Die richtige Terminologie ist gefragt

Sprachenvielfalt in der EU – dazu gehören auch Verträge und Dokumente in 23 Amts- und Arbeitssprachen und eine gemeinsame Terminologiedatenbank mit fast 1,5 Millionen Einträgen. Allein zum Sozialrecht gibt es ca. 100.000 Termini. Diese stehen u.a. im Mittelpunkt eines EU-Projekts von TranslationswissenschafterInnen der Universität Wien.

"Eine Datenbank mit über tausend Einträgen kann von einem Menschen alleine nicht mehr kontrolliert werden", erklärt Tanja Wissik, Translationswissenschafterin und Projektmitarbeiterin des mit 1,25 Millionen Euro geförderten EU-Projekts "LISE": "In unserem Fall sprechen wir von der Verbesserung des Managements und der Qualität von Datenbanken mit mehreren tausend Einträgen."


Dieser Artikel erschien im Forschungsnewsletter Mai 2013.
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Problemlöserin LISE


LISE steht für "Legal Language Interoperability Services", der Fokus des EU-Projekts liegt auf der Rechts-und Verwaltungsterminologie. Ziel ist es, mit den vom Forschungsteam entwickelten Tools die Qualität von – oftmals fehleranfälligen – Terminologiedatenbanken zu verbessern.

"Das klingt vielleicht banal, aber ein großes Problem aller Datenbanken sind Tipp- und Rechtschreibfehler", erklärt Wissik: "Wir haben im Projekt ein sogenanntes 'Clean-up-Tool' entwickelt, das solche Fehler findet; inklusive Dubletten und falsche Sprachklassifikationen. Wenn also das englische Wort 'judge' zum Beispiel fälschlicherweise als 'juge' abgespeichert ist, erkennt das Tool dies als Fehler." Es kann automatisiert eingesetzt werden, wobei immer die TerminologInnen das letzte Wort haben.


Das LISE-Projektteam hat einen Clip auf YouTube gestellt, in dem das im Projekt entwickelte Clean-up-Tool für Terminologiedatenbanken anschaulich erklärt wird. Zum Video



In einem nächsten Schritt folgt das "Fill-up". Dabei wird die Datenbank um Termini erweitert. "Das Potenzial des 'Fill-ups' liegt vor allem in kleineren Sprachen, zum Beispiel Maltesisch", so Wissik: "Hier können relativ rasch und unkompliziert Formulierungen aus bereits bestehenden Übersetzungen vorgeschlagen werden. In 'IATE', der EU-Datenbank, finden sich viele Rechtstermini derzeit nur auf Englisch. Ziel ist es, das Inkludieren aller Amtssprachen, auch die von neuen Beitrittskandidaten, zu erleichtern. Gerade im Rechtsbereich sind die Fachausdrücke für Übersetzungen von Dokumenten wichtig."

Universität Wien: Begründung der Terminologieforschung

Dass die Projektleitung von LISE mit Gerhard Budin an der Universität Wien liegt, ist die Fortsetzung einer langen Tradition, die bis zur Gründung der Terminologieforschung durch Eugen Wüster in den 1960er Jahren zurück geht. "International ist die Wiener Schule bis heute sehr bekannt und angesehen", weiß Tanja Wissik, die sich selbst auf Terminologien im Rechtsbereich spezialisiert hat. Sie spricht fließend Italienisch, Spanisch und Englisch und studiert derzeit neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit in der Translationsforschung noch Rechtswissenschaften. Zur Rechtsterminologie verfasste Tanja Wissik bereits ihre Dissertation an der Universität Wien: "Den Praxisbezug finde ich an der Terminologieforschung besonders spannend. So sind beispielsweise die Ergebnisse aus unserem LISE-Projekt direkt anwendbar."


SYMPOSIUM: Die Ergebnisse des EU-Projekts LISE werden vom 8. bis 10. Juli 2013 an der Universität Wien im Rahmen des 19. "European Symposium on Languages for Special Purposes" (LSP 2013) präsentiert. Die dreitägige Konferenz wird von Gerhard Budin, Vesna Lušicky und Tanja Wissik vom Institut für Translationswissenschaft der Universität Wien organisiert.



LISE für EU ...

