Nanolineal: Ein universelles Werkzeug

Dem Quantennanophysik-Team um Philipp Haslinger und Markus Arndt von der Fakultät für Physik der Universität Wien ist es in einem weltweit einzigartigen Experiment gelungen, ein Materiewelleninterferometer aus Licht zu konstruieren, das universell für eine breite Klasse von Teilchen verwendbar ist.

Zahlreiche Experimente haben sich bereits der quantenmechanischen Wellennatur von Atomen und Molekülen angenommen. Ziel war die präzise Vermessung sehr kleiner Kräfte oder die Erhellung der möglichen Grenzen zwischen Quantenphysik und Alltagswelt. In einem weltweit einzigartigen Experiment an der Universität Wien ist es nun erstmals gelungen, ein Materiewelleninterferometer aus Licht so zu konstruieren, dass es universell für eine breite Klasse von Teilchen – von Atomen über Moleküle bis hin zu größeren Nanopartikeln – verwendbar ist. Dabei existiert der Apparat zu keiner Zeit vollständig: Die Lichtgitter, mit denen die Materie manipuliert wird, bestehen aus unsichtbaren Laserblitzen und leuchten nur wenige Milliardstel Sekunden lang.

Die PhysikerInnen der Universität Wien rund um Philipp Haslinger und Markus Arndt publizieren das Experiment aktuell im Fachjournal Nature Physics.

Lange Tradition

Die Materiewelleninterferometrie hat an der Universität Wien eine lange Tradition. Die weltweit ersten Quantenwellen großer Moleküle wurden hier gesehen. Heute sind die ForscherInnen auf der quantenmechanischen Spur immer komplexerer Bausteine der Materie. In einem solchen Experiment soll jedes durchfliegende Molekül Informationen über Orte gewinnen, die nach klassischer Erwartung nicht erreichbar wären.

Synchronisierte Laserblitze als neuer Meilenstein der Quanteninterferometrie


Im Quantennanophysik-Team rund um Markus Arndt von der Universität Wien wurde nun zum ersten Mal eine neue Art der Manipulation von Materie etabliert: Die ForscherInnen erzeugen Gitter aus Laserblitzen, die nur wenige Nanosekunden lang leuchten. Drei solcher Gitter zusammen bilden ein geschlossenes Interferometer, mit dem die Überlagerung von Quantenzuständen gemessen werden kann, die in unserem Alltag nicht beobachtbar sind.

Durch die präzise Synchronisation der kurzlebigen Gitter können die ForscherInnen viele systematische Fehler früherer Aufbauten radikal ausmerzen. "Die Interferometrie 'in der Zeit' mit gepulsten Lichtgittern wird ein zentrales Element der Quantenphysik mit Nanoteilchen", so Philipp Haslinger, Erstautor der Studie.

"Nano-Lineal": Universell einsetzbarer Prototyp aus Wien

Der Wiener Prototyp ist weltweit einzigartig. Eine Studentin und vier Studenten haben ihn über die letzten Jahre an der Universität Wien berechnet und aufgebaut. Mit dieser Apparatur wurden nun erstmals die Quanteneigenschaften nicht nur einzelner Moleküle, sondern ganzer Cluster aus mehreren Molekülen gezeigt. Im Laufe des Experiments entsteht aufgrund der Quanteninterferenz für wenige Nanosekunden ein periodisches Molekülmuster. Dieses molekulare "Nano-Lineal" ist hochempfindlich auf äußere Einflüsse und kann so in zukünftigen Präzisionsmessungen als ein winziger Maßstab zur Vermessung kleiner Kräfte und Felder verwendet werden.

Das Projekt wurde vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) und dem Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung (BMWF) unterstützt. Das Experiment wurde innerhalb des "Vienna Center for Quantum Science and Technology"(VCQ), an der Fakultät für Physik der Universität Wien durchgeführt. (ps)

Das Paper "A universal matter interferometer with optical ionization gratings in the time-domain" (Autoren: Philipp Haslinger, Nadine Dörre, Philipp Geyer, Jonas Rodewald, Stefan Nimmrichter & Markus Arndt) erschien am 10. Februar 2013 in Nature Physics.