Zurücklehnen gilt nicht
| 25. November 2014Max Schrems klagte das Unternehmen Facebook mehrfach wegen Verletzung des europäischen Datenschutzrechts an. Er richtet sich auf ein längeres Verfahren ein, hält sein Experiment auf Durchsetzung europäischer Grundrechte aber schon jetzt für gelungen. Siegrun Herzog sprach mit dem Jus-Alumnus.
univie: Rund 75.000 Menschen unterstützen mittlerweile Ihre Sammelklage gegen Facebook. Es heißt, es könnte die größte Datenschutzklage in Europa werden. Überrascht?
Max Schrems: Eine Datenschutzsammelklage hat es in Europa bisher noch gar nicht gegeben, es wird also nicht schwierig sein, die Größte zu werden (lacht). Das ist Schritt für Schritt gegangen, zunächst aus Eigeninteresse, war aber nicht so geplant.
univie: Man kann sich über die Website bzw. eine App relativ einfach als InteressentIn registrieren und die Sammelklage per Mausklick unterstützen. Ist politische Partizipation in Zeiten von Internet und sozialen Netzwerken einfacher geworden?
Max Schrems: Einfacher ja, aber damit auch bedeutungsloser. Wenn ich irgendwo gegen Walfang klicke, ist es etwas anderes, als wenn ich dafür auf die Straße gehe – das hat einen anderen Einfluss.
univie: Ihr rechtlicher Kampf gegen Facebook wird von den Medien oft als "David gegen Goliath" stilisiert. Woher nehmen Sie die Zivilcourage, gegen so ein riesiges Unternehmen zu klagen? Sie waren ja noch Student, als es losging.
Max Schrems: Ich weiß nicht, ob das so wahnsinnig viel mit Courage zu tun hat. Ich interessiere mich einfach für die Sache und mache etwas. Die Medien brauchen immer ein Gesicht, eine Geschichte, weil das Thema Datenschutz sonst sehr trocken ist. Dann wird inszeniert und es werden Schwarz-Weiß-Geschichten gemacht. Ich habe kein Problem bei der Schwarz-Weiß-Geschichte die weiße Seite zu sein, aber ich nehme das auch nicht besonders ernst.
univie: Sie kämpfen derzeit sogar an mehreren Fronten. Welche Chancen rechnen Sie sich aus?
Max Schrems: Die Beschwerden in Irland haben wir zurückgezogen, weil es aussichtslos war. Wir haben nach drei Jahren noch immer keine Akteneinsicht bekommen, ein faires Verfahren wurde uns also verweigert. Auf diesen jahrzehntelangen Kleinkrieg wollten wir uns nicht einlassen, das wäre einfach vergebene Lebenszeit. Eine Beschwerde haben wir in Irland vor den High Court gebracht, die liegt jetzt beim EuGH, da geht es um Prism (ein Programm zur Überwachung und Auswertung elektronischer Medien und elektronisch gespeicherter Daten der NSA, Anm.) und die Mitarbeit von Facebook dort. Und schließlich gibt es die Sammelklage, die zivilrechtlich beim Wiener Gericht liegt und die gegen Facebook Irland vorgeht. Inhaltlich ist das eine recht klare Sache, allerdings wird das auch nicht in einem halben Jahr erledigt sein.
Mag. Maximilian Schrems (Jg. 1987) studierte Jus an der Universität Wien und ist Gründer von "europe-v-facebook.org". Im Sommer erschien sein erstes Buch "Kämpf um deine Daten" bei edition a – ein Blick hinter die Kulissen der illegalen Geschäfte großer IT-Konzerne mit Vorschlägen, wie wir unsere Privatsphäre vielleicht doch noch retten können (Foto: Lukas Beck) |
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univie: Wer trägt die Verfahrenskosten?
Max Schrems: Ich hafte primär dafür, bin aber rückversichert über einen Prozesskostenfinanzierer, der das volle Risiko übernimmt. Insofern ist es für mich relativ stressfrei. Die TeilnehmerInnen der Sammelklage haften gar nicht.
univie: Welches Ziel müsste erreicht werden, damit Sie sagen können: "Der Aufwand hat sich gelohnt"?
