Die Toleranz der Donaufische

Baustelle Donauufer: Zwischen Wien und Bratislava sollen die Schifffahrtsverhältnisse verbessert und die Uferlandschaft "rehabilitiert" werden. Hubert Keckeis vom Department für Limnologie der Universität Wien untersucht die Auswirkungen des Umbaus auf die Fischfauna.

Die Besetzung der Hainburger Au 1984, die den Bau des Wasserkraftwerks erfolgreich verhindern konnte, zählt neben Zwentendorf zu den demokratiepolitischen Meilensteinen in der Geschichte Österreichs. Dem Einsatz der DemonstrantInnen von damals ist es zu verdanken, dass die Donau zwischen Wien und Bratislava auf über 30 Kilometer frei fließen kann und das einzigartige Naturbiotop der Aulandschaft erhalten bleiben konnte. So ist es kein Wunder, dass heute bauliche Maßnahmen in dieser einzigartigen Naturlandschaft strengen ökologischen Kriterien unterliegen und von der Öffentlichkeit besonders genau verfolgt werden.

Pilotprojekt Witzelsdorf: Testphase vor Baubeginn


Denn die Donau-Auen sind ein sensibles Ökosystem. Darum wird das "Flussbauliche Gesamtprojekt Donau östlich von Wien" vor Baubeginn auf seine ökologische Verträglichkeit getestet. Mitte 2009 wurde das "Pilotprojekt Witzelsdorf" fertig gestellt: Auf etwa 1,3 Kilometer Uferlänge im Bereich Witzelsdorf (Höhe Eckartsau) sind die Steinverbauungen (Buhnen) entfernt sowie große Buhnen durch kleine ersetzt worden.

Drei Forscher der Universität Wien leiten die ökologischen Begleituntersuchungen des Projekts: Hubert Keckeis untersucht den Einfluss der Rückbau-Maßnahmen auf die Diversität der Fische, für die das Hauptgerinne nach wie vor eine wichtige Rolle spielt. Vegetationsökologe Karl Reiter beschäftigt sich mit den Pflanzen in Ufernähe und Christian Schulze vom Department für Tropenökologie und Biodiversität der Tiere mit Wasservögeln und Insekten am Flussufer und im unmittelbar angrenzenden Auwald. (Zum Dossier "Forschung an der blauen Donau")


Die kleinen, schlanken Lauben (Alburnus alburnus) sind oft in größeren Schwärmen knapp unter der Wasseroberfläche zu beobachten. Sie ernähren sich hauptsächlich von Plankton (winzigen Krebsen und anderen Tieren im Wasserkörper) und Insekten von der Wasseroberfläche.



Unterschiedliche Interessen sollen im Rahmen dieses Projekts vereint werden: via donau ist daran gelegen, die Schifffahrtsverhältnisse zu verbessern – dies geschah bisher mittels Stromsohleanpassungen und Regulierungsbauwerken wie Buhnen und Leitwerken. Der Nationalpark Donau-Auen sieht im Rahmen dieses Vorhabens die große Chance, eine "Renaturalisierung" des derzeit großteils verbauten und befestigten Donauufers zu realisieren. Falls die ExpertInnen der Universität Wien im Rahmen des Pilotprojekts tatsächlich negative Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt feststellen sollten, können die Baumaßnahmen entsprechend angepasst werden.

Zu den Fischen


Aber auch die Grundlagenforscher verfolgen eigene Interessen: "Für uns ist dieses Projekt eine einzigartige Möglichkeit, die Donaufische – ihre Diversität und Entwicklung – über einen längeren Zeitraum zu untersuchen", freut sich Hubert Keckeis. Grundsätzlich klingen die baulichen Maßnahmen ökologisch: Das vormals befestigte Ufer wird restrukturiert, überflüssige, alte Uferbefestigungen komplett entfernt,  die großen Buhnen durch kleinere ersetzt, so dass sich wieder ein natürliches Ufer ausbilden kann. Da die Uferlandschaft allerdings über die letzten Jahrzehnte hin befestigt war, stellt sich trotzdem die Frage, wie die Fische auf diese doch gravierende Veränderung reagieren werden.


Der Aitel (Squalius cephalus) zählt zur Familie der Karpfenfische und kann in der Donau beachtliche Größen über 50 cm Länge aufweisen. Der Aitel frisst bevorzugt im Freiwasser driftende oder an der Wasseroberfläche treibende Nahrung (Insekten, Insektenlarven, Früchte).



