Die globale Dimension des Wiener Kongresses

Am 18. September jährt sich zum 200. Mal der Beginn des Wiener Kongresses. Mit seiner "globalen Dimension" beschäftigt sich vom 18. bis 22. September eine internationale Konferenz mit über 200 WissenschafterInnen an der Universität Wien.

1814: Der Einladung des österreichischen Staatkanzlers Fürst Klemens Metternich in das – als Folge der napoleonischen Kriege – noch immer teilweise zerstörte Wien waren Delegierte aus über 300 "Staaten" gefolgt. Im Kongresssaal der Geheimen Hofkanzlei, heute Bundeskanzleramt, begannen jene neunmonatigen Verhandlungen, die letztlich eine neue Weltordnung schufen – deren Folgen bis heute noch immer spürbar sind.

Internationale Konferenz

Genau 200 Jahre später werden von Donnerstag, 18. bis Montag, 22. September 2014, über 200 WissenschafterInnen aus 35 Staaten ihre neuesten Forschungsergebnisse zur globalen Dimension des Wiener Kongresses an der Universität Wien präsentieren. Den Veranstaltern – die Vereinigung lateinamerikanischer und karibischer HistorikerInnen (ADHILAC) und die Historisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät der Universität Wien – geht es vor allem darum, das "enge Korsett der europäischen Historiographie über den Wiener Kongress aufzuschnüren und die Entscheidungen der Kongresstätigkeit von 1814-1822 aus globalgeschichtlicher Perspektive zu analysieren".

Inhaltlich wird dabei zunächst die Situation vor dem Ausbruch der Koalitionskriege in den beiden Amerikas besprochen, anschließend die territorialen Veränderungen in den Koalitionskriegen (Napoleonische Kriege), um schließlich im Jahr 1814 anzukommen. Ziel sei es, damit jene politische und territoriale Realität zu erfassen, wie sie sich den Delegierten auf dem Wiener Kongress darbot, als sie am 18. September 1814 ihre Verhandlungen aufnahmen.

Globalgeschichtliche Perspektive

Im Zentrum der Fragestellungen stehen die reziproken Auswirkungen von atlantischen Revolutionen und Restaurationen (Konterrevolutionen) sowie der Unabhängigkeitserklärungen und den damit verbundenen Unabhängigkeitskriegen in den Amerikas auf den Wiener Kongress und vice versa.


Auf dem Wiener Kongress setzte Großbritannien ein grundsätzliches Verbot des afrikanischen Sklavenhandels durch. Im Bild: Westafrikanische Sklavenhändler erfahren von den Briten, dass der Sklavenhandel nun illegal sei. "Damit brachen die alten Eliten zusammen und es kam zum Aufstieg dschihadistischer Bewegungen", erklärt Historiker Christian Cwik von der University of the West Indies (TT), der auch LVs am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Wien hält. (Foto: Wikimedia)



Historischer Hintergrund

Um ein Übergreifen der Revolution auf die französischen, niederländischen und spanischen Kolonien zu verhindern, besetzte Großbritannien zahlreiche Kolonien in den Amerikas, Asien und Afrika. Die enormen territorialen Veränderungen wurden zum Gegenstand der Verhandlungen in Wien. Die durch die Französische Revolution und ihre Verbündeten zu Ungunsten der Koalition geschlossenen Verträge, wie beispielsweise der Verkauf Louisianas im Jahre 1803, sollten wieder rückgängig gemacht werden, woran der Wiener Kongress und alle anderen Konferenzen des Vienna Systems (1815-1853) jedoch scheiterten.

Entgegen der Zielsetzungen der Siegermächte handelte Großbritannien, das sich nicht mehr von seinen besetzten Gebieten in Übersee trennen wollte. Von den treuhändig übergebenen Gebieten im Pazifik (Indonesien) in Asien (Indien und Südostasien) und in den Amerikas (Trinidad, Guyanas, diverse karibische Inseln) versprach sich London die erhoffte Kompensation für den Verlust in Nordamerika. Der neuerliche Versuch die abtrünnigen Kolonien in Nordamerika zurückzuerobern, war soeben gescheitert (Krieg von 1812-1815), womit andere Weltregionen immer stärker in den Fokus des neuen britischen Imperialismus gerieten.

Eine neue Gefahr drohte den europäischen Großmächten durch die antispanischen Unabhängigkeitskriege, die in Hispanoamerika zu zehn Jahren brutalem Krieg mit rund einer Million Toten und ebenso vielen Verwundeten führten. Auch in Brasilien schien die Situation militärisch ab 1815 zu eskalieren.

Nach der Gründung des Königreichs Brasilien 1815 als Folge des Wiener Kongresses überfielen die Truppen des portugiesischen Königs João VI. – er war mit britischer Hilfe vor den napoleonischen Truppen 1807/08 von Lissabon nach Rio de Janeiro geflohen – die Provinzen Banda Oriental (heute Uruguay) und Mesopotamia (heute Argentinien und Brasilien), und König João gründete die Provinz Cisplatina. In all diesen militärischen Auseinandersetzungen in den Amerikas kämpften tausende europäische Söldner, von denen die meisten Veteranen aus den Koalitionskriegen waren.

Neue Forschungsergebnisse werden präsentiert


"Vom Beginn einer Friedenszeit als Konsequenz des Wiener Kongresses kann mit Verweis auf die Situation in den Amerikas also sicherlich nicht gesprochen werden, doch auch ein Blick auf Europa sowie die anderen Kontinente erschüttert die gängige Lehrmeinung von der einzigartigen Friedensperiode, wie sie etwa Henry A. Kissinger in seiner 1957 publizierten Dissertation beschwor", eröffnet Veranstaltungsorganisator Christian Cwik die Diskussion und freut sich auf spannende Vorträge und Gespräche im Rahmen der Konferenz. (red)

Konferenz "Der Wiener Kongress und seine globale Dimension"
Donnerstag, 18. bis Montag, 22. September 2014
Universität Wien, Hörsaal 33
Universitätsring 1, 1010 Wien
Programm (PDF)

Vortrag von Immanuel Wallerstein "The congress of Vienna. From 1763 to 1833: Europe and the Americas" (Wiener Vorlesung)
Montag, 22. September, 10 Uhr
Großer Festsaal der Universität Wien
Universitätsring 1, 1010 Wien