Garteln in der Stadt: Früher und heute

Von Landbesetzungen bis hin zu Stadtgärten – urbane Landwirtschaftsprojekte sind "hip". Ein Team am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien stellt die Frage, wie unbebauter öffentlicher Raum in Wien genutzt wurde und wird.

"Der Titel des neuen Projekts am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien – 'Green Urban Commons' – verrät schon so einiges über unser Vorhaben", beginnt Projektmitarbeiter Stephan Hochleithner: "Uns interessiert die Bedeutung der sogenannten 'Green Activities' für das Verständnis von öffentlichem Raum in Wien."

Unter der Leitung von Ulrich Brand, der den Forschungsschwerpunkt Umwelt- und Ressourcenpolitik am Institut systematisch ausbaut, betrachtet das Projektteam dabei nicht nur kontemporäre Phänomene, sondern beleuchtet das "Stadtgärtnern" auch aus einer historischen Perspektive. "Wir wollen verstehen, wie öffentlicher Raum ausverhandelt wird und diesen theoretisch, ja kontextuell, erfassen", ergänzt Projektmitarbeiterin Stefanie Arzberger. Gefördert wird das dreijährige Forschungsvorhaben vom Wiener Wissenschafts- und Technologiefonds (WWTF).

"Green Activity" damals ...

Landwirtschaftliche Produktionen im urbanen Wien können bis in das 19. Jahrhundert zurückverfolgt werden. "Stichwort Erdäpfel am Heldenplatz", wirft Stephan Hochleithner ein und bezieht sich auf den gemeinschaftlich organisierten Gemüseanbau am Heldenplatz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Geschah dies aus einer Notlage heraus oder hatte sich das Verhältnis zum öffentlichen Raum verändert? Um diese Frage zu klären, durchforsten die SozialwissenschafterInnen der Universität Wien nicht nur Archive und Literaturbestände, als wichtige Methode fungiert auch das gezielte Befragen von ZeitzeugInnen im Sinne der Oral History. "Hier läuft uns sprichwörtlich die Zeit davon, denn es leben nicht mehr viele WienerInnen, die damals mit dabei waren", erklärt der Nachwuchsforscher.

... und heute


Aktuelles Beispiel für ein urbanes Gartenprojekt ist der neue "Karls Garten" am Wiener Karlsplatz, der Ende April 2014 eröffnet wurde. Er soll zeigen, wie "Urban Gardening" in einer zentralen Stadtlage aussehen und funktionieren kann. Auf dem rund 2.000 Quadratmeter großen Areal sollen über 50 Obst-, Gemüse- und Getreidesorten biologisch angebaut werden. (Foto: Wien.at)



Auch heute gibt es urbane Landwirtschaftsprojekte, und die ForscherInnen interagieren mit zahlreichen AktivistInnen. So zum Beispiel mit dem Kollektiv "SoliLa!" (Abkürzung für: Solidarisch Landwirtschaften), das aus einer Landbesetzung 2012 in Floridsdorf entstanden ist. Die AktivistInnen dieser Gruppierung verfolgen das Ziel, sich "die Kontrolle über Lebensmittelproduktion wieder anzueignen und Stadt aktiv zu gestalten" Mit dem Slogan "Resistance is fertile!" fordern sie eine emanzipatorische Land- und Nahrungsmittelpolitik – ein Paradebeispiel für "Green Activity" und somit für das Forschungsteam -  neben dem Trend zum urbanen Gärtnern – von besonderem Interesse.

Nicht nur für die Akademie


An dem Projekt arbeiten sieben (Nachwuchs-)WissenschafterInnen aus den unterschiedlichsten Disziplinen mit – von Politikwissenschaft über Ökologie bis hin zu Sozialanthropologie. Im Rahmen des Projekts werden auch einige Dissertationen entstehen, die sich mit der Ausverhandlung des öffentlichen Raums und urbanem Gärtnern auseinandersetzen. 



Ulrich Brand und sein Forschungsteam beleuchten urbane Landwirtschaftsprojekte. Hier wird "SoliLa" aktiv, die Landbesetzung als "Recht auf Stadt" fordern. (Foto: Peter A. Krobath)



Das Team strebt eine Kombination aus Grundlagenforschung und angewandter Forschung an. Die Ergebnisse sollen allgemein zugänglich gemacht werden. "Wir planen einen Film, und auch einen Blog haben wir eingerichtet, so kann jeder und jede Interessierte unsere Arbeit mitverfolgen." Monatlich wird es Veranstaltungen, um sich mit all jenen auszutauschen und zu vernetzen, die sich die sich wissenschaftlich, aktivistisch oder in öffentlichen Einrichtungen und NGOs mit "Green Urban Commons" in Wien befassen. (il)

Das vom WWTF geförderte Forschungsprojekt "Green Urban Commons" unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Ulrich Brand vom Institut für Politikwissenschaft der Fakultät für Sozialwissenschaften ist im November 2013 angelaufen.