"Meine Forschung": MRT-Kontrastmittel im Trinkwasser
| 11. Juli 2018Chemische Substanzen, die in die Umwelt gelangen, sagen viel über natürliche Prozesse aus – und über uns Menschen. Forschungsobjekt von Umweltgeowissenschafter Robert Brünjes sind Gadolinium-Komplexe, die bei der Magnetresonanztomographie eingesetzt werden und schließlich im Trinkwasser landen.
Das obligatorische Glas Wasser zum Kaffee gehört in Wien zu den vielen Selbstverständlichkeiten des Lebens. Die Qualität des Wassers wird als ebenso selbstverständlich wie natürlich angenommen – doch nicht jedes Glas Leitungswasser hat die gleiche Herkunft und damit Qualität.
"In Wien kommt das Wasser von Quellen aus den niederösterreichisch-steirischen Alpen. Die Spuren, die der Mensch dort im Wasser hinterlässt, sind sehr gering. Wird jedoch Leitungswasser aus Grund- oder Oberflächenwasser gewonnen, wie es z.B. im Rest der Europäischen Union durchaus üblicher Standard ist, sind die vom Menschen verursachten Spuren deutlicher", erklärt Robert Brünjes, der sich in seiner Dissertation am Department für Umweltgeowissenschaften mit dem Spurenstoff Gadolinium aus der MRT-Diagnostik beschäftigt.
In der neuen Video-Reihe "Bühne frei: Junge WissenschafterInnen im Porträt" stellen DoktorandInnen der Universität Wien ihre Arbeit vor. Den Anfang macht der Umweltgeowissenschafter Robert Brünjes.
Nicht alle chemischen Substanzen sind potenzielle Spurenstoffe
Anthropogene Spurenstoffe sind chemische Substanzen, die von Menschen, beabsichtigt oder nicht, in die Umwelt eingebracht werden. Dazu gehören Stoffe wie Pestizide, Arzneistoffe, Lebensmittelzusatzstoffe oder Substanzen aus Pflegeprodukten. Insgesamt sind über 20.000 verschiedene chemische Substanzen in der EU auf dem Markt – und laufend kommen neue dazu. "Wir müssen davon ausgehen, dass die meisten dieser Stoffe irgendwann in die Umwelt gelangen", sagt Brünjes. Viele dieser Stoffe werden von Organismen verändert. Ein kleiner Teil der chemischen Substanzen in der Umwelt sind jedoch so stabil, dass sie nicht oder nur sehr schlecht abgebaut werden und daher lange in der Natur verbleiben.
Im uni:view-Dossier "Meine Forschung" stellen DoktorandInnen der Universität Wien ihre Forschungsprojekte vor. Das Dossier läuft in Kooperation mit dem DoktorandInnenzentrum. (© Universität Wien)
Gadolinium – Verschmutzung und Nutzung
Unter den stabilen Substanzen sind auch Gadolinium-Komplexe, die als Kontrastmittel bei der Magnetresonanztomographie (MRT) zum Einsatz kommen. Aufgrund ihrer hohen Stabilität werden sie auch vom menschlichen Körper nicht verändert und gelangen über den Urin ins Abwassersystem. Konventionelle Kläranlagen sind nicht dafür ausgelegt, diese Substanzen aus dem Wasser zu entfernen und so erreichen sie Flüsse und Seen. Mit der Anzahl der Menschen, die mit einem MRT untersucht werden, steigen auch die Konzentrationen von Gadolinium in den Gewässern. Da die meisten PatientInnen heutzutage nur mehr ambulant diagnostiziert werden, scheiden sie die verabreichten Gadolinium-Komplexe daheim aus. Es finden sich daher auch in ländlichen Gegenden – ohne einen Magnetresonanztomographen in der Nähe – erhöhte Gadoliniumkonzentrationen im Oberflächenwasser und Grundwasser.
"Die Spurenstoffe wie etwa anthropogenes Gadolinium können der Forschung aber durchaus nutzen", erklärt Brünjes weiter. Er hat das Element untersucht, um in einer Reihe von hydrogeologischen Studien natürliche Prozesse wie das Versickern von Flüssen ins Grundwasser zu verstehen. Anthropogenes Gadolinium kann dabei verwendet werden, um Oberflächenwasser im Grundwasser abzugrenzen und Anteile zu berechnen. Auf diese Weise können auch Fließwege im Untergrund erkundet werden. Das ist besonders wichtig für WasserversorgerInnen, die ihr Wasser nicht aus Alpenquellen, sondern aus Grundwasserressourcen beziehen.
Neueste Analytik sieht mehr, aber wir brauchen Lösungen
Die stetige Entwicklung der chemischen Analytik ist mit ein Grund, dass inzwischen viele Spurenstoffe in der Natur auch in sehr starken Verdünnungen messbar und dadurch sichtbar sind. Um die Spuren des Menschen im Trinkwasser zu eliminieren, wird an technischen Lösungen zur Abscheidung dieser Substanzen in Kläranlagen sowie bei der Trinkwasseraufbereitung gearbeitet. Die Wirksamkeit solcher Maßnahmen können nur für jeden Spurenstoff einzeln bewertet werden.
Bisher gibt es keine Lösungen, Gadolinium-Komplexe großtechnisch aus dem Klärwasser zu entfernen. "Ein Ansatz, den ich gerade im Labormaßstab teste, besteht darin, die Gadolinium-Komplexe zu zersetzen, um das Element danach abzuscheiden und dadurch sogar zu recyceln", erklärt Brünjes seine Forschungen. Diese dient letztendlich auch dazu, dass zum Kaffee auch weiterhin das Glas Wasser aus der Leitung serviert werden kann.
Robert Brünjes, geboren 1985 in Bremen, hat an der Universität Oldenburg Chemie und Marine Umweltwissenschaften studiert. Derzeit forscht er im Rahmen seiner Dissertation "Relevance of Anthropogenic Gadolinium in Drinking Water Systems" zum Verhalten von Gadoliniumkomplexen in der Umwelt, betreut von Thilo Hofmann am Department für Umweltgeowissenschaften. (© Robert Brünjes)
Literaturtipp zum Thema: Thomas Track & Gerhard Kreysa (Hg.), 2003, Spurenstoffe in Gewässern, Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim.