"Alle verlangen jetzt Open Access"

Kürzlich verabschiedete das Rektorat die Open Access-Policy der Universität Wien. Wer Fragen zum Open Access-Publizieren hat – kennen Sie z.B. den "Goldenen Weg des Open Access"? –, dem stehen die Türen des Open Access Office der Universität Wien offen. Wir haben Office-Leiter Guido Blechl besucht.

uni:view: Open Access ist …
Guido Blechl:
… der freie Zugang zu wissenschaftlicher Information im Internet. Damit sind in erster Linie Publikationen von Forschenden gemeint. De facto bezieht sich Open Access u.a. auch auf wissenschaftliche Daten, die im Rahmen von Forschungsprozessen entstehen.

uni:view: Das Rektorat der Universität Wien hat vor kurzem eine Open Access-Strategie erarbeitet. Was war der Grund dafür?
Blechl:
Die Universität Wien hat sich bereits im Rahmen der Unterzeichnung der "Berliner Erklärung über den offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen" im Jahr 2010 zu Open Access bekannt. Mit ihrer eigenen Open Access-Strategie will die Universität Wien ihre WissenschafterInnen verstärkt dazu ermutigen, Publikationen – entweder über Open Access Journals oder Dokumentenserver wie u:scholar – frei zugänglich zu machen. Diese Strategie ist eine wichtige Maßnahme, um das Bewusstsein für Open Access in den einzelnen Fachbereichen zu fördern.

uni:view: Warum müssen die WissenschafterInnen dazu ermutigt werden?
Blechl:
Viele sind noch recht unsicher, was dieses Thema betrifft. Open Access gibt es zwar schon seit den 1990er Jahren, dennoch sind nicht alle WissenschafterInnen von den Vorteilen überzeugt. Vor allem in den Geisteswissenschaften gibt es – u.a. aufgrund der Bedeutung von traditionellen Printpublikationen und Monographien – noch Nachholbedarf, was die Informationen zu den Vorteilen von Open Access betrifft. Denn während in den Lebens- und Naturwissenschaften Open Access sehr bekannt ist und entsprechend viel in Open Access-Journals publiziert wird, ist Open Access in den Geistes- oder Sozialwissenschaften noch nicht so weit verbreitet.

uni:view: Wo liegen die Unsicherheiten und wie reagiert die Universität Wien darauf?
Blechl:
Es gibt noch viel Informationsbedarf: Was ist Open Access? Wie publiziere ich da und welche Möglichkeiten stehen mir zur Verfügung? Darf ich bestimmte Inhalte überhaupt frei zugänglich im Internet anbieten? Hier tauchen oft rechtliche Fragen auf. Deshalb bietet das Open Access Office den Forschenden u.a. auch  Beratung zu diesen Fragen an und versucht, Unsicherheiten gemeinsam zu klären. Das Konzept vom "Goldenen Weg des Open Access" ist vielen nicht wirklich geläufig. Viele kennen nur das traditionelle Abo-Modell: Bibliotheken abonnieren eine Zeitschrift oder lizensieren sie elektronisch, damit Leute überhaupt darauf zugreifen können. Beim Goldenen Open Access-Modell hingegen erscheinen die Artikel in den Zeitschriften von vornherein für alle frei zugänglich.  

Guido Blechl ist Leiter des Open Access Office an der UB der Universität Wien. Die Einrichtung sieht sich als Service- und Beratungsstelle für WissenschafterInnen und ist für Förderungen zuständig. Das OAO betreut u:scholar, das Institutional Repository der Universität Wien, sowie das Zeitschriftenredaktions- und –publikationssystem "Open Journal Systems", mit dem WissenschafterInnen ihre Open Access-Journals ohne Verlag herausgeben können. 

uni:view: Für wen bringt Open Access Vorteile?
Blechl:
Für die Forschenden selbst, weil ihre einzelnen Beiträge und Artikel maximale Verbreitung finden und maximal sichtbar werden. Studien gehen davon aus, dass mit Open Access auch die Zitierwahrscheinlichkeit eines Artikels steigt. Weltweit können alle mit Internetzugang darauf zugreifen. Dadurch steigt das Potenzial an Lesenden enorm.

