Im Reich der wichtigen Kleinen

Mikroorganismen in Böden sind eigene – kaum erforschte – Universen. Die Mikrobiologin Dagmar Wöbken von der Universität Wien möchte das ändern und interessiert sich besonders für Stickstoff-Fixierer.

Dagmar Wöbken rückt aus. Einmal in den Wienerwald bei Klausenleopoldsdorf, dann wieder einfach in den Lainzer Tiergarten. Weil es Spaß macht und ihrer Forschung dient. Da wie dort "stechen wir mit Stahlrohren ganz viele Kerne, denn der Boden ist sehr divers. Sonst sind die Proben nicht repräsentativ für das untersuchte Ökosystem", erklärt die Arbeitsgruppenleiterin in der Division für Mikrobielle Ökologie am Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung der Universität Wien.

Die Funktion von Mikroorganismen

Wöbken wühlt im Boden, weil sie mehr über die Funktion von Mikroorganismen wissen will. "Die globalen Stoffkreisläufe sind von Mikroorganismen abhängig", sagt die Forscherin, die als Postdoc nach Kalifornien ging, wo sie im Rahmen eines großen Kooperationsprojekts mit der Stanford University die Funktion von Mikroorganismen in komplexen Ökosystemen untersucht hat. "Ich habe mich in Kalifornien mit mikrobiellen Matten beschäftigt." Dort, an der Küste in einer Marschregion, fand sie zentimeterdicke Strukturen, die zum großen Teil aus Mikroorganismen bestehen – "eine Spielwiese für Mikrobiologen".


Mit Hilfe des NanoSIMS wird untersucht, welche Zellen Stickstoff fixiert haben. Zellen, die sich farblich vom schwarzen Hintergrund abheben, haben das schwere Stickstoffgas in ihre Biomasse eingebaut.



Wöbken interessierte sich vor allem dafür, wer in diesen Matten Stickstoff fixiert. "Viele Forscher haben sich die DNA angeschaut – ob die Bakterien die genetische Ausstattung dafür haben. Das war mir zu wenig, weil das nur etwas über die Möglichkeit aussagt, Stickstoff zu fixieren. Ob sie das aber auch tatsächlich tun, das kann man mit einer genetischen Analyse nicht sagen." Mit dem NanoSIMS aber schon. "Ein ganz beeindruckendes Gerät", wie Wöbken sagt. "Wenn man ein Stück der Matte in ein Glasgefäß gibt und ein seltenes ("schweres") Stickstoff-Gas (N2) hinzufügt, kann man nachweisen, welche Mikroorganismen Stickstoff fixiert haben. Das ist eine ganz spannende Methode."

Terrestrische Ökosysteme im Fokus

Als Gruppenleiterin an der Universität Wien wollte sich die Wissenschafterin einem Ökosystem zuwenden, das globale Bedeutung hat. "Deshalb interessiere ich mich jetzt für terrestrische Ökosysteme und die Funktion der Mikroorganismen dort." Ihre Arbeit findet oft in Zusammenarbeit mit Andreas Richter von der Division für Terrestrische Ökosystemforschung an der Universität Wien statt. Doch im Boden ist alles immer etwas komplizierter. Die Stickstofffixierung etwa. "Die ist im Boden noch viel weniger untersucht als zum Beispiel im Meer, obwohl Stickstoff oft ein limitierender Faktor für Wachstum ist", sagt Wöbken. Womit wir wieder bei ihren Ausflügen in den Wienerwald, den Lainzer Tiergarten und ihrem aktuellen FWF-Projekt "Funktionelle Analyse von nicht-symbiontischen Stickstoff-Fixierern im Boden" wären.

Wer fixiert Stickstoff?

Wöbkens Team bringt die Bodenproben – die gestochenen Kerne – ins Labor, wo das Material gesiebt wird, um die Proben zu homogenisieren. Schließlich wird ein Teil in Glasgefäße gegeben und mit dem seltenen schweren N2 angereichert. Dann kontrolliert sie mit Hilfe des NanoSIMS, das an der Universität Wien von Arno Schintlmeister betrieben wird, ob die Mikroorganismen den schweren Stickstoff eingebaut haben. Natürlich wird auch auf genetischer Ebene überprüft, welche Mikroorganismen überhaupt die theoretische Möglichkeit haben, Stickstoff zu fixieren, erkärt Wöbken. "Und welche die entsprechenden Gene exprimiert haben."

Veränderungen mit den Jahreszeiten

Besonders oft aber rücken sie und ihr Team in den Wienerwald und den Lainzer Tiergarten aus. Diese liegen nahe, und so können die MikrobiologInnen kontrollieren, wie sich die Mikroorganismen mit den Jahreszeiten verändern. Wissen, das dringend gebraucht wird, denn "der terrestrische Stickstoffkreislauf ist von essentieller Bedeutung für die Biosphäre der Erde und ist verknüpft durch die Aktivität von Mikroorganismen."

"Es ist von großer Wichtigkeit, die Mikroorganismen zu verstehen, die das terrestrische Ökosystem durch Stickstofffixierung mit biologisch verfügbarem Stickstoff (N) versorgen, da dieser oft ein limitierender Faktor für die Primärproduktion darstellt. Nicht-symbiontische, freilebende Mikroorganismen können beträchtlich zur N2-Fixierung beitragen. Allerdings ist unser Wissen über diese Mikroorganismen stark limitiert, da sich nur ein Bruchteil von ihnen kultivieren lässt", wie Dagmar Wöbken in ihrem Projekt-Antrag ausführt und täglich daran arbeitet, dass das nicht so bleibt.

Das FWF-Projekt "Funktionelle Analyse von nicht-symbiontischen Stickstoff-Fixierern im Boden" unter der Projektleitung von  Dr. Dagmar Wöbken startete im August 2013 und läuft noch bis Juli 2016.