"Meine Forschung": Musik und Networking im 18. Jahrhundert

Soziale Netzwerke spielten schon im Musikleben des 18. Jahrhunderts eine wichtige Rolle. Elisabeth Reisinger spürt in ihrer Dissertation den Beziehungen zwischen Adeligen und MusikerInnen nach: am Beispiel von Erzherzog Maximilian Franz.

Maximilian Franz wurde am 8. Dezember 1756 als jüngstes Kind Maria Theresias geboren – als Teil einer Familie, die für ihre Neigung zu Musikförderung und -pflege weithin bekannt war, deren Umgang mit und Verständnis von Musik sich aber gerade in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entscheidend ändern sollte: Das eigene Musizieren der Herrscherfamilie und des sie umgebenden Adels verlagerte sich in die nun neu entstehende private Sphäre. "Damit entwickelte sich die Musik mehr und mehr vom Repräsentationsinstrument zum sozialen Faktor", erklärt Elisabeth Reisinger vom Institut für Musikwissenschaft der Universität Wien, die im Rahmen des FWF-Projekts "Die Opernbibliothek von Kurfürst Maximilian Franz" an ihrer Dissertation arbeitet.

Sozialisation und kulturelle Prägung am Habsburgerhof

Maximilian wuchs also an einem Hof auf, an dem die Musik eine aktive Rolle in der Erziehung sowie generell in sozialen Beziehungen spielte. Musikunterricht setzte gemeinsam mit Lektionen in Schreiben, Lesen und Religion in sehr früher Kindheit ein, schon vor anderen Unterrichtsfächern. Die Fähigkeit, mit Musik umzugehen, sie zu rezipieren und zu praktizieren, musste sich der adelige Nachwuchs am Wiener Hof aneignen, um sich seiner Herkunft entsprechend im gesellschaftlichen Raum bewegen zu können. Das galt vor allem für Maximilian als Sohn des Herrscherpaares.

Bei Kinderbällen, Festen und Konzerten in der Kammer der ErzherzogInnen wurden auch andere adelige Kinder eingebunden und so an Rollenbilder und Hierarchien herangeführt. Daneben partizipierten Maximilian und seine Geschwister von klein auf an allen Facetten des musikalischen und theatralischen Geschehens am Hof, als RezipientInnen und AkteurInnen gleichermaßen. So kamen sie nicht nur mit anderen Adeligen in Kontakt, sondern vor allem auch mit MusikerInnen.

Im uni:view-Dossier "Meine Forschung" stellen DoktorandInnen der Universität Wien ihre Forschungsprojekte vor. Das Dossier läuft in Kooperation mit dem DoktorandInnenzentrum.


Erzherzog Maximilian Franz als Teil eines musikalischen Netzwerks

Die Musikhistorikerin Elisabeth Reisinger interessiert dabei zunächst, welche gesellschaftsstiftende Rolle das gemeinsame Musizieren in der Aristokratie spielte. "Vor allem in der eher komplizierten Beziehung zwischen Maximilian und seinem ältesten Bruder, Joseph II., dürfte die Musik ein wesentliches Element gewesen sein", so Reisinger.

Der Musikschriftsteller Johann F. Reichardt etwa beschreibt in einem Bericht über seinen Wien-Aufenthalt 1783 einige Szenen, in denen Maximilian und Joseph zusammen Musik machten und sich darüber austauschten. Des Weiteren verkehrte Maximilian, unter anderem mit Joseph, im Musikleben des Wiener Adels, wie bei den regelmäßigen Veranstaltungen der Gräfin Thun. Zu deren musikalischem Kreis gehörte etwa Christoph Willibald Gluck, den Maximilian und Joseph sehr schätzten und mit diesem ebenfalls in Kontakt standen. Über seine familiären und aristokratischen Verbindungen erweiterte der Erzherzog also sein soziales Bezugssystem auch in Richtung der KünstlerInnen.

"Bemerkenswert dabei ist", führt Reisinger aus, "wie sich Maximilians soziale Einbettung im Wiener Musikleben materialisiert: in seiner Notensammlung. Sein Geschmack, seine musikalischen Bedürfnisse sowie seine direkten Verbindungen mit Musikern lassen sich darin festmachen. Sie prägten die Sammlung entscheidend, die letztlich das Ergebnis eines Netzwerks ist." So besteht ein früh zu datierender Bestand jener Musikalien, die aus Maximilians Besitz stammen und heute zum Teil in der Biblioteca Estense Universitaria in Modena verwahrt werden, unter anderem aus kammermusikalischen Werken am Hof angestellter Musiker, mit denen Maximilian gemeinsam musizierte, und Stücken seiner Musiklehrer, wie Leopold Hofmann.

Networking und seine Ergebnisse


In einem weiteren Schritt untersucht Reisinger, wie sich MusikerInnen in der aristokratischen Welt bewegten und ihre Beziehungen dort nutzten. Diese Wechselwirkungen zwischen verschiedenen sozialen Ebenen und der Umgang der Individuen miteinander stehen im Fokus ihrer Dissertation "Das musikalische Netzwerk des Erzherzogs Maximilian Franz in Wien".

Mozart etwa, den Maximilian erstmals als Kind kennengelernt hatte, wurde nicht nur in Wien durch Maximilian gefördert, sondern rechnete geradezu fest damit, Maximilians Hofkapellmeister in Bonn zu werden, als dieser 1784 sein Amt als Kurfürst von Köln antrat. Und auch der junge Beethoven, den Maximilian am Bonner Hof antraf, profitierte von seiner Bekanntschaft mit dem Erzherzog, als ihm dieser die Reise nach Wien und die Ausbildung bei Haydn ermöglichte.

Am Beispiel des Erzherzogs und späteren Kurfürsten wird deutlich, dass das Musikleben auch damals geprägt war durch Beziehungen und Netzwerke. Der Adel festigte durch den Kontakt mit KünstlerInnen und deren Förderung seine Hegemonie im Kulturleben. Für die MusikerInnen konnte die richtige Vernetzung Ausbildung, Hofanstellungen und andere Karrieremöglichkeiten bedeuten.

Mag. Elisabeth Reisinger, BA, geb. am 8.6.1988 in Neunkirchen (NÖ), hat an der Universität Wien Musikwissenschaft und Geschichte studiert. Ihre Dissertation zum Thema "Das musikalische Netzwerk des Erzherzogs Maximilian Franz in Wien" entsteht im Rahmen des vom FWF geförderten Forschungsprojektes "Die Opernbibliothek von Kurfürst Maximilian Franz" am Institut für Musikwissenschaft der

Literaturtipp zum Thema: Vocelka, Karl: Die Lebenswelt der Habsburger. Kultur- und Mentalitätsgeschichte einer Familie, Wien, Graz: Styria, 1997.