Interdisziplinäre Forschung für eine nachhaltige Landwirtschaft

Getreidefeld

Es gibt vier neue FWF-Zukunftskollegs – in zweien ist die Uni Wien Partner, eines wird von der Uni Wien geleitet: Ein Team um Mikrobiologin Petra Pjevac untersucht biologische Nitrifikationsinhibitoren von Pflanzen. Ziel ist eine effizientere Stickstoffdüngung und eine nachhaltigere Landwirtschaft.

Der eingesetzte Stickstoffdünger in der Landwirtschaft wird derzeit noch nicht effizient genug genutzt – große Teile davon werden von Mikroorganismen in Lachgas oder Nitrat umgewandelt, die leicht aus dem Boden verloren gehen können und in der Umwelt unerwünschte Wirkungen entfalten. Wenn die Umwandlung des Stickstoffdüngers gehemmt wird, könnte der Stickstoffverlust reduziert werden.

Aktuelle Methoden verwenden dafür synthetisch hergestellte Hemmer (Nitrifikationsinhibitoren), deren Auswirkungen auf Menschen und Tiere weitgehend unbekannt sind. Unter der Leitung von Petra Pjevac vom Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaften der Universität Wien forschen insgesamt acht Wissenschafter*innen am Stickstoffkreislauf in der Landwirtschaft. Sie untersuchen im FWF-Zukunftskolleg "playNICE" von Pflanzen produzierte biologische Nitrifikationsinhibitoren im Detail. Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, die Effizienz der Stickstoffdüngung zu verbessern und eine nachhaltigere Landwirtschaft zu ermöglichen. 

Ineffiziente Düngung schadet der Umwelt 

Etwa die Hälfte der Menschheit ernährt sich derzeit von Lebensmitteln, die nur produziert werden können, weil industrielle Stickstoffdünger in der Landwirtschaft eingesetzt werden. Dieser enorme zusätzliche Eintrag von reaktivem Stickstoff in die Umwelt hat aber auch zu einem massiven Ungleichgewicht im natürlichen Stickstoffkreislauf geführt, mit verheerenden Folgen für die Umwelt.

Übermäßige und schlecht konzipierte Stickstoffdüngung führt dazu, dass große Mengen Lachgas – ein Treibhausgas, das 300-mal stärker ist als Kohlendioxid – aus dem Ackerbau freigesetzt werden. 

"playNICE" ist eines von vier vom FWF im April 2020 bewilligten Zukunftskollegs, die in einem hochkompetitiven Verfahren vergeben werden. Während dieses unter der Leitung der Universität Wien läuft, gibt es zwei weitere, an denen die Universität Wien als Partner beteiligt ist: "PeptAIDes drug development" (Koordination MedUni Wien) ist eine Forschungsplattform für die präklinische Entwicklung von Peptidarzneistoffen und läuft an der Universität Wien unter Beteiligung von Eva-Maria Zangerl-Plessl vom Department für Pharmakologie und Toxikologie sowie Kirtikumar B. Jadhav vom Institut für Biologische Chemie. Das Zukunftskolleg "Dynamates: Dynamiken der auditiven Prädiktion in menschlichen und anderen Primaten" (Koordination ÖAW) läuft an der Universität Wien unter Beteiligung von Ulrich Pomper vom Institut für Psychologie der Kognition, Emotion und Methoden sowie Michelle Spierings vom Department für Verhaltens- und Kognitionsbiologie.

Die Stickstoffdüngung verursacht außerdem eine massive Verschmutzung von Grundwasser, Flüssen und Meeren mit Nitrat und trägt damit wesentlich zur Eutrophierung, also zur Überbelastung von Gewässern mit Nährstoffen, bei. Die Eutrophierung stellt eines der größten Umweltprobleme der Erde dar und verursacht riesige Algenblüten, Fischsterben und sauerstofffreie Zonen in Gewässern.

