Schön, aber tödlich: Oxosalze des Arsens
| 07. März 2013Arsen ist weltweit die Nummer eins der gefährlichen Stoffe und belastet unsere Umwelt. Die Mineralogin Tamara Djordjevic von der Universität Wien trotzt der Gefahr, die von dem hochtoxischen Halbmetall ausgeht, und untersucht die Strukturen natürlicher und synthetischer Arsen-Verbindungen.
Die leuchtend blauen, grünen und lila Pulver auf dem Schreibtisch von Tamara Djordjevic könnten durchaus mit Lidschatten verwechselt werden – das wäre allerdings ein tödlicher Fehler: Bei den winzigen Kristallen handelt es sich nämlich um hochtoxische, arsenhaltige Oxosalze. "Nach dem Interview schließe ich sie natürlich wieder im Chemikalienschrank ein", versichert die Mineralogin schmunzelnd.
Das Halbmetall Arsen verbindet sich in der Natur meist mit Sauerstoff und oxidiert zu sogenannten sekundären Mineralien. "Um zu verstehen, wie sich Arsen in der Umwelt verhält, untersuche ich die strukturellen Merkmale und die Stabilität natürlich vorkommender Arsen-Verbindungen", erklärt Djordjevic, deren Forschung am Institut für Mineralogie und Kristallographie der Universität Wien im Rahmen des FWF-Programms "Elise Richter" finanziert wird.
Diese synthetischen Arsenate sind bunt, weil sie Kupfer (blau), Nickel (grün) oder Kobalt (rosa) enthalten. Arsenate sind die Salze der Arsensäure. |
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Umweltproblem Arsen
Arsen entsteht aber auch durch Menschenhand: in ehemaligen Bergbaugebieten, durch Labor- oder Fabrikabfälle. Vor allem in den Bergbauregionen Bangladeschs, Indiens und Chinas sind tausende Menschen vom sogenannten "Arsenproblem" betroffen. "Aber auch in Europa, besonders im Osten, gibt es einige arsenbelastete Gebiete", so Djordjevic. Im Mai macht sie sich deshalb auf den Weg nach Serbien – ihrem Heimatland. Ihr Ziel: eine alte Mine. Hier sucht die junge Forscherin nach Arsen bzw. Arsenaten, um ihre Strukturen genauer zu untersuchen.
"Diese Oxosalze sind einfach zu finden, da sie als Kruste auf der Erdoberfläche entstehen", erklärt Djordjevic. Und gerade deswegen sind sie gefährlich. Trotz ihrer Bedeutung als Umweltschadstoffe fehlen jedoch systematische Studien über Arsenite und Arsenate – Djordjevic will diese Lücke nun füllen.
Dieser Artikel erschien im Forschungsnewsletter März 2013. |
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Aus der Laborküche
Da sich in der Natur nicht alles findet, was theoretisch aus bestimmten Verbindungen hervorgehen könnte, untersucht die Mineralogin auch "Selbstgekochtes". Dafür synthetisiert sie im experimentellen Teil ihrer Forschungsarbeit die arsenhaltigen Oxosalze: Sie verwendet für die Synthese sowohl häufig als auch selten in der Natur vorkommende Substanzen. Anschließend analysiert sie die kristallographischen Eigenschaften der Mineralien.
"Im Rahmen mehrerer Kooperationen untersuchen KollegInnen in Belgrad, St. Petersburg und der Schweiz zusätzlich die physikalischen und chemischen Eigenschaften der Synthesen", erklärt Djordjevic, die sich den kleinen, aber feinen Details der Strukturen widmet: "Darauf aufbauend können Methoden entwickelt werden, Arsen z.B. aus dem Grundwasser zu entfernen."
Von Kobaltblau bis Königsgelb
Zurück zum bunten Pulver: Für die Färbung ist das Metall verantwortlich, mit dem sich Arsen verbindet und oxidiert: Nickel ergibt grün, Kupfer blau und Kobalt rosa. "Prinzipiell sind alle bunten Mineralien und Kristalle, die wir in der Natur finden, toxisch", gibt die Expertin zu bedenken. Das bekannteste Arsenoxid ist Auripigment – auch als Königsgelb oder Gelber Hüttenrauch bekannt. Von altägyptischen Wandmalereien bis hin zu venezianischen Gemälden: KünstlerInnen aller Epochen imitierten mit dem rötlich-gelben Auripigment Gold. Heute ersetzen ungiftige Teerfarbstoffe das leuchtende Gelb.
Die Kunst der Mineralogie
Um die bunten Kristalle im Labor herzustellen, genügt ein kleiner runder Zylinder: ein Autoklav bzw. Druckbehälter. Dieser kommt – gefüllt mit einem Gemisch aus Wasser und Chemikalien – für einige Tage in den Ofen, "und mit etwas Glück entstehen daraus die bunten und einzigartigen Kristalle, die ich gerne als meine 'Kunststücke' bezeichne", so Djordjevic. Nach der Synthese analysiert sie die Steinchen und untersucht mittels bestehender Datenbanken, ob die Substanzen bekannte oder neue Strukturen zeigen.
Der Natur nah und doch fern
Die kreative Mineraologin nimmt sich zwar natürliche Substanzen zum Vorbild, aber die meisten von ihr geschaffenen Stoffe würde man in der Natur kaum finden. "Ich verwende Erdalkalimetalle wie Barium und Strontium, die in der Umwelt sehr selten vorkommen", erklärt sie. Obwohl sich die Kristalle auf chemischer Ebene von den natürlich vorkommenden unterscheiden, weisen sie dennoch oft die gleiche Struktur auf. Letztere ändert sich erst durch die sogenannte "Phasentransformation". Um eine Substanz klassifizieren zu können, müssen alle Phaseneigenschaften bekannt sein. "Ich untersuche, unter welchen Bedingungen – wie Temperatur und Druck – eine bestimmte Phase stabil bleibt."
Neben der Forschung stellt das Elise-Richter-Projekt Tamara Djordjevic auch vor eine neue Herausforderung – die Lehre: "Bisher habe ich noch wenig Erfahrung in der Betreuung von Studierenden. Aber das Ziel des Projekts ist meine Habilitation – deshalb freue ich mich natürlich, auch in diesem Bereich wichtige Erfahrungen zu sammeln", so die zweifache Mutter abschließend. (ps)
Das FWF-Projekt "Kristallographie von umweltrelevanten Oxosalzen des Arsens" läuft im Rahmen des Elise-Richter-Programms von 1. Oktober 2012 bis 31. Oktober 2015 unter der Leitung von Dr. Tamara Djordjevic vom Institut für Mineralogie und Kristallographie der Fakultät für Geowissenschaften, Geographie und Astronomie der Universität Wien.