Die Wahrheit im Blick

Brille

Schon seit ihrer Diplomarbeit beschäftigt sich die Philosophin Monika Gruber mit Frank P. Ramsey und seiner Sicht auf den Wahrheitsbegriff. Im Forschungsprojekt "Ramseys Wahrscheinlichkeitstheorie der Wahrheit" erforscht sie die Verbindung von Wahrscheinlichkeits- und Wahrheitstheorie.

In der Philosophie ist die Wahrheit nicht nur ein dehnbarer Begriff, sie steht sogar selbst zur Diskussion. Gibt es "Wahrheit" an sich? Oder ist "Wahrheit" nur ein Wort? "PhilosophInnen streiten gerne darüber", lacht Monika Gruber vom Institut für Philosophie. In ihrem aktuellen Forschungsprojekt, das im Rahmen des Hertha-Firnberg-Programms vom FWF gefördert wird, geht sie der Wahrheitsdiskussion anhand der Arbeit des britischen Philosophen Frank Plumpton Ramsey auf den Grund.

Frank Plumpton Ramsey wurde 1903 in Cambridge geboren, wo er später auch studierte und bis zu seinem Tod 1930 lebte. Aus wohlhabendem Hause stammend – sein Vater Mathematik-Professor in Cambridge, sein Bruder der spätere Erzbischof von Canterbury – und hochbegabt, schlug Ramsey früh eine wissenschaftliche Karriere ein. (Foto: Cambridge Wittgenstein archive, Copyright und Fotograf unbekannt/fair use)

Wahrheitstheorien

Der grundlegende Streit um den Begriff der Wahrheit findet in der Philosophie zwischen den AnhängerInnen zweier Theorien statt: Während die DeflationistInnen Wahrheit nur als ein Wort sehen, hinter dem nicht mehr Bedeutung steckt, ist die Wahrheit für die Korrespondenztheorie etwas Substanzielles.

Frank Plumpton Ramsey gilt als Schöpfer der Redundanztheorie, der Kerntheorie der DeflationistInnen. Die Theorie basiert auf einem Essay aus dem Jahr 1927, in dem Ramsey den Wahrheitsbegriff anhand des folgenden Satzes analysierte: "Ceasar was murdered" unterscheidet sich in seiner Bedeutung nicht von "It is true that Caesar was murdered", stellte Ramsey fest; und baute so das Fundament für die Redundanztheorie. "Die DeflationistInnen haben sich diesen Satz geschnappt und daraus großartige Theorien entworfen, dabei war es gar nicht Ramseys Ziel, eine Wahrheitstheorie aufzustellen", erklärt Gruber.

Was "Wahrheit" bedeutet, wird in der Philosophie viel diskutiert. Es gibt viele kleinere Ansätze und Theorien, die sich in zwei große Theoriestränge aufteilen lassen: Die Deflationstheorien gehen davon aus, dass hinter dem Wort "Wahrheit" nur ein Wort steckt, ein Adjektiv das dazu benutzt wird, einem Satz mehr Bedeutung zu verleihen, in dem man ihm Wahrheit zuspricht. Zu den Deflationstheorien wird auch Ramseys Redundanztheorie gezählt. Der zweite Theoriestrang – die Korrespondenztheorien – diskutieren den Wahrheitsbegriff als etwas Substanzielles. Wahrheit hat in diesen Theorien eine Bedeutung, die über das Wort hinausgeht. Wenn eine Aussage mit der realen Welt übereinstimmt – korrespondiert – kann sie als wahr gelten.

Wenn zwei sich streiten

Aus Notizen und Manuskripten gegen Ende seines Lebens geht hervor, dass Ramsey anhand der persönlichen und objektiven "beliefs", den Annahmen, die jedem Handeln zugrunde liegen, eine Theorie aufbauen wollte, die über die sogenannte Redundanztheorie hinausgeht. Diese Arbeit möchte Gruber nun fortsetzen und auf Basis von Ramseys Schaffen eine neue Theorie entwickeln, die die zwei konkurrierenden Ansätze aus den Korrespondenz- und Deflationstheorien verbindet und auch Ramseys Arbeiten zur Wahrscheinlichkeitstheorie miteinbezieht.

