Die unsichtbare Zellwand

ForscherInnen der Universität Wien zeigen: Chlamydien haben doch Peptidoglycan! Das ist ein Bestandteil der Zellwand von Bakterien, von dem man bisher vermutete, dass er in Chlamydien nicht vorkommt. Das neue Ergebnis lässt u.a. Rückschlüsse auf die Wirksamkeit von Antibiotika zu.

Bakterien müssen unter allen Umständen "in Form zu bleiben". Dabei hilft ihnen ein stabilisierendes Netz aus Zuckerketten und Aminosäuren in ihrer Zellhülle, das Peptidoglycan genannt wird. Diese Schicht gibt Bakterien nicht nur ihre Form, sondern verhindert auch ein Platzen, indem sie dem osmotischen Innendruck der Zellen entgegenwirkt. Einigen wenigen Bakterien fehlt diese stabilisierende Peptidoglycanschicht. Bis vor kurzem wurde angenommen, dass dies auch auf Chlamydien zutrifft – Bakterien, die Menschen, aber auch Amöben, Insekten, Fische und andere Tiere infizieren und sich nur innerhalb von tierischen Zellen oder Einzellern vermehren können.

Jahrzehntelange Kontroverse beendet

ForscherInnen der Universität Wien rund um Matthias Horn vom Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung haben sich auf Umweltchlamydien spezialisiert, die sich in Amöben vermehren. "Die Abwesenheit von Peptidoglycan in Chlamydien wurde jahrzehntelang kontrovers diskutiert. Aufgrund der Genomsequenz wusste man zwar, dass sie in der Lage sein sollten, Peptidoglycan herzustellen. Es ist aber niemandem gelungen, das auch nachzuweisen. Daher wurde vermutet, dass diese Bakterien ihre Zellwand stattdessen durch die Verknüpfung spezieller Proteine stabilisieren", erklärt Karin Aistleitner vom Department für Mikrobielle Ökologie und Ökosystemforschung.


Karin Aistleitner, eine der beiden Erstautorinnen der kürzlich im Fachmagazin "Nature Communications" publizierten Studie, konnte Peptidoglycan in Chlamydien mit Hilfe neuer mikroskopischer Techniken nachweisen. (Foto: Han Fei Allen Tsao)



Internationale Zusammenarbeit

Gemeinsam mit KollegInnen des California Institute of Technology, der Indiana University (USA) und der Newcastle University (GB) konnte die Arbeitsgruppe der Universität Wien jetzt erstmals Peptidoglycan in Chlamydien nachweisen. Dazu verwendeten die ForscherInnen modernste mikroskopische Verfahren und speziell für diesen Zweck entwickelte fluoreszente Farbstoffe, die neu gebildetes Peptidoglycan in der Zelle sichtbar machen.

Die Visualisierung von Peptidoglycan in der Zellwand von Chlamydien gelang dem Team zunächst mit Hilfe der sogenannten "Cryo-Elektronentomographie": Bei dieser Technik werden Bakterienzellen in Bruchteilen einer Sekunde in flüssigem Stickstoff schockgefroren und danach bei -170°C mit einem speziellen Cryo-Elektronenmikroskop dargestellt.


Dreidimensionale Rekonstruktion von Chlamydien (Protochlamydia amoebophila) innerhalb ihrer Wirtszellen mittels Cryo-Elektronentomographie. Die Bakterienzellwand ist rot dargestellt. (Foto: Martin Pilhofer)



"Durch das rasche Einfrieren der Zellen werden zelluläre Strukturen perfekt erhalten, weil sich keine Eiskristalle sondern sogenanntes amorphes Eis bildet. Dadurch kann man die Bakterien in einem lebensnahen Zustand abbilden", erläutert Martin Pilhofer, Postdoc am California Institute of Technology.

... und es ist doch Peptidoglycan

Mithilfe massenspektroskopischer Analysetechniken gelang es anschließend, die in der Cryo-Eletronenmikroskopie nachgewiesenen Zellwandbestandteile als Peptidoglycan zu identifizieren. Peptidoglycan ist auch deshalb von großer Bedeutung, da viele Antibiotika Enzyme blockieren, die für die Peptidoglycansynthese wichtig sind.

"Interessanterweise ist bekannt, dass Chlamydien gegen manche dieser Antibiotika empfindlich sind, man hat aber bislang nicht erklären können, warum. Unsere Ergebnisse lassen diese Beobachtungen nun in einem neuen Licht erscheinen", sagt Matthias Horn, Professor am Department für Mikrobielle Ökologie und Ökosystemforschung der Universität Wien. "Zudem konnte kurz nach der Veröffentlich unserer Studie eine andere Forschungsgruppe auch in den menschlichen Krankheitserregern Peptidoglycan nachweisen. Zusammengenommen sind die aktuellen Ergebnisse der Beginn eines neuen Verständnisses der Zellbiologie von Chlamydien", so der Experte. (red)

Das Paper "Discovery of chlamydial peptidoglycan reveals bacteria with murein sacculi but without FtsZ" (AutorInnen: M. Pilhofer, K. Aistleitner, J. Biboy, J. Gray, E. Kuru, E. Hall, Y. V. Brun, M. S. Van Nieuwenhze, W. Vollmer, M. Horn, G. J. Jensen) erschien im Journal "Nature Communications".