Michael Eichmair: An der Schnittstelle von Geometrie und Allgemeiner Relativitätstheorie
| 13. Juni 2016Michael Eichmair wurde im Jänner 2014, im Alter von 30 Jahren, an die Universität Wien berufen; im Juni 2016 erhält er nun den hochdotierten START-Preis des FWF. Seine komplexe mathematische Forschung erklärt er mit einem anschaulichen Beispiel aus der antiken Mythologie.
Die Frage nach Isoperimetrie – Welche Form schließt bei fest gegebenem Umfang den größten Flächeninhalt ein? – wurde bereits in der Antike gestellt. In seiner Erzählung Aeneis berichtet Virgil von der phönizischen Königin Dido, die an der Nordküste Afrika so viel Land erhält, wie sie mit einer aus einem Stück Ochsenfell geschnittener Schnur einfassen kann. "Indem sie den Grundriss ihrer berühmten Stadt Karthago kreisförmig und damit bestmöglich anlegt, wird Dido zu einer der ersten großen Heldinnen der Mathematik", erzählt der 32-jährige Professor für Globale Analysis und Differentialgeometrie an der Universität Wien und seit kurzem Träger eines hochdotierten START-Preises, Michael Eichmair.
Michael Eichmair, 1983 in Vöcklabruck geboren, ist seit März 2015 Professor für Globale Analysis und Differentialgeometrie an der Fakultät für Mathematik der Universität Wien. Sein Grundstudium schloss Eichmair 2003 am University College London (UK) ab, das PhD-Studium absolvierte er 2008 an der Stanford University (USA). Daraufhin wechselte er bis 2012 an das Massachusetts Institute of Technology (USA) und war bis 2015 Assistenzprofessor an der ETH Zürich. 2014 wurde er als "Beste Lehrperson der ETH Zürich" mit dem Credit Suisse Award ausgezeichnet. Den START-Preis vom FWF erhält er für sein Projekt "Isoperimetrische Struktur von Anfangsdaten der Einstein-Gleichungen".
Ein Umstand, der Dido hilft, ist, dass die Erdoberfläche positiv gekrümmt und nicht flach ist – "das kann man leicht einsehen. Ich lade Sie ein, ein bisschen darüber nachzudenken, warum ihr das zum Vorteil gereicht", schmunzelt der Mathematiker. Es stellt sich heraus, dass positive Krümmung sogar dadurch charakterisiert ist, dass eine kleine Scheibe – also die Menge all jener Punkte, die innerhalb einer gegebenen Distanz von einem festen Punkt liegen – ein wenig mehr Fläche einschließt als eine flache Scheibe gleichen Umfangs.
Tiefliegender Zusammenhang zwischen Raumzeit und Isoperimetrie
"Anders ausgedrückt: Das isoperimetrische Problem im Kleinen bevorzugt positive Krümmung. Die dynamische Formulierung der Allgemeinen Relativitätstheorie besagt, dass alles Zukünftige und alles Vergangene bereits in bestimmten drei-dimensionalen Schnitten der Raumzeit – sogenannten Anfangsdaten – enthalten ist", so Eichmair. Unter natürlichen Bedingungen ist dann die (skalare) Krümmung solcher Anfangsdaten nicht negativ.
"Wir erkennen immer mehr, dass es einen tiefliegenden Zusammenhang zwischen den physikalischen Eigenschaften einer Raumzeit wie etwa ihrer Masse, ihrem Massenzentrum oder der Form ihres Ereignishorizonts auf der einen Seite und dem isoperimetrischen Problem im Kleinen wie im Großen für Anfangsdaten der Raumzeit auf der anderen Seite gibt", erklärt der Wissenschafter.
Ziel seiner Forschung im Rahmen der START-Förderung sei es, diesen Zusammenhang besser zu verstehen und damit Licht auf einige Fragen an der Schnittstelle von Geometrie und Allgemeiner Relativitätstheorie zu werfen. (FWF/red)
Vier START-Preise für die Universität Wien
Vier hochdotierte "START"-Forschungsförderungen 2016 gehen an die Universität Wien, zwei davon an die Fakultät für Mathematik. Ausgezeichnet werden der Chromosomenbiologe Christopher Campbell (MFPL), die Mathematiker Michael Eichmair und Harald Grobner und der Quantenphysiker Nikolai Kiesel.
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