Das fliegende Labor – in 26 Tagen um die Welt (Teil 6)

Harald Schuh, Bernadett Weinzierl und Maximilian Dollner

Heute treten wir den letzten Teil unserer großen Weltumrundung an: drei Flüge haben wir noch vor uns, bevor wir wieder zurück zum Ausgangspunkt – Palmdale in Kalifornien – kommen. Die Festplatten sind voll mit Daten zur globalen Verteilung von Supermikrometer-Aerosol und vielen anderen interessanten Beobachtungen.

Obwohl die meisten mittlerweile ziemlich müde von den vielen Zeitzonenwechseln sind, spürt man, mit wie viel Freude alle 27 WissenschafterInnen und 15 DC-8-Crewmitglieder an diesem Projekt arbeiten. Bei den meisten Gruppen erfolgte in Neuseeland der Austausch der Mitflieger, aber manche KollegInnen waren auch für die gesamte Weltumrundung an Bord.

Auch dieses Mal haben wir wieder einen frühen Start: Noch vor Sonnenaufgang fahren wir zum Flughafen und beginnen im NASA-Forschungsflugzeug DC-8 mit den Vorbereitungen für den nächsten Flug, der uns von den Azoren nach Norden über Grönland bis Eureka (Nordkanada), der nördlichsten Wetterstation der Erde, und wieder zurück nach Grönland führt.


Ein Teil des ATom Science Teams vor der DC-8 in Palmdale nach dem letzten ATom-1 Messflug am 23. August 2016. (© Bernadett Weinzierl)

Typisch für die Azoren, sehen wir noch beim Start in Terceira einen Regenbogen. Die vermessene Luft ist relativ sauber und während wir Wolken durchfliegen zeichnet unsere CAPS wunderschöne "Schattenbilder" von den Eiskristallen auf, die in Abhängigkeit von der Temperatur und weiteren Parametern unterschiedliche Formen aufweisen. Wie schon während der anderen Flüge, ist die Stimmung auf der DC-8 sehr gut. Während über das bordeigene Kommunikationssystem Informationen weitergegeben, aktuelle Beobachtungen diskutiert und Messungen auf Konsistenz mit den Daten der anderen Instrumente geprüft werden, fehlt es nicht an Humor.

Einige Auf- und Abstiege später erreichen wir Grönland. Die Küste von Grönland, mit den Eisbergen im Wasser, ist faszinierend. In 500 Fuß fliegen wir über dem Meer und später über den Gletschern – das arktische Eis zum Greifen nahe. Nach einem weiteren Ab- und Aufstieg kommen wir in Eureka an, wo unsere niedrigste Flughöhe wieder 500 Fuß über dem Wasser beträgt. Auch hier erwartet uns eine faszinierende Landschaft. Jedoch ist es nicht zu übersehen, dass weite Flächen des Meeres im Sommer eisfrei sind – unübersehbare Zeichen eines sich wandelnden Klimas. Nach diesem Ausflug nach Eureka in Nordkanada landen wir nach knapp zehn Stunden Flugzeit in Kangerlussuaq, Grönland.


Blick in den hinteren Teil der DC-8. Rechts: Mikrowelle, Kaffeemaschine und Zubehör zur Essenszubereitung. (© Bernadett Weinzierl)

In Grönland erwartet uns die übliche Arbeit: Daten sichern und prozessieren, vorläufige Zeitreihen der Messungen erstellen, Instrument kalibrieren und den nächsten Flug vorbereiten. Die Durchführung der Kalibrierungen in Grönland findet zwar auf einer etwas wackeligen Leiter statt, aber das Wetter ist mit Sonnenschein und 17 Grad Celsius geradezu frühlingshaft-sommerlich. Die Kalibrierergebnisse sehen gut aus – wir sind bereit für den nächsten Flug. Neben der Vorbereitung der Messinstrumente für die Forschungsflüge ist auch die Vorbereitung der WissenschafterInnen eine wichtige Aufgabe. So ist auf dem Forschungsflugzeug im Gegensatz zu kommerzielle Fluglinien Selbstversorgung auf dem Programm. Zum Essen gibt es nur, was jeder selbst mitbringt oder was KollegInnen untereinander teilen.