Max Schrems: Für mich lohnt sich der Aufwand jetzt schon, weil ich es als Experiment sehe. Kann ich europäische Grundrechte wirklich durchsetzen? Das ist tatsächlich ergebnisoffen, wie das erste Verfahren in Irland gezeigt hat. Nicht einmal für jemanden, der Jus studiert hat und die Verfahrenssprache Englisch perfekt beherrscht, war es möglich, das durchzusetzen. Dann ist für mich das Experiment erledigt, mit dem Ergebnis: "Das ist heute undurchsetzbar". Das ist für mich die spannende Frage: Funktioniert das System? Inhaltlich geht es mir darum, dass US-Konzerne sich zumindest an die minimalsten Kernanforderungen und an Grundrechte halten und wir nicht weiter aus Europa auf die USA zeigen und sagen: "Da sitzen die Bösen", uns dann gemütlich zurücklehnen und nichts tun. Das kann es nicht sein.
univie: Was wären Minimalanforderungen an Datenschutz?
Max Schrems: Eine Datenschutzrichtlinie, die ein normaler Mensch auch versteht. Daten, die ich lösche, sollten auch tatsächlich gelöscht und nicht nur unsichtbar geschaltet werden. Und Daten dürfen nicht unrechtmäßig an Dritte weitergegeben werden. Bei Datenschutz geht es um Transparenz auf der einen und um Kontrolle über die Daten auf der anderen Seite. Ich als Bürger muss wissen, was passiert, wenn ich meine Daten eingebe, und darüber die Kontrolle behalten.
univie: Sie nutzen nach wie vor Facebook, warum? Was ist aus Ihrer Sicht das Reizvolle daran?
Max Schrems: Ich glaube, man muss die Technologie und das Unternehmen trennen. Soziale Netzwerke an sich finde ich relativ sinnvoll und cool. Ich bin auch abhängig davon, wo die Mehrheit der Leute registriert ist – und das ist nun einmal Facebook. Die Frage ist aber, was dieser Monopolist mit den Daten macht. Ich glaube, die meisten Leute finden Facebook als soziales Netzwerk attraktiv, aber Facebook als Unternehmen, das dahinter steht, nicht so toll. Diese beiden Ebenen kann man durchaus trennen.
univie: Sie haben gerade ein Buch veröffentlicht, "Kämpf um deine Daten", in dem Sie u. a. Zukunftsszenarien und mögliche Lösungsansätze aufzeigen. Wird sich die Idee der Privatsphäre weiter auflösen?
Max Schrems: Ich glaube, dass sich verändern wird, was wir als privat sehen. Das ist aber auch ganz stark kulturell geprägt. Und ich meine, dass nicht ein paar Konzerne "privat" neu definieren können und der Menschheit erklären, wie sie das zu sehen hat. Das muss schon in einem demokratischen Prozess passieren. Ich sollte halbwegs Kontrolle über das behalten, was ich in mein Smartphone eintippe. Ich glaube, das ist schon eine Mehrheitsmeinung. Aber beim Umsetzen dieses Grundverständnisses hapert es noch.
univie: Ist das Buch auch als Bewusstseinsbildung zu sehen?
Max Schrems: Die Idee war aufzuzeigen, wie das alles funktioniert und wo die Probleme sind. Ich glaube, Bewusstseinsbildung wird ganz gerne von der Industrie hochgehalten, weil dadurch dem Nutzer/der Nutzerin die Zuständigkeit dafür übertragen wird. Um dann zu sagen: "Selbst schuld, wenn man so blöd ist". In dem Buch habe ich die Erfahrungen der letzten drei Jahre zusammengeschrieben, so dass es unterhaltsam und lesbar ist. Was passiert mit den Daten, die so gesammelt werden; was ist das Problem dabei und warum verstehen es die Leute nicht? Warum laufen politisch Dinge so, wie sie laufen, und was kann man lösen? Ist sozusagen die ganze Welt schon dem Untergang geweiht oder kann man da noch was tun? Das Ganze ist auch ein bisschen humoristisch angehaucht. Wenn man das ganz trocken macht, kriegt ja jeder einen Herzinfarkt.
Die aktuelle Ausgabe von univie, dem Magazin des Alumniverbandes der Universität Wien ist erschienen. LESEN SIE AUCH: Die Redaktion von uni:view, der Online-Zeitung der Universität Wien, hat wie immer den Bereich "UNIVERSUM" im Alumni-Magazin mitgestaltet. Lesen Sie hier unseren Artikel: "Spiderman und Barbie sprechen Deutsch" (PDF) |
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