Der Trend zur Klick-Demokratie

Online-Petitionen gehören zum modernen Spektrum der politischen Partizipation. Ein Forschungsteam rund um Politikwissenschafterin Sieglinde Rosenberger von der Uni Wien untersucht die Besonderheiten von Online-Petitionen und vergleicht sie mit den "klassischen" Petitionsinstrumenten in Österreich.

Am politischen Prozess aktiv teilnehmen, der eigenen Stimme Gehör verschaffen, Aufmerksamkeit generieren – die Gründe, Petitionen zu unterschreiben, sind vielfältig. In Österreich gibt es seit der Reform des Petitionsrechts in den 1980ern zwei Instrumente, die sich beide direkt ans Parlament richten: Einerseits die parlamentarische Bürgerinitiative – sie wird von Bürger*innen initiiert – und andererseits die parlamentarische Petition, die von Abgeordneten eingebracht wird. Diese institutionalisierten Petitionsinstrumente vergleicht das Forschungsprojekt "PETICIPATE" rund um Sieglinde Rosenberger vom Institut für Politikwissenschaft mit dem vergleichsweise neuen Instrument der Online-Petitionen.

Kein rechtlicher Konnex zum Parlament

Online-Petitionen erfreuen sich in Zeiten von Social Media und digitaler Vernetzung immer größerer Beliebtheit, manche sprechen gar vom Zeitalter der "Klick-Demokratie". Politikwissenschafterin Sieglinde Rosenberger ordnet diese Form der politischen Beteiligung ein: "Online-Petitionen haben kein verrechtlichtes Verfahren, um die Anliegen in den parlamentarischen Prozess zu bringen. Sie können aber andere Funktionen, nämlich jene der Artikulation und des Protests, erfüllen."

An einer Online-Petition teilzunehmen, ist denkbar einfach, wie Projektmitarbeiter Elio Dalpra erklärt: "Man braucht im Grunde nur einen Internetanschluss. Viele Plattformen verlangen bei der Unterzeichnung lediglich Name und Mailadresse, manche auch das Alter." Seit etwa 2011 wächst die Zahl der Online-Petitionen stetig, eine der beliebtesten Plattformen, die auch für das Forschungsprojekt untersucht wurde, ist "openPetition".

Was bezweckt eine Petition?

Welche Akteur*innen nutzen Online-Petitionen, welche Themen werden vorrangig behandelt? Diese Fragen versucht das Projekt "PETICIPATE" zu beantworten. Spannend für die Politikwissenschafter*innen ist außerdem, ob sich die Motive und Funktionen von Online-Petitionen anders darstellen als bei parlamentarischen Bürgerinitiativen und Petitionen.

Untersucht wurden die jeweils unterstützungsstärksten Petitionen der einzelnen Kategorien. Die Hauptmotive der Initiator*innen wurden in Interviews erhoben, die Erkenntnisse fasst Elio Dalpra so zusammen: "Parlamentarischen Bürgerinitiativen geht es in erster Linie darum, ein Thema gezielt ins Parlament zu bringen. Bei parlamentarischen Petitionen können Abgeordnete ihrem Wahlkreis signalisieren, dass sie dessen Interessen vertreten. Bei einer Online-Petition sieht es anders aus: Hier geht es vor allem um öffentliche Mobilisierung und um Druckaufbau gegenüber politischen Entscheidungsträger*innen."

Auch bei Politiker*innen beliebt

Ein Beispiel dafür ist die Online-Petition "Ausbildung statt Abschiebung", die Rudolf Anschober 2017 als grüner Landesrat in Oberösterreich initiierte. Zu diesem Zeitpunkt waren die Grünen nicht im Nationalrat vertreten, durch die Online-Petition schaffte es das Thema trotzdem in die Öffentlichkeit, die Regierung nahm dazu wiederholt Stellung.

Interessanterweise sind Online-Petitionen aber auch bei Regierungsparteien beliebt: Manfred Haimbuchner von der FPÖ lancierte 2018 die Online-Petition "Deutsch am Pausenhof", um Druck auf den Bildungsminister vom Koalitionspartner ÖVP auszuüben.

Breites Spektrum an Themen und Akteur*innen

Generell gibt es eine große Vielfalt an Akteur*innen, die das Mittel der Online-Petition nutzen. Die Themen sind im politischen Spektrum breit gestreut, das Thema Migration spielt eine kleinere Rolle, als man vielleicht erwarten würde. Allerdings sind die Unterstützer*innen von Online-Petitionen überdurchschnittlich stark politisch interessiert, wie Jeremias Stadlmair aus der "PETICIPATE"-Forschungsgruppe erklärt: "Ein gewisses Netzwerk bzw. eine politische Basisinfo brauche ich, damit ich überhaupt auf die Idee komme, eine Petition zu unterstützen."

Eine positive Erkenntnis des Projekts ist, dass Online-Petitionen ein relativ egalitäres Instrument der Partizipation darstellen: Sie sind bei quasi allen Altersgruppen sowie bei Frauen und Männern gleichermaßen beliebt. Auffallend ist auch, dass die befragten Initiator*innen recht zufrieden damit waren, wie gut sie mit ihrer Kampagne mobilisieren konnten – und zwar unabhängig davon, ob eine Veränderung bewirkt wurde oder nicht.

Was können Online-Petitionen?

Die Erkenntnisse von "PETICIPATE" fasst Sieglinde Rosenberger so zusammen: "Um Aufmerksamkeit bei Entscheidungsträger*innen zu erregen, sind die klassischen Instrumente – eine parlamentarische Bürgerinitiative oder eine parlamentarische Petition – immer noch effektiv und beliebt. Trotzdem gehören auch Online-Petitionen zum modernen Spektrum der politischen Partizipation." Ihre Rolle kann je nach Verwendung variieren: Zivilgesellschaftliche Bewegungen verschaffen sich über Online-Petitionen Gehör, politische Akteure erzeugen damit Aufmerksamkeit für ihre Anliegen. (bw)

"PETICIPATE – Petitionen und Parlamentarische Bürgerinitiativen: Verbindung von BürgerInnen und Parlament?" ist ein vom Jubiläumsfonds der OeNB gefördertes Forschungsprojekt und läuft von März 2018 bis Februar 2021. Am Projekt arbeiten Sieglinde Rosenberger, Jeremias Stadlmair, Elio Dalpra und Benedikt Seisl vom Institut für Politikwissenschaft.