Mikroorganismen machen Stickstoffdünger für Pflanzen nutzlos

Der Verlust des Stickstoffdüngers aus landwirtschaftlichen Feldern wird zu einem großen Teil durch die Aktivität von Bodenmikroorganismen verursacht. In der industriellen Landwirtschaft wird hauptsächlich Stickstoffdünger in Form von Ammonium und Harnstoff verwendet. Die im Boden lebenden Mikroorganismen konkurrieren mit Kulturpflanzen um den zugesetzten Stickstoff. Einige Gruppen von Mikroorganismen (so genannte Nitrifikanten und Denitrifikanten) wandeln den eingesetzten Stickstoffdünger in andere Stickstoffformen wie Lachgas oder Nitrat um, die leicht aus dem Boden verloren gehen und dadurch nicht mehr für die Pflanzen verfügbar sind.  

Mikrokolonien von nitrifizierenden Bakterien (Nitrifikanten) in einem Biofilm

Mikrokolonien von nitrifizierenden Bakterien (Nitrifikanten) in einem Biofilm. Verschiedene Arten von Nitrifikanten wurden mit Fluoreszenz in situ Hybridisierung spezifisch markiert. Abgebildet sind Ammoniak-oxidierende Bakterien (blau) sowie zwei Arten Nitrit-oxidierender Bakterien (braun und grün). (© Frank Maixner und Holger Daims)

Derzeitige Methoden zur Verhinderung der Stickstoffumwandlung im Boden beinhalten den Einsatz von synthetischen Hemmstoffen der Nitrifikation, die zusammen mit den Düngemitteln auf landwirtschaftlichen Flächen angewandt werden. Allerdings sind diese synthetischen Hemmer oft kurzlebig und haben unbekannte Auswirkungen auf andere Vertreter der mikrobiellen Gemeinschaften im Boden und Pflanzen. Auch ihre Wirkung auf Menschen und Tiere ist weitgehend unbekannt.

Biologische Alternativen zu synthetischen Nitrifikations-Hemmern

Im FWF-Zukunftskolleg "playNICE" wird an Alternativen zu den synthetischen Nitrifikations-Hemmern geforscht. "Durch die gezielte Hemmung oder Reduzierung der Nitrifikation von Stickstoffdünger im Boden, kann die Effizienz der Stickstoffnutzung von Pflanzen erhöht und der Stickstoffverlust in landwirtschaftlichen Böden verringert werden", so Projektkoordinatorin Petra Pjevac vom Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaften der Universität Wien.

Das Projekt-Team von "playNICE" bei einem Online-Meeting

Das Projekt-Team von "playNICE" bei einem Online-Meeting, von l.o. nach r.u.: Projektleiterin Petra Pjevac, Lucia Fuchslueger, Christoph Büschl, Christopher Sedlacek, Maria Doppler, Andrew T. Giguere.

In diesem interdisziplinären Forschungsprojekt werden Ansätze aus unterschiedlichen Bereichen der Naturwissenschaften zur Identifizierung und detaillierten Charakterisierung verschiedener biologischer Nitrifikationshemmer genutzt. Ziel ist es, die Wirkungsweise und die Auswirkungen dieser Pflanzen-Mikroben-Wechselwirkung auf den Stickstoffkreislauf im Detail zu verstehen. 

Das vom Wissenschaftsfonds FWF geförderte Projekt "playNICE" hat eine Laufzeit von vier Jahren, das Gesamtbudget beträgt 2,4 Millionen Euro. Projektstart ist im Herbst 2020. Das interdisziplinäre Forschungsprojekt der Universität Wien und der BOKU Wien läuft unter der Leitung von Petra Pjevac vom Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung am Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft der Universität Wien. Projektpartner*innen sind: Christoph Büschl von der Universität für Bodenkultur Wien sowie Lucia Fuchslueger, Andrew T. Giguere und Christopher Sedlacek von der Universität Wien.