Der Mensch formt ein neues Erdzeitalter

Der Mensch hat die Erde massiv verändert. Im Fachjournal "Science" zeigen sich WissenschafterInnen u.a. der Universität Wien überzeugt davon, dass das Anthropozän als neues Erdzeitalter zu klassifizieren ist.

Geprägt wurde der Begriff Anthropozän Anfang des Jahrtausends vom Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen. Er argumentierte, die Einwirkung menschlicher Aktivitäten habe die Dimension natürlicher Einflüsse erreicht. Dies solle ein neues Erdzeitalter verdeutlichen. Seither wird der Begriff regelmäßig genutzt. Offiziell benennen könnte eine solche Epoche aber nur die Internationale Stratigraphische Kommission (ICS).

Die Entscheidung fällt im August

Diese offizielle Stelle für die Einteilung der Erdzeitalter hat 2009 eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um zu beurteilen, ob dieser Vorschlag wissenschaftlich Sinn macht. Die knapp 40 Mitglieder umfassende Gruppe, der auch der Geologe Michael Wagreich von der Universität Wien angehört, hat ihre Ergebnisse nun in "Science" veröffentlicht. Ob nominell eine neue Epoche eingeläutet wird, soll voraussichtlich beim Internationalen Geologischen Kongress im August 2016 in Kapstadt fallen, sagte Wagreich.

Menschen hinterlassen langlebige Spuren

Die WissenschafterInnen zeigen sich überzeugt davon, dass die menschlichen Aktivitäten allgegenwärtige und langlebige Spuren hinterlassen, die eine Anerkennung als neues Erdzeitalter verdienen. Die Unterschiede zum Holozän, das 11.000 Jahre recht stabil gewesen sei, seien doch deutlich, erklärte Wagreich und nennt ein Beispiel: "Die jährlich vom Menschen produzierte Menge an Beton ist mit 13 Gigatonnen mittlerweile gleich groß wie jene an Sedimenten, die Jahr für Jahr natürlich von allen Flüssen der Welt verfrachtet wird. Das ist schon ein Zahlenwert, der einem zu denken gibt."

Vielfältige Veränderungen der Erde

In ihrer Arbeit verweisen die WissenschafterInnen auf die Ablagerungen mit menschlichen Produkten wie Aluminium, Beton und Kunststoff, die "jede Menge sich schnell entwickelnde 'Techno-Fossilien' bilden". Als weitere Zeugen der menschlichen Aktivitäten nennen die ForscherInnen Kohlenstoff-Partikel aus der Luftverschmutzung, sehr hohe Niveaus von Stickstoff und Phosphor durch die Düngung und Radionuklide aus Kernwaffentests.

Auch große Änderungen in der Küstensedimentation  Wagreich verweist etwa auf die Auswirkungen von künstlichen Inseln  sowie das durch den Menschen verursachte Artensterben würden noch in ferner geologischer Zukunft die Epoche kennzeichnen. Schließlich verweisen die ForscherInnen auf den gegenüber dem Holozän höheren Kohlendioxid- und Methangehalt der Atmosphäre sowie die steigende globale Durchschnittstemperatur und Meeresspiegel.

Diskussion um Beginn des Zeitalters

Wann denn das potenziell neue Erdzeitalter beginnt, wird nach wie vor diskutiert. Vorschläge reichen von einem frühen Anthropozän, das bereits mit den Anfängen der Landwirtschaft und der damit verbundenen Abholzung oder der frühen Bergbautätigkeiten beginnt, über den globalen Artenaustausch nach der Entdeckung Amerikas bis zum Beginn der industriellen Revolution Anfang des 19. Jahrhunderts oder dem Anfang des nuklearen Zeitalters und der großen Beschleunigung in Bevölkerungswachstum und Industrialisierung Mitte des 20. Jahrhunderts. In der aktuellen Arbeit plädieren die WissenschafterInnen für einen Beginn Mitte des 20. Jahrhunderts. (APA/red)

Die Publikation "The Anthropocene is functionally and stratigraphically distinct from the Holocene" (AutorInnen: Colin N. Waters, Jan Zalasiewicz, Colin Summerhayes, Anthony D. Barnosky, Clément Poirier, Agnieszka Gałuszka, Alejandro Cearreta, Matt Edgeworth, Erle C. Ellis, Michael Ellis, Catherine Jeandel, Reinhold Leinfelder, J. R. McNeill, Daniel deB. Richter, Will Steffen, James Syvitski, Davor Vidas, Michael Wagreich, Mark Williams, An Zhisheng, Jacques Grinevald, Eric Odada, Naomi Oreskes, Alexander P. Wolfe) erschien am 8. Jänner 2015 im Journal "Science".