Die chemische Landkarte der Platin-Krebstherapie

ForscherInnen des Instituts für Anorganische Chemie und des Departments für Mikrobiologie und Ökosystemforschung der Universität Wien ist es gelungen, die Verteilung des Krebsmedikaments Cisplatin in menschlichen Krebszellen mittels räumlich aufgelöster Massenspektrometrie (NanoSIMS) darzustellen.

Wer an bestimmten Formen von Krebs (wie Lungen-, Darm-, Eierstock- sowie Hodenkrebs oder bösartigen Tumoren des Kopf-Hals-Bereichs) erkrankt, erhält im Rahmen der medikamentösen Therapie mit hoher Wahrscheinlichkeit ein platinhaltiges Präparat. Diese Medikamente wurden darum in den letzten Jahren intensiv untersucht. So viel jedoch über die Wirksamkeit von Platinverbindungen in der Krebsbehandlung auch bekannt sein mag – eine so grundlegende Frage wie jene der Verteilung dieser Wirkstoffe in den Krebszellen konnte bislang nur unzureichend beantwortet werden.

Der Grund: Es gab bisher keine ausreichend empfindliche Methode, um die Spurenmengen an Platin im Submikrometer-Maßstab zu visualisieren. "Allerdings könnten sich aus der Kenntnis der Verteilung ganz neue Aspekte für das Verständnis der Wirkungsweise dieser Medikamente auftun", so Bernhard Keppler, Dekan der Fakultät für Chemie, dessen Arbeitsgruppe an metallhaltigen Wirkstoffen für die Krebstherapie forscht und hierfür seit einigen Jahren mit dem Department für Mikrobiologie und Ökosystemforschung der Fakultät für Lebenswissenschaften zusammenarbeitet.


Mittels NanoSIMS wird die Verteilung chemischer Elemente in cisplatin-behandelten Krebszellen "kartiert".



Durchbruch mittels NanoSIMS

Nun gelang den ForscherInnen der Universität Wien ein Durchbruch: Sie nutzten die Methode der hochauflösenden Sekundärionen-Massenspektrometrie (NanoSIMS) und konnten dadurch die Verteilung des wichtigen Krebsmedikaments Cisplatin in menschlichen Krebszellen in einer Qualität darstellen, die detaillierte Aussagen über seine subzelluläre Lokalisierung erlaubt.

"Der Nachweis der Platinverbindung mittels NanoSIMS stellte eine große Herausforderung dar, da sich nur Femtogramm (= ein Milliardstel von einem Millionstel Gramm) dieses Medikaments in einer Krebszelle befinden. Solch geringe Mengen erfordern eine Ultraspurenanalytik, die selbst das NanoSIMS an seine Nachweisgrenzen bringt", erklärt Arno Schintlmeister, der die NanoSIMS-Messungen an der Universität Wien durchgeführt hat: "Wir freuen uns, dass es gelungen ist, mit unserem Gerät in diesen Messbereich vorzustoßen."


Die Kombination von NanoSIMS mit konfokaler Fluoreszenzmikroskopie hilft bei der Identifizierung subzellulärer Strukturen.



Die Platin-Hotspots in der Zelle identifizieren

Anton Legin vom Institut für Anorganische Chemie schließlich konnte im Rahmen seiner Doktorarbeit einige neue Erkenntnisse zur Verteilung des Metalls in der Krebszelle gewinnen. Er analysierte gleichzeitig mit dem Vorkommen von Platin auch jenes der Elemente Kohlenstoff/Stickstoff, Phosphor und Schwefel und war dadurch in der Lage, in den Krebszellen gewisse Kompartimente sowie das phosphorreiche Chromatin schon anhand der NanoSIMS-Bilder einzugrenzen. Der Biochemiker stellte dabei eine Anreicherung von Platin im Chromatin und vor allem in den Kernkörperchen (Nucleoli) fest.

Insgesamt fand er das Metall allerdings häufiger mit Schwefel als mit Phosphor assoziiert. Um die schwefelreichen subzellulären Strukturen zu identifizieren, die mit den zahlreichen Platin-Hotspots im Zytoplasma zusammenfallen, griff der junge Biochemiker zu konfokaler Laser-Scanning-Mikroskopie und kam zu dem Schluss, dass der überwiegende Anteil des außerhalb des Zellkerns gebundenen Platins in Lysosomen konzentriert wird.

Damit legte die Forschungsgruppe der Universität Wien einen wichtigen Grundstein für weitere Studien, um langfristig die Wirksamkeit dieser wichtigen Medikamente bzw. die möglichen Resistenzen gegen diese Medikamente besser zu verstehen. (red)

Die Publikation "NanoSIMS combined with fluorescence microscopy as a tool for subcellular imaging of isotopically labeled platinum-based anticancer drugs" (AutorInnen: A. A. Legin, A. Schintlmeister, M. A. Jakupec, M. Galanski, I. Lichtscheidl, M. Wagner und B. K. Keppler) erschien am 6. Juni 2014 in der renommierten Fachzeitschrift "Chemical Science".