Genaue Messungen durch Einkristall-Beschichtung

Einen technologischen Durchbruch, mit dem noch präziseres optisches Messen von Zeit und Raum möglich wird, haben Forscher aus Wien und den USA rund um Quantenphysiker Markus Aspelmeyer von der Universität Wien errungen.

Die genauesten Methoden zur Messung von Zeit und Raum basieren mittlerweile auf Laserlicht. "Licht kann man im Prinzip als sehr exaktes Maßband oder als Uhr verwenden, wenn man die Wellenlänge bzw. die Frequenz des Lichts sehr gut kennt", erklärt Quantenphysiker Markus Aspelmeyer von der Universität Wien. Dazu lassen die Forscher das Licht sehr oft zwischen zwei Spiegeln hin- und herlaufen. So ein "optischer Resonator" erlaubt dann hochpräzise Längen- und Zeitmessungen.

Störungen des Lichts möglich

Wenn der Abstand der Spiegel auch nur ganz leicht schwankt, "haben wir ein Problem", so der Wissenschafter, dessen eigentlicher Forschungsfokus auf grundlegenden quantenoptischen Experimenten liegt. Die Schwankung verursacht eine Störung des Lichts, die mit jedem Umlauf im Resonator größer wird. Der Laser ist also im Prinzip ein perfektes Messwerkzeug, allein durch die Spiegel ergeben sich aber Limitierungen.

Lösung: Neuartige Spiegelbeschichtungen

"Die Genauigkeit, die man heute mit optischen Präzisionsmessungen erreicht, ist bereits atemberaubend", so Markus Aspelmeyer. Es lassen sich Distanzen auf weniger als ein Zehntausendstel des Durchmessers eines Atomkerns genau bestimmen und Sekunden mit einer Genauigkeit von mehr als zehntausend Billionen Nachkommastellen messen. In manchen Bereichen der Wissenschaft und Technik ist aber auch das noch nicht genau genug.

Die Schwachstelle in heutigen Resonatoren sind mechanische Bewegungen, die aufgrund der Umgebungstemperatur in den reflektierenden Beschichtungen (Coatings) der Spiegel entstehen. Diesem "thermischen Rauschen" kann nur entgegengewirkt werden, indem die Versuchsanordnung abgekühlt wird oder man auf Materialien setzt, "bei denen diese mechanischen Schwingungseigenschaften besser sind".


Markus Aspelmeyer ist seit 2009 Professor an der Fakultät für Physik der Universität Wien. Er ist Gründungsmitglied und Sprecher des Vienna Center for Quantum Science and Technology (VCQ). Seit 2010 ist er Mitglied der Jungen Kurie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.


Neuer Ansatz

Seit mehr als 30 Jahren würde für die nur wenige tausendstel Millimeter dünnen Beschichtungen ein Material mit hervorragenden optischen, aber schlechten mechanischen Eigenschaften verwendet. Mittlerweile verursacht das thermische Rauschen der Beschichtungen aber die größte Ungenauigkeit in den Messungen. Bisherige Versuche, die Coatings zu verbessern, hätten nur relativ bescheidene Erfolge gebracht. "Wir haben hier einen völlig neuen Ansatz", betont Aspelmeyer.

Der Erstautor der Studie, Garrett Cole, kommt ursprünglich aus dem Bereich der Halbleitertechnologie. "Unsere eigentliche Motivation war es, bessere Mikrosprungbretter für unsere Quantenexperimente zu bauen. Dazu hat er reflektierende Beschichtungen aus Halbleitermaterial hergestellt, das einkristallin war. Ein Einkristall hat den Vorteil, dass er hervorragende mechanische Eigenschaften hat", erklärt Aspelmeyer. Nun haben es die Physiker geschafft, aus diesem Material großflächige Spiegel-Beschichtungen zu bauen. Die optischen Eigenschaften sind vergleichbar mit denen herkömmlicher Coatings, aber das "thermische Rauschen" können die Forscher mit der neuen Technologie "um den Faktor zehn" reduzieren.

Um das zu demonstrieren erhielten die Wiener Forscher Unterstützung vom renommierten "National Institute of Standards" in den USA. Die Arbeitsgruppe von Prof. Jun Ye ist weltweit anerkannt für ihre Experiment zur präzisen Zeitmessung und führte mit den Wiener Spiegeln eine sehr exakte Messung anihren optischen Resonatoren durch. Das Ergebnis: ein Faktor zehn Verbesserung, im Vergleich zu einem, Faktor zwei, den man während der letzten 10 Jahre durch Optimierung der herkömmlichen Spiegel erhalten hatte. "Wir wissen sogar, wie wir auf den Faktor einhundert kommen könnten", freut sich der Physiker, in dessen Labor die Spiegel entwickelt wurden.

Zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten

Dieses "Abfallprodukt unserer Quantenforschung" sei für Anwendungen in vielen Wissenschaftsbereichen interessant - von der präzisen Frequenzmessung mit optischen Atomuhren bis hin zur Beobachtung von Gravitationswellen. Wenn es gelingt die Zeitmessung mittels Lasertechnologie noch zu verbessern, könnten davon auch andere Gebiete profitieren wie zum Beispiel die Breitbandkommunikation.

Gemeinsam mit der "Physikalisch-Technischen Bundesanstalt" (PTB) in Braunschweig und dem "National Institute of Standards" (NIST) in den USA wollen die Forscher mit diesen Beschichtungen nun jedenfalls "den besten Laser der Welt bauen", erklärte Aspelmeyer. (APA/red)

Die Publikation "Tenfold reduction of Brownian noise in optical interferometry" (AutorInnen: G. D. Cole, W. Zhang, M. J. Martin, J. Ye, and M. Aspelmeyer) erscheint im August 2013 in Nature Photonics.