Gerade der Uferbereich ist für die Donaufische, darunter Barbe, Nase und Nerfling, ein besonders wichtiger Platz am Fluss: Dort legen die Fische ihre Eier ab, die sich im Vergleich zur Strommitte in den dort ruhigeren Bereichen entwickeln und zu Jungfischen heranwachsen. Wie überall im Tierreich zählt die frühe Entwicklungs- und Wachstumsphase zum gefährlichsten Lebensabschnitt; Eingriffe in diese Räume könnten also durchaus drastische Auswirkungen auf den Fischbestand insgesamt haben.


Nasen gehören auch zu Karpfenfischen und werden bis zu ein Kilogramm schwer. Eine Besonderheit dieser Art ist Ihre Ernährungsweise. Sie fressen im erwachsenen Stadium hauptsächlich so genannte Aufwuchsalgen, die auf den Kieselsteinen der Schotterbänke wachsen und richtiggehend abgeschabt werden. Nasen führen ausgedehnte Laichwanderungen in Zuflüsse durch. Früher war die Nase eine sehr häufige Art - mittlerweile sind die Bestände europaweit stark zurück gegangen.



"Fluss verändert sich ständig"


Hubert Keckeis relativiert diese Annahme – noch: "Bis jetzt tolerieren die Fische die Umbauten. Sie sind durchaus anpassungsfähige Tiere, da eine Flusslandschaft niemals statisch ist, sondern sich ständig in einem Veränderungsprozess befindet. Stichwort: Duchflussänderungen, Umlagerungen, Temperatur, Klima, etc. Die Donau ist insgesamt ein sehr dynamischer Fluss."

Im Forschungsalltag stellt die Probenentnahme die große Herausforderung für die FischexpertInnen dar: Fische sind im Wasser nicht sichtbar, verändern ständig ihren Standort – manche Arten zählen sogar die über 50 Kilometer zwischen Nußdorfer Schleuse und Hainburg zu ihrem Revier. Mittels Elektrobefischung – ungefährlich für die Tiere – und anderen Fangmethoden wie Langleinen versuchen Keckeis und sein Team, das Vorkommen und die Häufigkeit der verschiedenen Fischarten festzustellen. Im Laufe der insgesamt vier Projektjahre werden über das Jahr verteilt mehrere Beprobungen bei unterschiedlichen Wasserpegeln durchgeführt, um so die Entwicklung der Arten festzustellen.


Die Barbe (Barbus barbus) fühlt sich als Grundfisch entlang der freien Fließstrecke der Donau besonders wohl. Diese Art ist auf Insektenlarven und Würmer am/im Sediment/Lückenraum als Nahrungsresource angwiesen. In Österreich ist sie noch häufig anzutreffen, im restlichen Europa gilt die Barbe bereits als gefährdet. Sie wandert ebenso wie die Nase im Frühjahr gerne in Zuflüsse um abzulaichen.



"Das Projekt läuft noch bis 2014. Erst dann können wir wirklich sagen, inwieweit und ob die Baumaßnahmen einen Einfluss – ob positiv oder negativ – auf die Fischpopulationen haben werden", so Keckeis abschließend. Er selbst könne sich durchaus vorstellen, dass der Rückbau zu einem natürlichen Flussufer langfristig gesehen einen positiven Einfluss auf die Donaufische und ihre Entwicklung haben könnte: "Verbauungen sind immer schlecht für Jungfische und die Diversität der Fischfauna insgesamt." (td)

Dieser Artikel ist auch als Kurzversion in der aktuellen Ausgabe von "univie" (Alumni-Magazin der Universität Wien) erschienen.

Flussbauliches Gesamtprojekt Donau östlich von Wien:

Ao. Univ.-Prof. Dr. Hubert Keckeis vom Department für Limnologie leitet eine der drei Arbeitsgruppen, die in die ökologischen Begleituntersuchungen des "Flussbaulichen Gesamtprojekts" involviert sind. Mitte 2009 wurde das Pilotprojekt Witzelsdorf baulich fertig gestellt. Auf etwa 1,3 km Uferlänge wurde die harte Steinverbauung entfernt, seither kann die Donau wieder ihre Uferlandschaft gestalten. Das geplante Projekt umfasst den Donauabschnitt östlich Wien vom Kraftwerk Freudenau bis zur österreichisch-slowakischen Staatsgrenze. Ziel ist die Verbesserung der Fahrwasserverhältnisse durch flussbauliche Maßnahmen ohne Staustufen unter besonderer Rücksichtnahme auf die ökologischen Bedürfnisse des Nationalparks Donau-Auen. Für die Planung und Umsetzung ist die Österreichische Wasserstraßen-GesmbH via donau verantwortlich. Finanziert wird es vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie sowie durch Mittel der EU (Förderprogramm TEN-T). Gesamtkosten ca. 220 Millionen Euro. Zur Projektwebseite