Mathematik für Aug und Ohr

Mathematiker Martin Ehler ist seit Ende 2013 "Young Investigator" des WWTF-Schwerpunkts "Mathematik und …" an der Universität Wien. Mit seiner angewandten Forschung will er Augen- und OhrenärztInnen die Arbeit erleichtern.

Eine tolle Aussicht in einem noch etwas spärlich eingerichteten Büro genießt Mathematiker Martin Ehler im fünften Stock des neuen Universitätsgebäudes am Oskar-Morgenstern-Platz 1. "Ich bin erst vor ein paar Wochen hier in Wien angekommen", so der junge Wissenschafter, der 2012 den Call "Vienna Research Groups for Young Investigators" – dotiert mit 1,5 Mio. Euro – gewann und damit an die Universität Wien wechselte.

Gekommen ist Martin Ehler vom Institute of Biomathematics and Biometry am Helmholtz Zentrum München, davor war er für einige Jahre in Maryland (USA) tätig: am Institute of Child Health and Human Development der National Institutes of Health. "In den USA habe ich mich wirklich sehr wohl gefühlt und den lockeren Umgang mit KollegInnen sehr geschätzt", blickt Ehler zurück: "Die Institutionen verfügen über sehr gute finanzielle Ausstattung; die Arbeitsweise ist intensiv und schnell."

USA oder Österreich?

In München hatte er dann sein eigenes Projekt, gefördert durch einen Research Career Transition Grant der National Institutes of Health und der DFG. Als er schon überlegte, wieder in die USA zurückzukehren, machte ihn ein befreundeter Wiener Kollege, Hans Georg Feichtinger von der Universität Wien, auf den WWTF-Call "Mathematik und …" aufmerksam. "Da musste ich natürlich einreichen, denn der Call war genau auf meine Forschungsschwerpunkte – angewandte Mathematik in der Biomedizin – zugeschnitten. Gesucht waren Interdisziplinarität, neue Ansätze in der Mathematik und konkrete Anwendungsmöglichkeiten. Also ideal ...", freut sich Ehler noch heute.

Noch mehr freut ihn natürlich, dass er die Zusage bekam, um hier an der Universität Wien seine eigene Forschungsgruppe aufzubauen. In den nächsten Jahren wird er sich mit der Entwicklung neuer mathematischer Analysemethoden der stetig wachsenden Bild- und Datenmengen in Medizin und Biologie beschäftigen.

Mathematik und … Biomedizin

Für sein Projekt arbeitet Martin Ehler eng mit dem Vienna Reading Center der Medizinischen Universität Wien zusammen, um die Diagnosemöglichkeiten rund um Augen- und Netzhauterkrankungen zu verbessern. Derzeit können mit unterschiedlichen Verfahren, wie z.B. Fundus-Fotografie, Angiografie oder Optische-Kohärenztomografie, viele verschiedene Bilder der Netzhaut gemacht werden. "Das Problem ist allerdings, dass sich der Augenarzt auch viele verschiedene Bilder mit vielen verschiedenen Informationen dazu anschauen muss", erklärt Ehler: "Und das wollen wir in unserem Projekt vereinfachen. Im Idealfall bekommen wir ohne Qualitätsverlust alle Informationen rund um die Netzhaut auf ein einziges Bild."

Mit solchen Bildern arbeitet Martin Ehler: Hier ist ein sogenanntes Reflexionsbild zu sehen, eines von vielen Verfahren, mit denen Aufnahmen von der Netzhaut gemacht werden  können. Die hellen gelblichen Flecken sind Drusen: Ablagerungen in der Netzhaut. (Foto: National Institutes of Health)

In "Mathematikersprache" heißt das, dass hochdimensionale Datensätze mit mathematischen Algorithmen auf niedrigdimensionale projiziert werden. Ein digitales Bild besteht dabei aus einer bestimmten Anzahl an Werten, wobei jedem einzelnen Pixel ein bestimmter Zahlenwert entspricht.

Eines der Spezialgebiete von Martin Ehler besteht genau darin, Bilder in ihre kleinsten Bestandteile zu zerlegen, Informationen herauszufiltern und diese dann wieder zusammenzusetzen – in kleinerer Form. Eine Aufgabe mit vielen, vielen Zahlen.

Medizinisches Verständnis


Bereits in den USA hat Ehler – als einziger Mathematiker in seiner Arbeitsgruppe, die vorwiegend aus Biologen und Physikern bestand – mit AugenärztInnen erfolgreich zusammengearbeitet: "Man muss für diese Arbeit, auch wenn sie grundsätzlich rein mathematisch ist, die physikalischen und medizinischen Zusammenhänge verstehen. Es ist wichtig zu wissen, wie die Ärzte die Bilder aufnehmen bzw. messen, denn in manchen Fällen muss man bereits hier – also bei der Datenaufnahme – ansetzen, um die Datenmenge gering zu halten bzw. zu optimieren."

Auch etwas für das Ohr

Der zweite Kooperationspartner im Projekt des Jungwissenschafters ist das Institut für Schallforschung der Akademie der Wissenschaften – hier steht das Ohr im Mittelpunkt. "Der Grundanspruch bleibt gleich: Wir wollen große Datenmengen ohne Informationsverlust reduzieren. In diesen Fall soll die Dauer von Hörtests ohne Qualitätsverlust verkürzt werden."

Gemeinsam mit Peter Balazs, dem Direktor des Instituts, der auch am Institut für Mathematik der Universität Wien Lehrveranstaltungen hält, sollen mathematische Algorithmen entwickelt werden, um mit weniger bzw. kürzeren Messungen des Gehörs gleich viele Informationen zu bekommen. "Die Schwerpunkte in meinem Projekt liegen konkret auf der Verringerung der Datenmengen von Aufnahmen der Netzhaut und Hörtests. Aber natürlich können die von uns entwickelten Algorithmen dann generell dort angewendet werden, wo mit großen Datenmengen hantiert wird – etwa im Social Media-Bereich", so Martin Ehler. (td)