Menschen mit Amygdala-Schäden neigen zu Selbstlosigkeit

Menschen mit Schäden in der Amygdala, einem Hirnareal im Temporallappen, neigen zu selbstlosem Verhalten. Das konnte Neurobiologe Christoph Eisenegger mit einem Team aus Wiener und südafrikanischen Wissenschaftern aufzeigen. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift "PNAS" veröffentlicht.

Die Studienerkenntnisse von Christoph Eisenegger vom Institut für Psychologische Grundlagenforschung und Forschungsmethoden der Universität Wien und seinen Kollegen legen nahe, dass dieses Hirnareal eine zentrale Rolle bei der Steuerung zwischenmenschlichen Verhaltens einnimmt. Bekannt war bereits, dass der Amygdala bei der emotionalen Bewertung von Alltagssituationen und der Analyse von Gefahren eine wichtige Bedeutung zukommt. So haben vor einigen Jahren Studien gezeigt, dass Menschen mit einer durch eine Erbkrankheit stark beeinträchtigten Amygdala keine Angst kennen. Zudem sei  die auch als  Mandelkern bezeichnete Amygdala ebenfalls an sozialen Entscheidungsprozessen beteiligt.

Sozialverhalten der Probanden

Christoph Eisenegger hat gemeinsam mit seinem Kollegen Jack van Honk von der Universität Kapstadt in einem Vertrauensspiel das Sozialverhalten von drei ProbandInnen mit einer spezifischen Schädigung der Amygdala untersucht und mit zwölf gesunden Personen verglichen. Bei den drei PatientInnen ist aufgrund der genetisch bedingten Urbach-Wiethe-Krankheit ein spezieller Teil des Mandelkerns, die sogenannte basolaterale Amygdala, durch Verkalkungen geschädigt.


Christoph Eisenegger ist derzeit u.a. an der Universität Wien am Institut für Psychologische Grundlagenforschung und Forschungsmethoden mit dem Forschungsschwerpunkt Funktionelle Neuroanatomie der Interaktion von Emotion und Kognition tätig. Seine Stelle als visiting postdoctoral research fellow wird vom Schweizer Nationalfonds (SNF) gefördert.



Rollenspiel


In dem Rollenspiel erhielten die VersuchsteilnehmerInnen einen bestimmten Geldbetrag. Sie konnten davon eine beliebige Menge einem fremden Treuhänder überweisen und wussten, dass der überwiesene Betrag auf jeden Fall verdreifacht wird. Allerdings würde der Treuhänder erst im Nachhinein entscheiden, ob er einen Teil des verdreifachten Betrags an die ProbandInnen zurückgibt. "Wenn also Vertrauen da ist, könnten beide Seiten – der Investor und der Treuhänder – etwas von dem Geschäft haben", erklärt Neurobiologe Christoph Eisenegger .

Impulsive Hilfsbereitschaft und Kooperation


Alle ProbandInnen betonten, keinen persönlichen Gewinn aus der Transaktion erwartet zu haben. Dennoch haben die Personen mit geschädigter Amygdala das Doppelte der Beträge der gesunden Vergleichspersonen investiert. Die Wissenschafter schließen daraus einen Zusammenhang zwischen einer Läsion der basolateralen Amygdala und Altruismus. Sie sehen ihre Ergebnisse im Einklang mit der Annahme, "dass Menschen primär und impulsiv helfen und kooperieren, während egoistisches Verhalten erst durch soziale Interaktion gelernt wird – wozu wiederum die basolateralen Amygdala notwendig ist".

Lotterielose als Kontrollspiel


Dass nicht die schon früher gezeigte höhere Risikobereitschaft aufgrund verminderter Angst der Grund für die höheren Investitionen ist, konnten die Forscher durch ein parallel durchgeführtes Kontrollspiel ausschließen.  Dort ging es darum, Lotterielose zu kaufen – also ein Spiel ohne soziale Konsequenzen. Bei dieser Lotterie zeigten die Versuchspersonen mit Amygdala-Schäden keine höhere Investitionsbereitschaft. (APA)

Das Paper "Generous economic investments after basolateral
amygdala damage
" (Autoren: Jack van Honk, Christoph Eisenegger, David Terburg, Dan J. Stein, and Barak Morgan) erschien am 22. Jänner 2013 in PNAS.