Das LISE-Team ist international und interdisziplinär aufgestellt. Die Terminologieexpertise und Projektleitung liegt an der Universität Wien, kooperiert wird mit der österreichischen Parlamentsdirektion, den Übersetzungsexperten von CrossLang (Belgien), der Europäischen Akademie Bozen (EURAC, Italien) und der Sprachsoftwarefirma ESTeam AB (Schweden). Nach Projektende – im Juli 2013 – können die (weiter)entwickelten Tools direkt von den EU-Institutionen übernommen und eingesetzt werden, um bestehende Datenbanken zu verbessern. In LISE liegt der Fokus zwar auf der Rechtsterminologie, die Methoden und Tools lassen sich aber auf alle Terminologiedatenbanken umlegen.

... und Universität Wien

Auch die derzeit in Entwicklung befindliche englische Terminologiedatenbank der Universität Wien arbeitet mit den LISE-Tools. Translationswissenschafterin Barbara Heinisch-Obermoser ist in der Öffentlichkeitsarbeit der Universität Wien für die Entwicklung und Implementation von UniVieTerm, der Universität Wien-Datenbank, verantwortlich und gehört ebenfalls zum LISE-Projektteam. So kann sie das Wissen der Datenbankerstellung in LISE einbringen und gleichzeitig die Forschungsergebnisse von LISE in die Praxis umsetzen.


UniVieTerm – die Datenbank der Universität Wien für universitätsspezifische Termini befindet sich derzeit in der Testphase. Voraussichtlich startet sie im Sommer 2013 mit rund 2.000 Einträgen und insgesamt 4.500 Termini in den Sprachen Englisch und Deutsch.



"Im Projekt haben wir den größten Terminologiediensten der Welt über die Schulter geblickt und versucht, die verschiedenen Ansätze von Terminologiearbeit auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen", so Heinisch-Obermoser: "Die im LISE-Projekt entwickelten Hilfsmittel für TerminologInnen sind sehr an den Bedürfnissen der Zielgruppe orientiert und fließen auch in das Projekt 'UniVieTerm' – die Datenbank der Universität Wien für universitätsspezifische Termini – ein."

Guidelines für Best Practice

Die zweite große Schiene des EU-Projekts LISE liegt auf Workflow-Interviews. Dabei befragten Tanja Wissik und Elena Chiocchetti (EURAC) 16 Terminologiedienste (u.a. FAO: Food and Agriculture Organization of the United Nation, Auswärtiges Amt, EU-Institutionen), um deren Terminologiearbeit und -workflows zu analysieren. "Wir sind gerade mit der Auswertung fertig geworden und haben unsere Ergebnisse jetzt zur Durchsicht an die befragten Einrichtungen geschickt", so Wissik: "Das erste Ergebnis ist, dass die Workflows deutlich weniger standardisiert sind als in der Literatur dargestellt wird."



Das LISE-Konsortium in der Säulenhalle des österreichischen Parlaments nach einem Projekttreffen (v.l.n.r.): Joeri Van de Walle (CrossLang), Günther Schefbeck (Parlamentsdirektion), Elena Chiocchetti (EURAC), Isabella Stanizzi (EURAC), Gerhard Budin (Projektleiter, Universität Wien), Tanja Wissik (Co-Projektleiterin, Universität Wien), Gudrun Magnusdottir (ESTeam), Heidi Depraetere (CrossLang) und Michael Wetzel (ESTeam).



Auf Basis der Interview-Analyse erstellt das LISE-Team dann einen Best Practice Guide, der auch öffentlich zugänglich sein wird. "Gerade was das Prozedere bei der Terminologieerstellung betrifft, unterscheiden sich EU-Institutionen stärker voneinander als angenommen. So arbeitet etwa das Parlament nach einem anderen Workflow als die Kommission." Hier wird das LISE-Projekt dazu beitragen, die interinstitutionelle Zusammenarbeit gerade im Bereich der Rechts-und Verwaltungsterminologie zu verbessern. (td)

Das EU-Projekt LISE (Legal Language Interoperability Services) startete im Februar 2011 und läuft bis 31. Juli 2013. Es wird von der EU mit 1,25 Millionen Euro gefördert. Die Leitung hat Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerhard Budin vom Institut für Translationswissenschaft der Universität Wien inne, die Co-Leitung MMag. Dr. Tanja Wissik. Projektpartner: Österreichische Parlamentsdirektion, CrossLang (Belgien), Europäische Akademie Bozen (EURAC, Italien), ESTeam AB (Schweden).