgenossen am Land. Genetische Analysen haben gezeigt, dass soziale Partnerschaften bei Vögeln nur selten mit den genetischen zusammenfallen. Vaterschaftsanalysen der Nestlinge sollen auch beim Turmfalken klären, ob der Brutpartner auch tatsächlich genetischer Vater aller Jungtiere ist.

Schutz der Falken

Die Erkenntnisse aus dem Projekt sollen zum Schutz der Falken beitragen. Die im Aufbau befindliche Nistplatzdatenbank hat sich 2010 schon bewährt. Jährlich werden rund 100 junge Turmfalken im Tierschutzhaus und der Vogelklinik der Veterinärmedizinischen Universität Wien abgegeben, die bisher mühevoll gepflegt und ausgewildert wurden. Die Nistplatzdatenbank ermöglicht die Zuordnung der Nestlinge. Die gesundgepflegten Jungtiere können so in ihr altes Nest zurückgesetzt werden und natürlich aufwachsen. (red)

Alle WienerInnen sind wieder aufgerufen, Turmfalkennester – bitte mit möglichst genauer Angabe der Adresse (nur im Wiener Stadtgebiet) – via E-Mail (turmfalkeninfo(at)gmx.at) oder telefonisch unter 0664-5666045 zu melden. Nähere Informationen auf Facebook.

Der Turmfalke (Falco tinnunculus) ist 35 cm groß und hat eine Flügelspannweite von 70 cm bei einem Gewicht von rund 200 Gramm. Charakteristisch ist sein "Rüttelflug", bei dem der Vogel "wie ein Hubschrauber" in der Luft stehen bleiben kann. Der Turmfalke ist besonders in der Brutzeit sehr ruffreudig und gibt helle, durchdringende "kikikikiki"-Rufe von sich.
Turmfalken sind in ganz Europa, Afrika und Asien verbreitet und gehören mit dem Mäusebussard und dem Sperber zu den häufigsten Greifvögeln Österreichs. In Wien ist der Turmfalke im gesamten Stadtgebiet anzutreffen und brütet vorwiegend in Gebäudenischen von Altbauten, Kirchtürmen und Industrieanlagen.


Die Dissertation von Mag. Petra Sumasgutner (Department für Naturschutzbiologie, Vegetations- und Landschaftsökologie) im Rahmen des Turmfalkenprojekts wird gemeinsam von Univ.-Prof. Harald Krenn, Department für Evolutionsbiologie, Universität Wien, und Priv.-Doz. Anita Gamauf, 1. Zoologische Abteilung, Naturhistorisches Museum Wien, betreut.