Grenzgänge zwischen Musik und Mathematik

Die Verknüpfung von Musik und Mathematik fasziniert die Menschen bereits seit der Antike: Schon der Philosoph Pythagoras erkannte, dass jeder musikalische Ausdruck im Grunde auf bestimmten Zahlenverhältnissen basiert. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Monika Dörfler vom Institut für Mathematik beleuchtet die interdisziplinäre Schnittstelle zwischen der sinnlichen Kunst und der streng formalen Wissenschaft im Rahmen eines WWTF-Projekts. Dabei sollen mittels innovativer Methoden aus der mathematischen Signalanalyse neue Möglichkeiten der Klangmodellierung und -manipulation entstehen.

"Musik und Mathematik sind sich strukturell sehr ähnlich", stellt Monika Dörfler vom Institut für Mathematik klar. Dass es sich hierbei um ein sehr enges Verhältnis mit zahlreichen wissenschaftlich interessanten Anknüpfungspunkten handelt, hat die Projektleiterin bereits während ihrer Diplomarbeit über mathematische Signalanalyse erkannt. Seitdem zieht sich die Beschäftigung mit diesem Thema wie ein roter Faden durch ihre Forschungsarbeit. "Ich bin selbst passionierte Musikerin und Mathematikerin und hege daher eine persönliche Faszination für die Verbindung beider Bereiche", meint Dörfler.

Zukunftsmusik

Auch ihr aktuelles WWTF-Projekt, das sie in Kooperation mit ForschungskollegInnen aus Großbritannien und Frankreich umsetzt, soll letztendlich dazu beitragen, Musik und Mathematik näher zusammen zu bringen. "Wir haben die Vision, aus einem Musikstück mithilfe mathematischer Algorithmen einzelne Klangobjekte zu identifizieren und direkt aus der Zeit-Frequenz-Ebene zu extrahieren. Diese sogenannten 'musical objects' können dann vom Anwender – z.B. einer Komponistin elektronischer Musik – aufgegriffen, manipuliert und wieder in den ursprünglichen Soundstream eingefügt werden", erläutert die Wissenschafterin.

Ein derartiges Eingreifen in die Klanglandschaft von Musikstücken ist gegenwärtig noch reine Zukunftsmusik. Die Grundlagenforschung, die Dörfler mit ihrem Team betreibt, könnte aber für zukünftige Entwicklungen im Bereich des Sounddesigns richtungweisend sein: "Unsere Forschung hat zwar großes praktisches Anwendungspotenzial. Es ist aber nicht so, dass wir am Ende ein fertiges Produkt präsentieren können. Vielmehr wollen wir prüfen, wie sich mathematische Theorien anwenden lassen."

Vom "Audiominer" ...


Um ihren innovativen Untersuchungsgegenstand beschreiben zu können, musste die Mathematikerin sogar einen eigenen Begriff kreieren: "Audiominer" – so nennt Dörfler ein noch zu entwickelndes Software-Tool, das eine Identifizierung und Extraktion einzelner "musical objects" aus Musikstücken ermöglichen soll. Bis es allerdings soweit ist, wird wohl noch einige Zeit vergehen. "Derzeit konzentrieren wir uns noch auf den Identifizierungsaspekt: Wenn ein User in einem Soundstream ein bestimmtes Klangobjekt sucht, soll er oder sie jedes Mal automatisch angezeigt bekommen, wann dieses vorkommt", erklärt Dörfler.

... zum "Music Information Retrieval"

Mit den obengenannten Zielsetzungen platziert sich das interdisziplinäre Team aus MathematikerInnen und MusikwissenschafterInnen in einem äußerst modernen Forschungsbereich, der allgemein als "Music Information Retrieval" bezeichnet wird. Dieser vielseitige Sektor, der im Internetzeitalter einen regelrechten Boom erlebt, beinhaltet eine ganze Reihe verschiedener Ansätze für Wissenschaft und Forschung.

Für Laien ist allerdings nur schwer fassbar, was damit genau gemeint ist. "Am besten lässt sich der Begriff anhand von konkreten Beispielen erklären", meint Dörfler, die in diesem Zusammenhang auf die Entwicklung von technischen Hilfestellungen zum Suchen von Musik im Internet verweist: "Angenommen, ein Nutzer oder eine Nutzerin sucht im Web, das mittlerweile wohl mehrere Milliarden Stunden Musik bereithält, nach romantischer Gitarrenmusik. Wäre er oder sie auf sich alleine gestellt, würde das Finden passender Titel enorm viel Zeit- und Geduld beanspruchen. Music Information Retrieval – hier in Form einer speziellen Software – hilft den NutzerInnen dabei, schnell und effizient das Richtige zu finden."

Ohne Mathematik kein MP3

Mathematik der Signalverarbeitung ist aber nicht nur für das Suchen, sondern auch für das Abspielen von Musik von entscheidender Bedeutung. So wäre etwa das bekannte MP3-Format, das sich heute als eine Art Standardform für digitale Musik etabliert hat, ohne tatkräftige Unterstützung der Mathematik nicht umsetzbar.

"Musik ist nichts anderes als ein Signal. Auf einer Zeitleiste betrachtet, tritt dieses Signal, das überall Informationen beinhaltet, in Form von nach oben und unten ausschlagenden Schallwellen in Erscheinung. Beim MP3-Format wird das Ursprungssignal mithilfe mathematischer Signalanalyse komprimiert – es werden nur jene Informationen verwendet, die vom menschlichen Ohr bewusst wahrgenommen werden können", nennt Dörfler abschließend ein weiteres Beispiel der engen Verbindung zwischen Mathematik und Musik. (ms)

Das aus dem WWTF-Call 2009 "Mathematik und …" geförderte Projekt "Audiominer - Mathematical Signal Analysis and Modeling for Manipulation of Sound Objects" von Mag. Dr. Monika Dörfler (Projektleitung) vom Institut für Mathematik startete im Jänner 2010 und läuft bis 31. Dezember 2012. Projektpartner sind Dr. Arthur Flexer (Austrian Research Institute for Artificial Intelligence), Dr. Simon Dixon (Queen Mary, University of London) und Prof. Bruno Torrésani (Centre de Mathèmatique et d'Informatique, Laboratoire d'analyse topologie probilitè der Université de Provence).