In einem der letzten Tieflandregenwälder Mittelamerikas
| 19. Mai 2011Die Zerstörung der Regenwälder hat nicht nur klimatische Konsequenzen, sondern bedeutet auch das Aussterben tausender Tier- und Pflanzenarten. In La Gamba, einer Forschungs-, Lehr- und Weiterbildungsinstitution der Universität Wien in Costa Rica, kennt man diese Gefahr sehr genau: Seit 18 Jahren engagieren sich die MitarbeiterInnen der Tropenstation unter der Leitung von Werner Huber und Anton Weissenhofer vom Department für Strukturelle und Funktionelle Botanik für die Erhaltung und Erforschung der bedrohten Gebiete. Durch ihr Engagement leisten sie einen Beitrag zum Schutz eines der letzten primären tropischen Tieflandregenwälder Mittelamerikas.
"Angefangen hat alles im Jahr 1993", erinnert sich Werner Huber. "Damals haben mein Kollege Anton Weissenhofer und ich mit Unterstützung des Vereins 'Regenwald der Österreicher' und der Universität Wien eine Finca samt Garten in der Provinz Puntarenas angekauft." Aus der Wellblechhütte mit Lehmboden und löchrigem Dach wurde durch Um- und Zubauten im Laufe der Zeit eine international anerkannte Forschungsstation. Heute umfasst die Anlage fünf Gebäude, darunter Unterkünfte für 38 Personen, ein klimatisiertes Labor, leistungsfähige wissenschaftliche Ausstattung, Bibliothek, Schwimmteich und einen Botanischen Garten.
Finanziert wird das Ganze über den "Verein zur Förderung der Tropenstation La Gamba". Dieser wirbt die erforderlichen Mittel für Personal- und Sachkosten durch Mitgliedsbeiträge, Spenden und Sponsoring sowie zusätzliche Förderungen aus öffentlicher Hand ein. "Der laufende Betrieb wird großteils durch die Einhebung von Eintritts- und Übernachtungsgebühren gedeckt", erklärt Weissenhofer.
Nicht irgendein Wald
Dass die Station jährlich zahlreiche WissenschafterInnen, ForschungspraktikantInnen, Schulklassen und NaturtouristInnen anlockt, liegt an ihrer spezifischen geografischen Lage: Die Tropenstation La Gamba befindet sich nahe der Pazifikküste direkt am Rande des Nationalparks Piedras Blancas. "Diese Region ist deshalb so faszinierend, weil sie einen der letzten primären tropischen Tieflandregenwälder Mittelamerikas beherbergt", betont Huber.
Viele andere Waldflächen Lateinamerikas mussten Rinderweiden, Bananen-, Soja- oder Ölpalmenplantagen weichen: "Mitte der 1980er Jahre haben die Regierungen mehrerer Länder die ökologische Notbremse gezogen und sich dazu verpflichtet, Nationalparks einzurichten." Costa Rica hat sich seitdem zu einer Art Vorzeigeland entwickelt: Heute steht rund ein Viertel der gesamten Landesfläche unter Naturschutz. "Dass der Schutz dieser Gebiete inzwischen ernst genommen wird, liegt wohl auch daran, dass Tourismus – insbesondere Naturtourismus – die Haupteinnahmequelle des Landes darstellt."
Optimale Lebens- und Wachstumsbedingungen
Für BiologInnen ist die Gegend vor allem aufgrund der enormen Artenvielfalt interessant: "Der Tieflandregenwald ist mit rund 3.000 verschiedenen Pflanzenarten einer der artenreichsten Wälder der Erde." Während in ganz Europa knapp 50 verschiedene Baumarten bekannt sind, finden sich im dem Areal, das die österreichischen Wissenschafter erforschten z.B. auf einem einzigen Hektar Waldfläche bis zu 180 unterschiedliche Arten.
"Das Gebiet ist extrem regenreich: Während in Wien eine durchschnittliche Niederschlagsmenge von 700 Millimeter pro Jahr registriert wird, liegt der Vergleichswert in La Gamba bei rund 6.000 Millimeter. Da es keine ausgeprägte Trockenzeit gibt, hat die Pflanzenwelt stets Wasser zur Verfügung, das sie zum Gedeihen benötigt", so der Biologe.
Naturschutz in Theorie …
Die Ziele der Tropenstation fasst Huber folgendermaßen zusammen: "Wir wollen einen Beitrag zur Erforschung tropischer Regenwälder leisten, Interesse für deren Erhaltung und Erforschung wecken und den BesucherInnen die Möglichkeit geben, ihr Naturverständnis zu vertiefen." Die Mitglieder der Station arbeiten sowohl an der Bewusstseinsbildung für die Schutzwürdigkeit der Waldgebiete als auch an der Einbindung der lokalen Bevölkerung, um deren wirtschaftliches Auskommen im Einklang mit dem Nationalpark zu sichern.
… und Praxis
In der Praxis ist es den Wiener Biologen zufolge nicht immer einfach, die Einheimischen von der Wichtigkeit notwendiger Naturschutzmaßnahmen zu überzeugen: "Hier musste insbesondere bei der älteren Generation ein Umdenken stattfinden, das Jahre gedauert hat. Bei der jüngeren Generation setzen wir mit unserer Aufklärungsarbeit schon sehr früh an und versuchen zu vermitteln, warum es wichtig ist, den Wald zu schützen."
Weiters kooperiert die Forschungsstation mit Agrar- und Forstingenieuren der Regierung Costa Ricas, um den Wiederaufbau bereits zerstörter Waldflächen voranzutreiben. So werden etwa unter tatkräftiger Mithilfe von StudentInnen Bäume gepflanzt und betreut. Um einheimische BäuerInnen bei der Ertragssteigerung zu unterstützen, wurde zudem ein Versuchsgarten angelegt, in dem die WissenschafterInnen mit verschiedenen Anbaumethoden experimentieren.
Biologische Korridore
Mit der Wiederbewaldung gerodeter Flächen ist La Gamba auch Teil des großangelegten mittelamerikanischen Schutzprojekts "Der Pfad des Jaguars". "Hierbei geht es darum, den überlebenswichtigen genetischen Austausch von Pflanzen und Tieren zwischen Nord- und Südamerika zu ermöglichen. Um die Artenvielfalt zu sichern, arbeiten wir aktiv an der Schaffung sogenannter biologischer Korridore zwischen dem Esquinas-Regenwald und isolierten Waldgebieten mit", so Huber abschließend. (ms)
Die Tropenstation La Gamba ist eine Forschungs-, Lehr- und Weiterbildungsinstitution der Universität Wien. Betreut und koordiniert wird die Station von Mag. Dr. Werner Huber und Mag. Dr. Anton Weissenhofer, beide Department für Strukturelle und Funktionelle Botanik der Fakultät für Lebenswissenschaften.