Das Langzeitgedächtnis von Raben
| 20. April 2012Für Menschen ist es normal, sich nach Jahren wieder an Gesichter und Stimmen ehemaliger Bekannter zu erinnern. Die Kognitionsbiologen Markus Böckle und Thomas Bugnyar fanden heraus, dass dies auch für Raben gilt. Ihre Forschungsergebnisse präsentieren sie im Fachjournal "Current Biology".
"Raben erinnern sich nicht nur an ihre Artgenossen, sondern auch an die Beziehungen, die sie zu den Artgenossen hatten", erklärt Markus Böckle. Bis jetzt war unbekannt, ob auch die Qualität der Beziehung – freundlich oder feindselig – in Erinnerung bleibt. So reagieren sie auf die Rufe von ehemals bekannten Individuen nicht nur mit erhöhter Rufaktivität, sondern ändern ihre Stimmlage je nachdem, ob sie ehemalige "Freunde" oder "Feinde" hören. Das lässt darauf schließen, dass sie bestimmte Individuen wiedererkennen können, wobei die Erinnerung mindestens drei Jahre zurückreicht.
Stimmlage ändert sich je nach Art der Bekanntschaft
Das Ändern der Stimmlage ist für die Forscher besonders interessant: Hören Raben einen ehemaligen "Freund", dann rufen sie mit "freundlicher" Stimme zurück. War die Bekanntschaft früher "feindselig", antworten sie mit tiefen und rauen Lauten – ein Effekt, der auch bei anderen Tierarten beschrieben wurde. Auch bei Menschen gilt: Die Stimme verärgerter Menschen klingt rauer als freundliche. Bei unbekannten Individuen rufen die Raben mit noch tieferer und rauerer Stimme zurück. "Damit versuchen sie, ihre akustisch wahrnehmbare Körpergröße zu übertreiben", erklärt Markus Böckle.
Diese stimmliche Veränderung in verschiedenen sozialen Kontexten war bereits von Säugetieren bekannt und konnte nun erstmals auch bei Vögeln bewiesen werden. Die nun erforschte Dauer der Erinnerung übertrifft in ihrem Ausmaß die bisherigen Annahmen für Vögel. Das Gedächtnis für die Qualität der Beziehung konnten Böckle und Bugnyar überhaupt zum ersten Mal nachweisen. (af)
Das Paper "Longterm-memory for affiliates in ravens" (Autoren: Markus Boeckle, Thomas Bugnyar) erschien am 23. März 2012 in der Fachzeitschrift "Current Biology".