ERC Consolidator Grant für die Universität Wien

Christophe Erismann ist Philosoph und Experte für die (Philosophie-)Geschichte des Frühmittelalters. Er erhält einen mit rund zwei Millionen Euro dotierten ERC Consolidator Grant für sein Forschungsprojekt zur Rezeption der aristotelischen Logik im 9. Jahrhundert und kommt damit an die Universität Wien.

Neben dem Physiker Markus Aspelmeyer und dem Genetiker Sascha Martens ist der Philosoph Christophe Erismann der dritte Wissenschafter der Universität Wien, der aktuell eine derart hohe Auszeichnung erhält. Das Geld wird in Grundlagenforschung investiert werden. Insgesamt gingen bisher 31 ERC-Grants an die Universität Wien.

"Die Universität Wien setzt damit ihren Erfolgskurs fort, erst im Dezember gingen drei ERC Starting Grants an ForscherInnen der Universität Wien", so Rektor Heinz W. Engl. Insgesamt konnte bei den ERC-Nachwuchs-Grants allein beim Call im Jahr 2014 ein bewilligtes Projektvolumen von über 10,6 Millionen Euro an Drittmitteln eingeworben werden.

Aristotelische Logik im Fokus

Das philosophiegeschichtliche Projekt, das Christophe Erismann am Institut für Byzantinistik und Neogräzistik der Universität Wien durchführen wird, zielt auf eine bessere Kenntnis und eine gerechtere Bewertung des Beitrages der Autoren des neunten Jahrhunderts im Bereich der Philosophie und im Besonderen der Logik ab. Im neunten Jahrhundert studierten sowohl Photius, der Patriarch von Konstantinopel, als auch Johannes Scottus Eriugena im karolingischen Reich Karls des Kahlen und der erste Philosoph der Araber, al-Kindī, am abbasidischen Hof die aristotelischen Kategorien. Diese Kategorien sowie andere Konzepte der Logik des Aristoteles ermöglichen eine rationale Beschreibung der Realität und bilden damit zugleich die Grundlage für die Entwicklung einer Ontologie und das Fundament des Studiums der Philosophie überhaupt.

In einem transkulturellen Zugang wird das Forschungsteam von PhilologInnen und PhilosophiehistorikerInnen um Christophe Erismann die vier großen Sprachtraditionen des Mittelmeerraumes untersuchen, in denen sich Denker zu den aristotelischen Kategorien und allgemein zur von Aristoteles inspirierten Logik geäußert haben: die griechische, lateinische, syrische und arabische.

Das allen vier Traditionen gemeinsame aristotelische Textkorpus, an das mit ähnlichen Methoden und Fragestellungen herangegangen wurde, erlaubt eine Gegenüberstellung der verschiedenen philosophischen Ansätze. Dadurch wird einerseits das gemeinsame Erbe herausgestrichen, andererseits treten auch die Eigenheiten jeder Tradition bei der Herangehensweise an philosophische Probleme klar zu Tage.

Über Christophe Erismann

Nach dem Studium der Philosophie in Lausanne, Genf und Paris promovierte Christophe Erismann mit einem Doktorat zur Ontologie im Frühmittelalter an der Universität Lausanne und der École Pratique des Hautes Études Paris. Als British Academy Postdoctoral Fellow untersuchte er in Cambridge den Universalienstreit im zwölften Jarhundert und war als Research Fellow am Helsinki Collegium for Advanced Studies tätig. Seit 2010 leitete Christophe Erismann im Rahmen einer Schweizer Nationalfond-Professur an der Universität Lausanne eine Forschungsgruppe zum Problem der Relationen in der spätantiken und frühmittelalterlichen Philosophie. Christophe Erismann habilitierte sich 2014 an der École Pratique des Hautes Études Paris.

Im Rahmen eines Forschungsaufenthaltes am Institut für Byzantinistik und Neogräzistik der Universität Wien konzipierte Christophe Erismann mit Institutsvorständin Claudia Rapp das nun bewilligte ERC-Projekt, das ihn nach Wien zurückführen wird, wo er bereits als Gastforscher tätig war.

European Research Council

Die Förderung von grundlagenorientierter Pionierforschung ist einer der Schwerpunkte der Europäischen Union. Dafür wurde der Europäische Forschungsrat (European Research Council, ERC) geschaffen. ERC Consolidator Grants unterstützen exzellente WissenschafterInnen in einem noch relativ frühen Stadium ihrer Karriere darin, ihre Position als eigenständige ForscherInnen zu konsolidieren. Ein internationales Gutachtergremium mit renommierten ExpertInnen entscheidet über die Förderungswürdigkeit der Anträge. Den ausgewählten ForscherInnen wird entsprechender Freiraum zur Verwirklichung ihrer Visionen zugestanden. "Ich freue mich sehr über die nunmehr sechste erfolgreiche Teilnahme am aktuellen ERC-Call. Damit zeigt die Universität Wien einmal mehr ihre Forschungsstärke, mit der sie international sehr gut positioniert ist", sagt Heinz W. Engl, Rektor der Universität Wien.

Insgesamt bereits 31 ERC Grants für die Universität Wien

Seit 2007 wurden bisher zwölf ForscherInnen mit einem ERC Advanced Grant ausgezeichnet: Walter Pohl (Geschichte), Gerhard J. Herndl (Meeresbiologie), Herlinde Pauer-Studer und Martin Kusch (Philosophie), Tecumseh Fitch (Kognitionsbiologie), Michael Wagner (Mikrobielle Ökologie), Anton Zeilinger und Markus Arndt (Physik), Monika Henzinger (Informatik) sowie Adrian Constantin, Walter Schachermayer und Ludmil Katzarkov (alle Mathematik). Dank 14 ERC Starting Grants, einem ERC Proof of Concept und vier ERC Consolidator Grants liegt die Universität Wien bei nunmehr 31 ERC-Förderungen seit 2007. (af)