Das ist auch für die Forschungscommunity ein gewaltiger Vorteil: Jeder Forschende kann auf einzelne Ergebnisse seiner KollegInnen zurückgreifen – unabhängig davon, ob die eigene Bibliothek etwas abonniert hat oder nicht. Dadurch entsteht eine neue Form der weltweiten Zusammenarbeit. So ist es möglich, globale Probleme in Kooperation optimal zu lösen.

Letztendlich profitiert auch die Gesellschaft davon: Es gibt viele "Nichtforschende", die sich für Wissenschaft und deren Veröffentlichungen interessieren. Ohne Open Access hätten einige – z.B. WissenschaftsjournalistInnen oder Alumni – keinen Zugriff auf Publikationen. Mit Open Access ist ein optimaler Wissenstransfer von der Universität in die Gesellschaft möglich.

uni:view: Das Interesse für Open Access ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Worauf müssen WissenschafterInnen achten, bevor sie "frei" publizieren?
Blechl:
Zuerst sollte man sich informieren, welches Journal für das jeweilige Fachgebiet am geeignetsten ist und recherchieren, ob FachkollegInnen dort bereits publiziert haben. Auch über die Publikationsgebühren sollte man Bescheid wissen. Open Access-Journals finanzieren sich vielfach über solche Gebühren. Um die AutorInnen zu unterstützen, hat die Universität Wien nun einen zentralen Publikationsfonds eingerichtet und daraus können Publikationsgebühren für Open Access-Journals bezahlt werden.

Alternativ kann man im Rahmen von "Green Open Access" oder Selbstarchivierung eine Manuskript-Version inklusive Änderungen aus dem Begutachtungsprozess auf einen Dokumenten-Server ins Internet stellen. Das erlauben fast alle großen Wissenschaftsverlage, sofern man nicht die Originalversion des Verlages verwendet. Was bei den einzelnen Verlagen im Detail erlaubt ist, wissen viele oft gar nicht. Genaue Auskunft gibt hier die Datenbank SHERPA/RoMEO.

uni:view: Steigt mit Open Access die Gefahr von "Copy-Paste"?
Blechl:
Nein. Plagiate haben nichts mit Open Access zu tun. Im Gegenteil, durch die erhöhte Zugänglichkeit von mehr Quellen können nicht korrekt zitierte Textstellen leichter gefunden werden.

uni:view: Wie läuft das Peer-Review-Verfahren bei Open Access-Journals ab?
Blechl:
Grundsätzlich in der gleichen Form wie bei Subskriptionsjournals – da sollte es keine Unterschiede geben. Aber natürlich gibt es – sowohl bei Subskriptionsjournals als auch bei den Open Access-Journals – auch Verlage, wo das Peer-Review nicht so gewissenhaft durchgeführt wird.

uni:view: Werden durch Open Access-Journals Impactfaktoren weniger relevant?
Blechl:
Nein. Der Impactfaktor ist ein Maß dafür, wie häufig Artikel in Zeitschriften zitiert werden und wird sowohl auf Subskriptionsjournals als auch auf Open Access-Journals angewandt. Letztere sind vielfach noch sehr junge Zeitschriften und müssen ihre Reputation erst langsam aufbauen. Deshalb werden sie oft noch nicht so häufig zitiert wie Journals, die bereits seit 50 Jahren auf dem Markt sind. Aber mittlerweile gibt es einige Open Access-Journals mit sehr guten Impactfaktoren, die auch damit werben.

uni:view: Anfangs haben sich viele Verlage gegen Open Access gewehrt. Hat sich das geändert?
Blechl:
Ja, mittlerweile gibt es viele Verlage, die mit Open Access sehr gute Geschäfte machen. Es gibt Verlage, die keine Abos mehr anbieten, sondern nur noch reine Open Access-Journals herausgeben und sehr erfolgreich damit sind, wie z.B. PLOS (Public Library of Science). Auch andere große Verlage schwenken jetzt immer mehr ein und bringen eigene "Gold Open Access-Journals" heraus. Sie reagieren auf den Druck der gesamten Wissenschaftscommunity – der auch von Seiten der Forschungsförderer sehr stark ist. Vom FWF bis zur EU: Alle verlangen jetzt Open Access. (ps)