Das unsichtbare Wissen der Kakadus

Kakadus wissen – genauso wie Menschen –, dass Nüsse noch existieren, auch wenn sie im Küchenkasten verschwinden. Die Kognitionsbiologin Alice Auersperg und ihr Team zeigen, dass die "Objekt-Permanenz" von Goffini-Kakadus ähnliche Ausmaße erreicht wie die von Menschenaffen oder vierjährigen Kindern.

Der französische Psychologe Jean Piaget entwickelte in den 50er Jahren verschiedene Tests, um das räumliche Gedächtnis und die Verfolgungsfähigkeiten von Kindern und Tieren zu messen: In ursprünglich unsichtbaren Verschiebungsaufgaben wird die Belohnung unter einem kleinen Hütchen hinter einer oder mehreren größeren Verdeckungen vorbeibewegt. Zwischen den Besuchen der Verdeckungen wird das Hütchen kurz hochgehoben: Wenn es leer ist bedeutet das, dass die Belohnung hinter der letzten Verdeckung versteckt sein muss. Kinder lösen diese Aufgabe mit etwa zwei Jahren, während bei Primaten bisher nur die großen Menschenaffen überzeugende Ergebnisse lieferten.

Vertauschte Hütchen

Anspruchsvoller in Bezug auf Aufmerksamkeit sind "Transposition"-Tests: Dabei wird die Belohnung unter einem von mehreren gleichen Hütchen versteckt, welche dann ein- oder mehrmals ausgetauscht werden. Die meisten Kinder lösen diese Aufgabe erst mit drei bis vier Jahren. Auch Menschenaffen lösen Transpositionen, haben aber mehr Schwierigkeiten mit doppelten wie mit einzelnen Vertauschungen der Hütchen.


Schematische Präsentation der unsichtbaren Verschiebungsaufgaben.



In "Rotationen" wiederum sind mehrere gleiche Hütchen auf einem länglichen Brettchen aufgestellt, das in verschiedenen Winkeln drehbar ist; unter einem der Hütchen findet sich die Belohnung. "Translokationen" sind ähnlich wie Rotationen: In diesem Fall rotieren nicht die Hütchen, sondern das Tier wird um den Versuchsaufbau getragen und an in verschiedenen Winkeln dazu entlassen. Für Kinder sind Translokationsaufgaben leichter als Rotationen, sie können jedoch beide Aufgaben im Alter von zwei bis drei Jahren lösen.


In regulären, unsichtbaren Verschiebungen nach Piaget wird die Belohnung unter einem Hütchen hinter größere Verdeckungen bewegt. In Transpositionen werden mehrere Hütchen miteinander ausgetauscht, unter einem der Hütchen findet sich die Belohnung. In Rotationen werden die Hütchen auf einer Plattform in verschiedenen Winkeln (90°, 180°, 270° und 360°) rotiert und in Translokationen wird das Versuchstier um die Hütchen herumgetragen und in verschiedenen Winkeln dazu entlassen. (Foto: Alice Auersperg)



Ein internationales Team von WissenschaftlerInnen testete die Objekt-Permanenz von acht Goffini-Kakadus, einer besonders verspielten indonesische Spezies, in sowohl sichtbaren als auch unsichtbaren Verschiebungsaufgaben. Birgit Szabo, Kognitionsbiologin an der Universität Wien: "Die Mehrheit der Tiere lösten spontan und zuverlässig sowohl Rotations-, Translokations- als auch Transpositions-Aufgaben.

Leichte Aufgaben für Kakadus: Transpositionen ...

Jedoch wählen nur zwei von acht Vögeln spontan die korrekte Lösung in der originalen unsichtbaren Verschiebungsaufgabe von Piaget, in der die Belohnung unter einem kleinen Hütchen mehrere größere Verdeckungen durchwandert." Die Leiterin des Goffini- Labors, Alice Auersperg, ergänzt dazu: "Ganz anders als menschliche Kinder hatten unsere Tiere mehr Schwierigkeiten mit Piagets unsichtbarer Verschiebung als mit Transpositionen, die wiederum Kleinkindern bis zu ihrem vierten Lebensjahr Probleme bereiten. Transpositionen sind sehr anspruchsvoll in Bezug auf Aufmerksamkeit, weil zwei Verdeckungen gleichzeitig  bewegt werden. Trotzdem gibt es bei den Kakadus keinen signifikanten Unterschied zwischen den Konditionen."


Bei "Transposition"-Tests wird die Belohnung unter einem von mehreren gleichen Hütchen versteckt, welche dann ein- oder mehrmals ausgetauscht werden. Die meisten Kinder lösen diese Aufgabe erst mit drei bis vier Jahren. (Foto: Alice Auersperg)



... und Translokationen


Auch mit Rotationen und Translokationen hatten die Goffinis erstaunlich wenige Probleme: Wieder im Gegensatz zu Kleinkindern, die mit Translokationen leichter umgehen können als mit Rotationen, gab es bei den Kakadus keinen Unterschied zwischen den Konditionen. Auguste von Bayern von der Universität Oxford fügt hinzu: "Wir vermuten, dass die Fähigkeit zu fliegen und aus der Luft Beute zu fangen möglicherweise stark ausgeprägte räumliche Rotationsfähigkeit benötigt und die Leistung der Tiere in Translokations- und Rotationsaufgaben beeinflussen könnte."





Objekt-Permanenz von Kakadus: Zum Video zur Publikation auf YouTube



"Es war überraschend zu beobachten, dass Goffinis die meisten unsichtbaren Verschiebungen lösen, welche vermutlich eine starke kognitive Last auf das arbeitende Gedächtnis darstellen. Um die Relevanz dieser Fähigkeiten in einem sozio-ökologischen Kontext besser zu verstehen, benötigen wir mehr vergleichende Studien in diese Richtung", meinte Thomas Bugnyar von der Universität Wien. (af)

Die Publiktaion "Object Permanence in Goffin Cockatoos (Cacatua goffini)" (AutorInnen: Alice Auersperg, Birgit Szabo, Auguste von Bayern, Thomas Bugnyar) erschien am 22. Juli 2013 im Journal of Comparative Psychology.