Der Magnetsinn der Kröten

Können sich Tiere am Magnetfeld der Erde orientieren? Diese Frage wurde erstmals im 19. Jahrhundert diskutiert, blieb aber zumindest bis in die 1970er Jahre umstritten. Am Department für Evolutionsbiologie hat nun der Nachwuchswissenschafter Lukas Landler – zusammen mit seinem Diplomarbeitsbetreuer Günter Gollmann – methodische Entwicklungsarbeit geleistet und den Einfluss des Magnetfelds auf die Wanderrichtungen von Erdkröten nachgewiesen. Seine Arbeit erschien im renommierten Online-Journal "Frontiers in Zoology".

Welche Sinnesorgane brauchen Tiere, um sich im Raum orientieren zu können? Auf diese Frage gab es lange Zeit keine eindeutige Antwort. Denn der "innere Magnetkompass" funktioniert bei Tieren grundlegend anders als ein von Menschen benutzter Kompass. So scheinen zum Beispiel Zugvögel über zwei verschiedene Magnetrezeptoren zu verfügen: einen chemischen, lichtabhängigen Magnetsinn in den Augen sowie einen Magnetrezeptor mit Magnetiten im Schnabel.

Unbeirrbare Kröten

Ein Grund für die langsamen Fortschritte in der Erforschung des Magnetsinns liegt in den methodischen Schwierigkeiten: Ein Tier in eine Situation zu bringen, in der es keine anderen Orientierungsmöglichkeiten hat, aber dennoch stark genug motiviert ist, um in einem Verhaltensversuch eine bevorzugte Richtung anzustreben, ist nicht einfach.

Lukas Landler ist dies nun mit Hilfe der Erdkröte gelungen. Im Rahmen seiner – vor kurzem am Department für Evolutionsbiologie abgeschlossenen – Diplomarbeit hat er die neue Herangehensweise entdeckt und erfolgreich getestet: "Die Erdkröte eignet sich hervorragend für Orientierungsversuche, weil sie während der Laichwanderung leicht zu finden und zu fangen ist. Der Trieb, zu ihrem Laichgewässer zu gelangen, scheint so stark zu sein, dass auch Verfrachtungen keine allzu große Irritation darstellen".

Verdrehtes Magnetfeld

Der Jungwissenschafter hat während der Frühjahrswanderung gefangene Erdkrötenmännchen in der "Arena" getestet: einem mit schwarzer Folie ausgekleideten Hohlzylinder von 121 Zentimetern Durchmesser, der den Kröten keine optischen Anhaltspunkte zur Orientierung gibt. "Nach einer erfolgreichen Testreihe mit dieser Arena habe ich in weiteren Versuchen die horizontale Komponente des Erdmagnetfelds mittels Helmholtzspulen lokal gedreht". Aufgrund der individuellen Unterschiede zwischen den Kröten sind die Resultate der Arbeit nicht einfach zu deuten. Trotzdem konnte Landler einen Einfluss des Magnetfelds auf die Wanderrichtungen nachweisen.

Fruchtbare Zusammenarbeit

Der Erfolg des Projekts ist auch der Hilfsbereitschaft innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft zu verdanken: So hat Helmuth Horvath von der Aerosolphysik und Umweltphysik sein Wissen zur Konstruktion der Spulen an den Diplomanden Lukas Landler weitergegeben, und Roland Grössinger vom Institut für Festkörperphysik der Technischen Universität Wien hat ein Magnetometer zur Verfügung gestellt. "Außerdem hat das Bundesforschungszentrum für Wald, Naturgefahren und Landschaft recht unbürokratisch ein geeignetes Versuchsgelände bereitgestellt – ähnlich wie heuer das Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung ein Labor, wo wir weitere Versuche durchführen konnten", freut sich Landlers Betreuer Günter Gollmann vom Department für Evolutionsbiologie.

Als Doktorand in die USA

Aufgrund der Arbeit "Magnetic orientation of the Common Toad: establishing an arena approach for adult anurans" von Lukas Landler und Günter Gollmann, die im Online-Journal "Frontiers in Zoology" publiziert wurden, hat der Diplomand eine Doktorandenstelle an einem der weltweit führenden Laboratorien in dieser Arbeitsrichtung – der Virginia Tech University – erhalten. "Obwohl es etwas gewagt war, eine Diplomarbeit zu einem so komplexen, interdisziplinären Thema zu vergeben, haben wir offenbar doch Vieles richtig gemacht", resümiert Gollmann. (ps)

Das Paper "Magnetic orientation of the Common Toad: establishing an arena approach for adult anurans" (Autoren: Lukas Landler und Günter Gollmann) erschien am 21. März 2011 im Online-Journal "Frontiers in Zoology" 8:6.