Das fliegende Labor – in 26 Tagen um die Welt (Teil 5)

Nach einem viertägigen Stop-Over im winterlichen Neuseeland, mit Zeit für erweiterte Instrumentenwartung und Datenanalyse, geht es für die AerosolphysikerInnen der Universität Wien weiter nach Chile und von dort an die afrikanische Küste – eine Zone mit hoher Staubbelastung.

Der erste Flug von Neuseeland nach Punta Arenas an der Südspitze von Chile führt uns quasi zurück in die Vergangenheit: Nach einem Start um 10.15 Uhr morgens in Chile und der Überquerung der internationalen Datumsgrenze, werden wir nach knapp elf Stunden Flugzeit gegen fünf Uhr morgens des gleichen Tages im windig-kalten Punta Arenas landen, das heißt während man beim Flug von Chile nach Neuseeland einen Tag "überspringt", wird dieser Tag – inklusive Zeitzonenwechsel – 38 Stunden dauern.


Die Piloten und der Flugingenieur im Cockpit des NASA-Forschungsflugzeuges DC-8. (Foto: Bernadett Weinzierl)

Für unseren Messflug dürfen wir uns im wahrsten Sinne des Wortes warm anziehen, denn streckenweise sind für unsere maximale Flughöhe in zwölf bis 13 Kilometer Höhe Außentemperaturen von minus 70 Grad Celsius vorhergesagt. Wir sind gespannt, ob die CAPS auch wirklich aushält, wofür sie gebaut wurde. Auch in der Kabine erwarten uns niedrige Temperaturen, denn es gibt einige Instrumente, die bei tiefen Temperaturen besser funktionieren, sodass – den Messungen zuliebe –  die Temperatur im Flugzeug auf sehr niedrigen Werten gehalten wird. Im hinteren Teil der DC-8, wo unser Sitzplatz ist, zeigt das Thermometer über weite Strecken des Fluges nur 12 bis 13 Grad Celsius.

Mit Schal, Mütze, Handschuhen und zum Teil zwei Lagen Jacken sowie einer Decke um die Füße sitzen wir im Flugzeug und beobachten und protokollieren unsere Messungen. Im Gegensatz zu anderen Messflügen, wo wir Aerosolschichten von verschiedenen Quellen zum Teil tausende von Kilometer von der Küste entfernt detektiert haben, finden wir hier einen der Orte mit der saubersten Luft der Welt.  Während wir Richtung Antarktis mit dem antarktischen Winter fliegen und über dem Südpolarmeer messen, geht langsam die Sonne unter. Bevor es ganz dunkel ist, sehen wir noch Teile des See-Eises. Der Rest des Fluges findet in der Dunkelheit statt.


Das Datenerfassungssystem und die Stromversorgung für unser Cloud, Aerosol, and Precipitation Spectrometer (CAPS) ist rechts oben im NOAA Aerosolmikrophysik-Messrack eingebaut. (Foto: Bernadett Weinzierl)

Wie bei allen ATom-Flügen ist es auch dieses Mal das Ziel, so viele Auf- und Abstiege wie möglich zwischen 200 Metern und 12 Kilometern Höhe zu fliegen, um Daten in unterschiedlichen Höhen und geografischen Breiten und Längen zu sammeln. Die Anzahl dieser sogenannten "Vertikalprofilmessungen" ist durch den verfügbaren Treibstoff limitiert. In Vorbereitung für jeden einzelnen Messflug wird deswegen ein detaillierter Flugplan ausgearbeitet und die Zahl der möglichen Vertikalprofile, die vom Gewicht des Flugzeuges, der Anzahl der an der Außenhülle des Flugzeuges angebauten Einlässe und Instrumente, der Länge der Flugstrecke, und dem Wetter abhängen.

Im Flug muss dann jede Höhenänderung von der Flugverkehrskontrolle genehmigt werden, was manchmal dazu führen kann, dass man aufgrund der Luftverkehrssituation die gewünschten Flugmuster nicht fliegen darf. Für heute sind ohne Start und Landung fünf Ab- und fünf Aufstiege geplant. Falls unser Spritverbrauch höher als berechnet ist, wird gegen Ende des Fluges an Profilmessungen gekürzt. Heute hat alles sehr gut funktioniert und gegen Ende des Fluges stellt sich heraus, dass wir sogar noch ausreichend Treibstoff für einen siebten Ab- und Aufstieg haben.


Die DC-8 nach der Landung in Punta Arenas, Chile. Techniker decken die Lufteinlässe ab. (Foto: Bernadett Weinzierl)

Nach Ankunft in Chile liegt noch der kompletten Tag vor uns – der nach neuseeländischer Zeit schon vorbei ist. Viele nutzen den Tag, um die Daten des Messfluges zu prozessieren und um über den Jetlag hinweg zu kommen. Am zweiten Tag in Chile steht wieder das übliche Programm mit Kalibrierung, Instrumentenwartung und Datenauswertung auf der To-Do-Liste. Am dritten Tag geht es bereits weiter in die nächste Zeitzone: Ascension Island, mitten im tropischen Südatlantik – die Nachbarinsel von St. Helena, auf der einst Napoleon im Exil war.


