Das Donauufer als Kinderstube für Fische
| 12. September 2011Fast 60 verschiedene heimische Fischarten finden sich im österreichischen Abschnitt der Donau, darunter die unbekannteren Arten Schied, Barbe oder Nase, aber auch "Fischdelikatessen" wie Karpfen und Zander. Bis vor kurzem ging man davon aus, dass Donaufische aufgrund der hohen Fließgeschwindigkeit des Hauptflusses in Seitenarmen und Nebenflüssen laichen. Heute gibt es vermehrt Hinweise, dass auch die Uferzonen quasi die Reproduktionszonen und die Kinderstuben vieler Fische sind. Diesen bis dato wenig erforschten Uferlaichplätzen widmet sich Hubert Keckeis in einem aktuellen FWF-Projekt.
"Die Laichstellen am Donauufer sind aufgrund des trüben Wassers schwer auffindbar", erklärt Fischexperte Hubert Keckeis: "Das ist der Hauptgrund, warum erst in jüngster Zeit beobachtet werden konnte, dass Fische auch direkt am Ufer der Donau ihre Eier ablegen. "Wegen der hohen Fließgeschwindigkeiten von bis zu zwei Metern pro Sekunde gingen FischforscherInnen zudem davon aus, dass die Eier und die frisch geschlüpften Larven weggeschwemmt werden und sich Fische daher ausschließlich ruhigere Seitengewässer zum Ablaichen suchen würden.
Schutz vor Räubern und mehr Sauerstoff
Warum nehmen Barbe, Schied und Co das Risiko in Kauf, dass ihre Eier von der Strömung weggetragen werden, anstatt sie in Seitengewässern abzulegen? "Erstens", so Keckeis, "bietet die Strömung den Eiern Schutz vor zahlreichen Räubern – die stark proteinhaltigen Eier sind sehr begehrt –, und zweitens gewährleistet das fließende Wassers eine bessere Sauerstoffversorgung im Vergleich zu stehenden Gewässern. Gerade in der Wachstumsphase, in der sich das Ei zur Larve entwickelt, brauchen die Fischeier viel Sauerstoff." In dieser Periode, dem Larvenstadium, ist die Sterblichkeit besonders hoch. Um die Überlebensstrategien der Jungfische zu untersuchen, ist für Keckeis die Erforschung der Driftbewegungen gerade in dieser Entwicklungsstufe besonders interessant.
Forschungsarbeit mit Netz und Angel
Wo die Laichplätze der Fische im Uferbereich liegen und wohin die Jungfische dann schwimmen bzw. driften, das möchte Hubert Keckeis in seinem aktuellen Projekt herausfinden. Und dazu benötigt der Fischexperte viel Geduld und Ausdauer. In einem ersten Schritt werden in Zubringern der Donau unterhalb Wiens laichende Fische gefangen. Mit dem Fang geht es zurück ins Labor in der Althanstraße, wo die Eier aufgezogen werden. "Wichtig dabei ist es, die laichenden Fische genau 'am Punkt' zu treffen, also wirklich kurz vor dem natürlichen Ablaichen", so der Forscher. Gefischt wird dabei aber nicht mit Angel, Wurm und Haken, sondern elektrisch: Dabei kommen die Fische nicht zu Schaden, sondern werden nur kurz betäubt – die Fangquote ist übrigens auch erheblich höher.
Nach zehn bis zwölf Tagen im Labor haben sich aus den Fischeiern Larven entwickelt. Diese werden mit einem Fluoreszenzfarbstoff markiert und an bestimmten Punkten in der Donau ausgesetzt. Wohin wandern die zehn bis zwölf Millimeter großen Jungfische nun? Ist der Uferbereich nur Laichplatz und der Seitenarm Aufwuchszone oder bleiben die Jungfische sogar während ihrer "Adoleszenz" im Uferbereich? Um das nachzukontrollieren, müssen Keckeis und sein Team die zuvor im Labor markierten Fische nach rund zwei Wochen wieder einfangen. Über die Laichplätze und die Orte, an denen die markierten Fischlarven wieder auftauchen, führt der Wissenschafter natürlich ganz genau Buch.
Driften in 3D
Eine genaue Analyse der so erhaltenen Daten soll schließlich zeigen, inwieweit der jeweilige Standort – Uferbereich, Schotterbank oder ruhiger Seitenarm – die Fischentwicklung beeinflusst. "Unsere erste Frage lautet, ob sich dabei überhaupt ein generelles Muster erkennen lässt", so Keckeis. Gemeinsam mit KollegInnen vom Instituts für Wasserwirtschaft, Hydrologie und konstruktiver Wasserbau der Universität für Bodenkultur – Helmut Habersack und sein Forschungsteam – sowie dem australischen Driftexperten Paul Humphries wird ein hydraulisches Modell des Driftverhaltens in 3D erstellt, um mögliche Muster im Entwicklungsstadium der Fische und ihre jeweiligen Standorte feststellen zu können.
Die Donau im Labor
Neben Versuchen und Datierungen im Freiland werden im Rahmen des FWF-Projekts auch Versuche in einer künstlichen Strömungsrinne durchgeführt. "Die Rinne, die in einem Labor auf der BOKU steht, ist quasi eine vereinfachte Donau", erklärt Hubert Keckeis: "Wir haben versucht, alle wesentlichen Parameter des Flusses, wie Strömungsverhältnisse, Temperatur, etc. zu simulieren." Die Daten über die Entwicklung der Larven und ihr Driftverhalten werden dann mit jenen der Freilandlarven verglichen, um, so hoffen Keckeis und Team, bestimmte "Jungfischverbreitungsstrategien" erkennen zu können. (td)
Das FWF-Projekt "Modellierung der Ausbreitungsmechanismen von Fischlarven" unter der Leitung von Ao. Univ.-Prof. Dr. Hubert Keckeis, Departments für Limnologie, startete am 1. Jänner 2011 und läuft bis 31. Jänner 2014.