41 Skelette zeugen von wahllosem Massenmord in der Kupferzeit

Foto eines Massengrabs

Die Überreste von einundvierzig Toten, die in einer kleinen Grube im heutigen Kroatien verscharrt wurden, zeugen von wahllosen Morden an Männern, Frauen und Kindern, berichten Wiener Forscher mit Kollegen. Die Opfer des Massakers vor 6.200 Jahren waren kaum verwandt und gehörten einer großen Gruppe an, die in der damaligen Kupferzeit Teile Kroatiens, Nordbosnien, Slowenien, Ostösterreich und Westungarn besiedelten, schreiben sie im Fachjournal "Plos One".

Die Forscher um Ron Pinhasi und David Reich vom Department für Evolutionäre Anthropologie der Universität Wien und der Harvard Medical School (USA) sowie Mario Novak vom Institute for Anthropological Research in Zagreb (Kroatien) analysierten das Erbgut in den Knochen, die in einer ein Meter tiefen und zwei Meter breiten Grube bei Potočani (Kroatien) gefunden worden sind.

Sie gehörten 21 männlichen und 20 weiblichen Individuen. Gut ein Viertel (elf) davon waren Kinder zwischen zwei und zehn Jahren, ein weiteres Viertel (zehn) Jugendliche zwischen elf und 17 Jahren und die Hälfte (20) Erwachsene zwischen 18 und 50 Jahren, als sie erschlagen wurden. Das geschah vorzugsweise von der Seite oder hinten am Kopf, wie Spuren an den Schädeln dokumentierten.

Mit verschiedenen Waffen getötet

"Die Form der Verletzungen zeigt, dass die Menschen aus der Grube in Potočani mit verschiedenen Waffen und Werkzeugen der damaligen Zeit getötet wurden", erklärte Novak der APA: Die meisten Verletzungen kommen wahrscheinlich von Holz- und Geweihkeulen, manche von Steinäxten und -Hämmern oder Kupferbeilen.

Laut Erbgutanalysen waren die meisten Opfer (70 Prozent) nicht näher verwandt. Sie stammten von einer großen Gruppe eines Hirtenvolkes, das zur "Lasinja Kultur" gezählt wird. "Wir können laut den genetischen Daten mit Sicherheit sagen, dass die Leute, die in Potočani massakriert wurden, einer großen Population von hunderttausenden Menschen angehörten", so Pinhasi. Alle Erschlagenen hatten gleichermaßen Jungsteinzeit-Bauern Erbguthintergrund aus Anatolien, in den sich knapp zehn Prozent westeuropäisches Jäger- und Sammler-Erbe hineingemischt hat. Es wurde also nicht eine neu ankommende, genetisch "gebietsfremde" Gruppe getötet, erklärten die Forscher.

Ein paar Verwandtschaftsbanden gab es dennoch unter den Opfern: So waren darunter ein junger Mann mit seinen zwei Töchtern und einem Neffen und ein Bub mit seiner Tante oder Halbschwester. "Die Gewaltattacke war demnach auf eine kleine, zusammengewürfelte Gruppe in einer Gemeinschaft von vielen Familiengruppen gerichtet und nicht auf einige wenige Familien in der Gemeinschaft", schrieben die Forscher in ihrem Fachartikel. Weil die Opfer wahllos Männer, Frauen und Kinder verschiedensten Alters waren, handelte es sich um einen Massenmord, und nicht um einen Kampf zweier bewaffneter Trupps. Sie wurden wohl auch nicht in irgendwelchen religiösen Riten geopfert.

Rasch und lieblos verscharrt

Nach dem Massaker wurden die Toten wohl rasch und lieblos verscharrt. "Man kann dieses Massenbegräbnis definitiv nicht als normal für die damalige Zeit bezeichnen", so Novak: Damals wurden die Menschen in Mitteleuropa einzeln in "Hockerlage" auf der Seite liegend mit einem hübschen Keramikgefäß als Beigabe bestattet. "Entweder haben die eigenen Leute sie in fürchterlicher Eile begraben oder sie wurden von jenen verscharrt, die jene fürchterliche Tat begangen haben, wie man aus dem mangelnden Respekt gegenüber den Verstorbenen schließen kann", meint er.

Die Studie zeigt, dass es wahlloses Morden im großen Stil schon in der Kupferzeit gab, erklärten die Forscher. Wie oft so etwas passierte, wollen sie mit weiteren Untersuchungen von menschlichen Überresten aus mehreren anderen Massengräbern herausfinden.

Warum das Massaker begangen wurde, konnten die Forscher freilich nicht klären. Sie vermuten, dass schlechte Klimabedingungen und ein großes Bevölkerungswachstum in der damaligen Zeit die Situation der Menschen verschlechterten und Feindschaften verschärften. Bei vielen heutigen Massenmorden könne man beobachten, dass Anführer oft verschiedenste Gruppen als "die Anderen" stigmatisieren.

Entmenschlichung der "Anderen"

Sie forcieren die Angst vor diesen Menschen, was anschließend in Hass umschlägt und bei manchen Leuten ein Bedürfnis auslöst, sie zu eliminieren, weil sie glauben, dadurch ihre eigene Situation zu verbessern. Was ebenfalls zum Massenmord an unschuldigen Nicht-Kämpfern beitragen kann, ist diese "Anderen" herabzuwürdigen und zu entmenschlichen, und die Leute glauben zu machen, dass diese Gruppe "vernichtet werden muss, um ihre Gemeinschaft zu retten", so die Forscher. Solche Untaten gab es demnach schon lange, bevor sich die ersten Reiche und Staaten bildeten.