"Ich glaube, dass jede deflationäre Theorie auch ein bisschen etwas von einer Korrespondenztheorie in sich hat. Was wäre, wenn diese scheinbar ganz konträren Theorien zusammenpassen würden", stellt Gruber in den Raum. Eine sogenannte formale Theorie, die auch die Wahrscheinlichkeit von Handlungen und Annahmen berücksichtigt, wäre auch in Ramseys Sinn, ist sich die Philosophin sicher.

Ramsey Leben und Werk

Ramsey begann schon sehr jung wissenschaftliche Texte zu verfassen. Als er 1930 an Hepatitis starb, hinterließ er viele unvollendete Theorien und Manuskripte, die viel Potenzial für eine Aufarbeitung und Weiterentwicklung bieten. "Da er so jung gestorben ist, war Ramsey noch mitten im Überlegungsprozess und hinterlässt viel Interpretationsspielraum", so Gruber.

Ramsey war in engem Kontakt mit zeitgenössischen Denkern wie dem Philosophen Ludwig Wittgenstein oder dem Ökonomen John Maynard Keynes, die er in Cambridge traf. Sowohl in der Ökonomie als auch in der Mathematik trugen seine Ideen und Ansätze zur Entwicklung neuer Theorien wie der Spieltheorie oder der nach ihm benannten "Ramsey Theorie" in der Mathematik bei. "Nicht alle, die sich mit diesen Themen beschäftigen, nehmen auf ihn Bezug, obwohl er die Grundgedanken dazu hatte", stellt Gruber fest. "Da Ramsey mit seiner Arbeit noch nicht fertig war, ist es besonders spannend, sich anzuschauen, wo seine Theorien hingehen könnten."

Verstehen als Schlüssel

Als Herausforderung beschreibt Gruber das Einlesen in die Literatur, die nicht nur Ramseys eigene Werke, sondern auch die Werke seiner ZeitgenossInnen und GesprächspartnerInnen umfasst. Zugleich ist das für die Wissenschafterin aber auch das Spannendste am Forschungsprozess: "Jedes Mal, wenn ich einen seiner Aufsätze lese, verstehe ich eine Kleinigkeit mehr." Neben der eigenen Analyse war auch der Austausch mit anderen PhilosophInnen wichtig. In mehreren Gesprächen mit Forschungskolleginnen aus England und Schweden entdeckte die Wissenschafterin immer mehr Feinheiten rund um Ramseys Schaffen.

Philosophin Monika Gruber (geb. Macura) rückt Frank P. Ramseys Werk in ihrem Hertha-Firnberg-Projekt ins richtige Licht. "Hertha Firnberg" ist ein Postdoc-Programm zur gezielten Karriereförderung von Nachwuchswissenschafterinnen. Mit den Stipendien erhalten exzellente junge Forscherinnen die Möglichkeit, ihr Projekt im Rahmen einer finanzierten Stelle an der jeweiligen Forschungsstätte zu realisieren. (Foto: Universität Wien)

Am Ende ginge es darum, über die Wahrheit gemeinsam diskutieren zu können und Ramseys Werk nicht auf die Redundanztheorien zu reduzieren, so Gruber. Das könnte auch den Anstoß geben, viel größere philosophische Probleme zu lösen: "Wenn man Wahrheit definiert hat, kann man über alles andere philosophieren", stellt die Philosophin fest – und geht sogar noch einen Schritt weiter: "Wenn man wahre Aussagen machen kann, kann man auch richtig handeln." (pp)

Das Projekt "Ramseys Wahrscheinlichkeitstheorie der Wahrheit" von Mag. Dr. Monika Gruber (geb. Macura) vom Institut für Philosophie der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft läuft von 1.2.2015 bis 31.1.2018 und wird vom FWF im Rahmen des Hertha-Firnberg-Programms gefördert.