Am Vortag eines jeden Messfluges trifft man deshalb die KollegInnen regelmäßig in den lokalen Supermärkten an – alle mit dem Ziel, für den nächsten Messflug einzukaufen. Hoch im Kurs sind Sandwiches, Obst und Süßigkeiten, aber auch Suppen und andere Fertiggerichte. Die DC-8 ist hinsichtlich der Zubereitung von Essen gut ausgestattet: es gibt eine Mikrowelle, heißes Wasser und eine Kaffeemaschine sowie im hinteren Teil des Flugzeuges genügend Platz, um die Mahlzeit im Stehen einzunehmen. Im Laufe des Fluges sieht man immer wieder KollegInnen nach hinten gehen und Essen zubereiten. Die ausgeklügelte IT-Infrastruktur in der DC-8 erlaubt dabei, den Laptop oder ein Tablet zur Mikrowelle mitzunehmen, sich über das drahtlose Bordnetzwerk auf den Datenerfassungsrechner einzuloggen und die Messgeräte auch während der Mittagspause zu überwachen bzw. zu steuern.


Blick vom hinteren Teil der DC-8 nach vorne in die Kabine. Links: die voll beladene DC-8 während eines Messfluges. (© Bernadett Weinzierl)

Der vorletzte Flug führt uns von Grönland nach Minneapolis. Für die Landung darf ich auf dem Jump Seat im Cockpit sitzen – die Messungen der CAPS überwache ich dabei über ein Tablet. Der Ausblick bei der Landung aus dem Cockpitfenster ist ein Highlight. Am nächsten Tag noch ein weiterer "kurzer" Flug von knapp fünf Stunden Dauer und wir sind nach 26 Tagen um die Welt, zurück in Palmdale, Kalifornien, dem Heimatflughafen der DC-8.

Jetzt geht alles ganz schnell: während der Einbau der Messgeräte in das Flugzeug vier Wochen gedauert hat, ist der Flieger in weniger als vier Stunden fast leer. Am zweiten Tag nach der Rückkehr nach Palmdale sind alle Messgeräte und Einlässe ausgebaut, in die Versandboxen der verschiedenen Forschungsinstitute gepackt und man merkt der DC-8 nicht mehr an, dass wir gerade als bis auf den letzten Kubikzentimeter gefülltes "Fliegendes Labor" um die Welt geflogen sind.

Viele, viele Kilometer und Flugstunden

Die Stimmung im Team ist fröhlich. Alle freuen sich über ein sehr gelungenes Projekt mit minimalen Instrumentenproblemen und einen fantastischen Datensatz. Die WissenschafterInnen und Crewmitglieder sind in den vergangenen drei Wochen rund 82 Stunden bzw. etwa 70.000 Kilometer geflogen, waren an neun verschiedenen Orten und haben dabei 15 Zeitzonen durchquert. In den zehn wissenschaftlichen Flügen wurden 134 Vertikalprofile über dem Pazifik und dem Atlantik zwischen 80°N und 65°S gemessen. Zählt man die Zertifizierungs- und Testflügen dazu, gab es sogar 18 Flüge mit insgesamt 107,5 Stunden Flugzeit.

Die erste Runde der Messungen ist damit zwar vorbei, aber für die WissenschafterInnen beginnt erst jetzt die detaillierte Analyse und Interpretation der Messdaten und in nicht allzu langer Zeit, im Jänner 2016, bauen wir unsere CAPS wieder in die DC-8 ein – für die zweite Runde ATom, dieses Mal im Winter. Insgesamt werden wir vier ATom-Messkampagnen fliegen, zu allen vier Jahreszeiten.

Über die Autorin: Bernadett Weinzierl ist Aerosolphysikerin an der Fakultät für Physik der Universität Wien. Im Rahmen des groß angelegten Forschungsprojekts "Atmospheric Tomography Mission" (ATom) ist sie gemeinsam mit ForscherInnen der NASA, der Harvard University, NOAA sowie neun weiteren US-Forschungseinrichtungen mit dem Forschungsflugzeug DC-8 unterwegs und berichtet darüber wöchentlich im uni:view Magazin. Auf insgesamt über 66.000 Flugkilometern von Palmdale (Kalifornien) bis zum Nordpol und zur Antarktis untersucht sie, wie Abgase und Co unsere Luft und das Klima beeinflussen.