Mit Grips gegen Krebs

Am renommierten MIT hat sie einen Lehrstuhl für Krebsforschung inne. Die Genetikerin und Alumna Angelika Amon wird vom Wirtschaftsmagazin trend unter jene "zehn ÖsterreicherInnen, die unsere Welt retten" gelistet. Ihre Forschung könnte dazu beitragen, eine Substanz gegen Krebs zu finden.

Redaktion: Seit wann leben Sie in den USA? Und wie kamen Sie ans MIT?
Angelika Amon: Ich ging 1994 in die USA, ein Jahr nach meiner Promotion an der Universität Wien. Über eine Stelle als "Whitehead Fellow", eine unabhängige Position für JungforscherInnen, arbeitete ich zuerst am Whitehead Institute und kam dann 1999 zu einer Assistenz Professur ans MIT.

Redaktion: Woran arbeiten Sie gerade?
Amon: Ein Schwerpunkt bei uns im Labor ist, zu verstehen, wie sich Chromosomen teilen. Während der Zellteilung müssen die Chromosomen dupliziert und dann auf die zwei Tochterzellen aufgeteilt werden. Wenn es zu Fehlern in der Chromosomenteilung kommt, kann Krebs entstehen. Über 90% aller menschlichen Krebsarten zeichnen sich durch einen fehlerhaften Chromosomensatz aus, sind also auf Fehler in der Zellteilung zurückzuführen. Wir versuchen auch Substanzen zu entwickeln, die Zellen mit fehlerhaften Chromosomensätzen eliminieren.


In der Reihe "AbsolventInnenbilder" stellen wir Ihnen in Kooperation mit univie, dem Alumni-Magazin der Universität Wien, Alumni und ihre Karrieren vor.



Redaktion:
Wird es in absehbarer Zeit eine Impfung gegen Krebs geben?
Amon: Gegen Krebsarten, die durch Viren entstehen, wie beim Gebärmutterhalskrebs, gibt es bereits hoch effiziente Impfungen. Der Großteil aller Krebsarten beim Menschen wird allerdings nicht von Viren erzeugt. Ich halte es daher für unwahrscheinlich, dass in naher Zukunft eine Impfung gegen diese Krebsarten entwickelt werden kann.

Redaktion: Was ist Ihr persönliches Ziel als Wissenschafterin?
Amon: Ich sehe mich als Grundlagenforscherin. Wissen zu akkumulieren und zu erweitern, ist mir sehr wichtig. Das Bewusstsein, dass man als erste etwas erkannt oder entdeckt hat, gibt mir große Zufriedenheit. Unsere Arbeit kann dazu beitragen, die Gesundheit der Menschen zu verbessern, das finde ich großartig.

Redaktion:  Wenn Sie an Ihre Studienzeit zurückdenken…
Amon: Ein Studium an einer öffentlichen Uni bringt notgedrungen knappe Plätze im Hörsaal oder im Praktikum mit sich. Es entsteht eine "Sink or Swim-Kultur". Mich in einem Massenstudium behaupten zu müssen, hat mir nachträglich betrachtet, auch gut getan.

Redaktion:  Gab es Vorbilder in der Wissenschaft? Wer hat Sie geprägt?
Amon: Beeinflusst hat mich Frau Dr. Wintersberger am Krebsforschungszentrum, eine der wenigen Frauen, die damals in der Molekularbiologie tätig waren, sie hat mich sehr gefördert. Meine Diplomarbeit und meine Dissertation habe ich bei Kim Nasmyth am IMP gemacht, das damals gerade eröffnet wurde. Kim hat mich gelehrt, wie man Wissenschaft macht. Das war schon ein Sprung ins kalte Wasser. Anfangs hatte ich Zweifel, ob ich für die Forschung geeignet bin. Es war eine harte Zeit.

Redaktion: Welchen Ort haben Sie im Kopf, wenn Sie an Ihre Studienzeit denken?
Amon: Die Althanstraße, das war damals ein ganz neues Gebäude.

Redaktion: Die größte Herausforderung auf ihrem bisherigen Weg?
Amon: Man muss gegen das "Bequem-Werden" kämpfen und immer innovativ bleiben, neue Dinge beginnen – der regelmäßige Sprung ins kalte Wasser. Ich bin eher ein Gewohnheitstier und finde mich mit neuen Dingen schwer zurecht, darum ist das hart für mich.

Redaktion:  Sie haben kürzlich den Ernst-Jung-Preis für außerordentliche Leistungen in der Humanmedinzin bekommen, was bedeutet Ihnen der Preis?
Amon: Es ist eine Anerkennung und Bestätigung für die harte Arbeit. Aber Preise alleine sind keine Motivation für mich, jeden Tag um halb sechs Uhr aufzustehen. Da sie jedoch oft mit Forschungsgeldern verbunden sind und WissenschafterInnen generell immer knapp bei Kasse sind, auch in den USA, ist das natürlich sehr willkommen.

Redaktion:  Sie haben zwei Töchter. Wie vereinbaren Sie Wissenschaft und Familie?
Amon: Leicht ist es nicht. Aber in der Wissenschaft hat man doch sehr viele Möglichkeiten sich die Zeit selbst einzuteilen. Und: man muss den richtigen Mann heiraten. Mein Mann hilft viel mit und leistet seinen Beitrag in der Kindererziehung und im Haushalt. Als meine Tochter sehr klein war und wir zu wenig Geld hatten, um uns eine Krippe zu leisten, haben mein Mann und ich in Schicht gearbeitet. Ich von fünf in der Früh bis drei am Nachmittag und er von drei bis spät in die Nacht.

Redaktion:  Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?
Amon: Ich werde natürlich weiterhin in der Krebsforschung arbeiten, doch mein neues Forschungsgebiet ist, zu verstehen, warum Alterserscheinungen nicht weiter vererbt werden. Wir wissen, dass Alter nicht vererbbar ist. Die Kinder eines 70-jährigen Mannes haben dieselbe Lebenserwartung wie die Kinder eines 20-Jährigen. Das heißt also, dass die Eigenschaften des Alterns eliminiert werden, das muss während der Keimzellenbildung passieren. Der Mensch altert, die Samenzellen eines 70-jährigen Mannes sind ja auch alt, warum haben die nicht die Charakteristika eines alten Menschen, sondern können wieder ganz von vorne anfangen bei der Befruchtung? Warum werden die Charakteristika, die Zellen haben, wenn Menschen altern, nicht weitergegeben?

Redaktion: Was schätzen Sie an Ihrem Leben in den USA?
Amon: Die persönliche Freiheit hier schätze ich sehr. Die Leute erklären einem nicht dauernd, wie man sein Leben zu leben hat.

Angelika Amon (46) hat den Kathleen and Curtis Marble Lehrstuhl für Krebsforschung am Massachusetts Institute of Technology (MIT) inne. Sie studierte Biologie an der Universität Wien und ist seit 1999 am MIT tätig. Amon ist verheiratet und hat zwei Töchter.