Gletscher beeinflussen Kohlenstoffkreislauf

LimnologInnen um Tom Battin haben gezeigt, dass Gletscher den Kohlenstoffkreislauf beeinflussen. Die unerwartet hohe Vielfalt organischer Kohlenstoffverbindungen im Gletschereis trägt möglicherweise zum Metabolismus in Gletscherbächen bei. Die Ergebnisse wurden in "Nature Geoscience" publiziert.

Der weltweite Rückgang von Gebirgsgletschern hat Konsequenzen für den Wasserkreislauf, insbesondere für den Anstieg der Weltmeere. Dass Gletscher auch den Kohlenstoffkreislauf beeinflussen können, ist bislang wenig bekannt. Ein internationales Team um Tom J. Battin vom Department für Limnologie der Universität Wien hat nun die biogeochemische Vielfalt von organischen Kohlenstoffverbindungen in 26 österreichischen Gletschern erforscht.


Feldlabor am Gletscherbach (Copyright: Christian Preiler)



Gabriel A. Singer untersuchte mit Thorsten Dittmar und Jutta Niggemann vom Max Plank Institut für Marine Mikrobiologie und von der Universität Oldenburg tausende organische Verbindungen im Gletschereis mittels super-hochauflösender Massenspektrometrie. Christina Fasching und Peter Steier vom "Vienna Environmental Research Accelerator" (VERA) an der Fakultät für Physik bestimmten das Alter von organischem Kohlenstoff im Gletschereis und fanden heraus, dass dieser bis zu 8.000 Jahre alt ist. Auch die Bioverfügbarkeit von diesen alten Kohlenstoffverbindungen für die Mikroorganismen in den Gletscherbächen wurde untersucht. Zum ersten Mal ist es den WissenschafterInnen gelungen, das Alter und die Bioverfügbarkeit auf Molekülebene mit der chemischen Zusammensetzung vom organischen Kohlenstoff zu verbinden.

Geo-Metabolomics

Die Zusammenarbeit der Wiener LimnologInnen mit den deutschen KollegInnen hat die "Geo-Metabolomics" erheblich weitergebracht: Ein aufstrebendes Feld der Biogeochemie, das mittels modernster Messtechnologie die chemische Zusammensetzung und Funktion organischer Kohlenstoffverbindungen in natürlichen Ökosystemen untersucht.

Ressource für Mikroorganismen


So konnten die WissenschafterInnen zeigen, dass die biogeochemische Diversität der Kohlenstoffverbindungen im Gletschereis unerwartet hoch ist. Den größten Anteil an organischen Kohlenstoff im Gletschereis machen chemische Verbindungen pflanzlichen und mikrobiellen Ursprungs aus. Hingegen waren Verbrennungsprodukte nur schwach im Gletschereis vertreten.

Obwohl diese Verbindungen zum Teil mehrere tausend Jahre alt sind, sind sie dennoch als Ressource für Mikroorganismen im Gletscherbach verfügbar. Dass alter Kohlenstoff bioverfügbar ist, widerspricht gängigen Meinungen und unterstreicht die Rolle von Gletschern als "Tiefkühltruhe", in der organisches Material konserviert bleibt.

Angeregter Metabolismus

Die Studie zeigt erstmals, dass organischer Kohlenstoff aus Gletschern bei Freisetzung durch Gletscherschmelze den Metabolismus im Gletscherbach stimulieren kann. Somit veratmen Mikroorganismen in Gletscherbächen alten Kohlenstoff, der letztendlich als Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangen kann. Die Ergebnisse tragen zum Verständnis der Rolle von Binnengewässern zum globalen Kohlenstoffkreislauf bei.

Die publizierte Arbeit ist ein Beitrag zum Forschungsschwerpunkt "Global Change Biology" an der Fakultät für Lebenswissenschaften. Die Forschungsarbeit wurde durch das START-Programm des FWF finanziert und ist eine Kollaboration des Departments für Limnologie mit der Fakultät für Physik der Universität Wien, dem Max-Plank-Institut für Marine Mikrobiologie (Bremen), der Universität Oldenburg und der WasserCluster Lunz GmbH. (af)

Die Publikation "Biogeochemically diverse organic matter in Alpine glaciers and its downstream fate" (AutorInnen: Singer, G.A, C. Fasching, L.Wilhelm, J. Niggemann, P. Steier, T. Dittmar & T.J. Battin) erschien am 16. September 2012 in Nature Geoscience.