Blick von hinten nach vorne in die Kabine der vollgepackten DC-8. (Foto: Bernadett Weinzierl)

Der Start am frühen Morgen in Chile belohnt uns mit einem wunderbaren Sonnenaufgang in der DC-8. Ebenso sind auch die Messungen sehr interessant, da wir zahlreiche Schichten mit Verbrennungsaerosolen durchfliegen und mit unserer CAPS viel Supermikrometer-Aerosol detektieren. In Ascension Island angekommen –  zwölf Zeitzonen weiter als Neuseeland – haben wir einen Tag für Kalibrierungen und Instrumentenwartung, bevor es weiter nach Norden, auf die Azoren geht. Bei diesem Flug werden wir sowohl auf der Süd- als auch der Nordhalbkugel messen. 


Sonnenaufgang gesehen vom Cockpit der DC-8 nach dem Start in Punta Arenas, Chile. (Foto: Bernadett Weinzierl)

Wir erwarten diesen Flug mit Spannung, denn Sommer ist "Staubsaison" in Nordafrika und es werden regelmäßig große Mengen an Mineralstaub aus der Sahara nach Westen über den Atlantik in die Karibik und gelegentlich auch nach Zentraleuropa transportiert. Mineralstaub ist eine wichtige Komponente im globalen Klimasystem und trägt etwa die Hälfte zur global emittierten Aerosolmasse bei.

Staubpartikel streuen einerseits einen Teil des Sonnenlichtes in den Weltraum zurück, was am Boden eine Abkühlung bewirkt. Andererseits absorbieren Staubpartikel Sonnenlicht und erwärmen dabei die Luftschichten in denen sich der Staub befindet – mit bisher unklarem Einfluss auf das Wetter. Daneben düngt Saharastaub den Ozean, was die CO2-Aufnahme in den Ozean beeinflusst, verändert die Eigenschaften von Wolken und scheint die Bildung und Entwicklung von Hurrikanen zu dämpfen.


Unsere CAPS in der frühen Morgensonne über dem südlichen Atlantik. (Foto: Bernadett Weinzierl)

Unsere CAPS deckt genau den zur Vermessung der Mineralstaubgrößenverteilung relevanten Größenbereich ab und der Flugweg der DC-8 führt uns von Süden nach Norden entlang der Küste Afrikas –  durch das Maximum der Staubschicht. Nach dem Start in Ascension Island fliegen wir zuerst durch Verbrennungsaerosolschichten und durchqueren dann die Innertropischen Konvergenzzone (ITCZ für Intertropical Convergence Zone), die als Band aus hochreichender konvektiver Bewölkung in der Nähe des Äquator erscheint, und die die Welt in eine "meteorologische" Süd- und Nordhälfte teilt.

Nördlich der ITCZ finden wir dann zwischen 1,5 und 4,5 Kilometer Höhe die ausgedehnte Staubschicht, die sich in Nord-Süd-Richtung über mehr als 1.000 Kilometer erstreckt und so dicht ist, dass man oberhalb der Staubschicht die Meeresoberfläche nicht mehr sehen kann. In Kombination unserer Messungen mit den Daten des US-Forschungsinstitutes NOAA und anderen Gruppen auf der DC-8 können wir nicht nur die Größe der Staubpartikel sondern auch ihre chemische Zusammensetzung sowie weitere Aerosoleigenschaften und Spurengase in der Staubschicht untersuchen.


Die Staubschicht westlich von Afrika ist so dicht, dass man die Meeresoberfläche nicht mehr sieht. (Foto: Bernadett Weinzierl)

Nach 8,5 Stunden Flugzeit erreichen wir die Azoren und freuen uns auf zwei Tage in Europa. Der kurze "Stop-Over" im europäischen Sommer ist bald vorbei und es geht wieder in die Kälte. Der nächste Flug wird uns von den Azoren nach Norden über Grönland bis Eureka (Nordkanada), der nördlichsten Wetterstation der Erde, und wieder zurück nach Grönland führen.

Bernadett Weinzierl von der Universität Wien, Paul Newman vom Goddard Space Flight Center und Róisín Commane von der Harvard University haben von der ATom-Mission eine Video-Postkarte gesendet.

Fortsetzung folgt … 

Zur Autorin: Univ.-Prof. Dr. Bernadett Weinzierl ist Aerosolphysikerin an der Fakultät für Physik der Universität Wien. Im Rahmen des groß angelegten Forschungsprojekts "Atmospheric Tomography Mission" (ATom) ist sie gemeinsam mit ForscherInnen der NASA, der Harvard University, NOAA sowie neun weiteren US-Forschungseinrichtungen mit dem Forschungsflugzeug DC-8 unterwegs und berichtet darüber wöchentlich im uni:view Magazin. Auf insgesamt über 66.000 Flugkilometern von Palmdale (Kalifornien) bis zum Nordpol und zur Antarktis untersucht sie, wie Abgase und Co unsere Luft und das Klima beeinflussen.