"Die Denkmäler sind ein guter Anfang"
| 27. April 2016Die Leistungen von Frauen werden sichtbarer – bald auch im Arkadenhof. Der Künstler Thomas Baumann gestaltet drei von sieben Bildnissen herausragender Wissenschafterinnen der Universität Wien. Die Denkmäler von Charlotte Bühler, Berta Karlik und Lise Meitner werden am 30. Juni 2016 enthüllt.
uni:view: Thomas Baumann, warum haben Sie am Kunstwettbewerb der Universität Wien teilgenommen?
Thomas Baumann: Es war mir wichtig, dass nun erstmals auch Wissenschafterinnen im Arkadenhof sichtbar werden. Nehmen wir allein Lise Meitner als Beispiel, sie hätte damals den Nobelpreis für Physik verdient. Die geplanten Denkmäler sind wirklich eine schöne Ehrung. Ich habe mich zu Beginn ausführlich mit den Biografien der Wissenschafterinnen auseinandergesetzt. Nun geht es darum, sie bestmöglich darzustellen.
Die Universität Wien hat im Jubiläumsjahr einen Kunstwettbewerb ausgerufen, die KünstlerInnen Catrin Bolt, Thomas Baumann und Karin Frank (v.l.n.r.) konnten die Jury überzeugen. Bis Juni realisieren sie Denkmäler für sieben Wissenschafterinnen: Charlotte Bühler, Marie Jahoda, Berta Karlik, Lise Meitner, Grete Mostny-Glaser, Elise Richter und Olga Taussky-Todd. (Foto: Universität Wien)
uni:view: Wie verbinden sich die Denkmäler mit Ihrer Kunst?
Baumann: Meine Kunst hat mit Wissenschaft, vor allem mit Physik, eine Menge zu tun. Mich beschäftigt die Kybernetik, das Regeln und Steuern von Maschinen. Außerdem finde ich es spannend, eine Auftragsarbeit zu gestalten. Es gab in der Ausschreibung ja konkrete Vorgaben, die konzeptuell eingearbeitet werden mussten: Ziel sind erkennbare und beständige Porträts. Und nicht zuletzt wollte ich einmal wieder Porträts modellieren, ein großes Thema der Bildhauerei.
Thomas Baumann schloss 1993 sein Studium an der Akademie der Bildenden Künste in Wien bei Max Melcher und Bruno Gironcoli ab. Im Anschluss daran arbeitete er in Wien sowie für längere Zeit in Paris, Chicago und Peking. Er gewann den Kunst am Bau-Wettbewerb des Landestheaters Salzburg 2010 und erhielt u.a. den Anerkennungspreis für Kunst im öffentlichen Raum am Joanneum in Graz 2011. Zuletzt waren seine Arbeiten im Haus Konstruktiv in Zürich sowie im Art Museum in Nanjing zu sehen; ein Filmbeitrag wurde beim Festival des österreichischen Films "Diagonale" in Graz gezeigt.
uni:view: Wenn Sie nicht gerade Kunst im Auftrag der Universität Wien erstellen, wie arbeiten Sie dann?
Baumann: Das ist ganz unterschiedlich. Oft hat meine Kunst wie gesagt eine kybernetische Seite, beispielsweise habe ich eine Maschine gebaut, mit der ich Malereien herstelle. Das möchte ich weiterentwickeln. Weiters fertige ich Skulpturen an, von denen ich einige elektronisch, mechanisch oder mit Hilfe von Magneten in Bewegung setze. Seit vielen Jahren sind Wellen jeglicher Art, also Schall-, Licht-, Wasserwellen etc., ein wichtiger Themenschwerpunkt meiner Arbeit, ebenso beschäftige ich mich mit Film und Computer-Hardware. Ein eher konzeptuelles Werk war eine Installation in Detroit, in der ich mir das Buch "Die Verfassung der Freiheit" des wirtschaftsliberalen Ökonomen Friedrich August von Hajek vorgenommen habe.
uni:view: Was macht für Sie die Arbeit an den drei Denkmälern aus?
Baumann: Die Skulpturen der Wissenschafterinnen sind relativ komplex, es sind einige Arbeitsschritte notwendig, die oft parallel ablaufen. Denn wir verwenden für die Bildnisse unterschiedliche Komponenten aus verschiedenen Materialien, die mein Assistent Josef Nermuth und ich selbst herstellen. Zum Teil müssen wir auch die Maschinen, die wir für bestimmte Einzelteile der Denkmäler benötigen, erst einmal anfertigen. Wir haben uns in den letzten 20 Jahren eine gute Werkstatt aufgebaut, so dass wir relativ autonom und präzise arbeiten können. Das gilt auch für den experimentellen Bereich, wir betreiben also Forschung im weitesten Sinn, könnte man auch sagen (lacht).
Charlotte Bühler (1893-1974) war eine deutsche Psychologin und gilt als Begründerin der modernen Entwicklungspsychologie. Ab 1923 lehrte sie an der Universität Wien, wo sie 1920 zur außerordentlichen Professorin ernannt wurde. Durch den "Anschluss" Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich musste sie 1938 emigrieren. Weitere Informationen
Berta Karlik (1904-1990) war eine österreichische Physikerin, die im Laufe ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit an der Universität Wien drei Isotope des Elements 85, Astat, entdeckte und damit die letzte Lücke im Periodensystem der Elemente schloss. 1973, ein Jahr vor ihrer Emeritierung, wurde Berta Karlik als erste Frau zum vollwertigen Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gewählt. Weitere Informationen
Lise Meitner (1878-1968) war eine österreichische Kernphysikerin, die das Wissen über Radioaktivität und Atomkerne erweiterte und einige radioaktive Isotope mit entdeckte. Nach ihrer Promotion im Fach Physik im Jahr 1906 an der Universität Wien war sie ein Jahr am Institut für Theoretische Physik, später in Berlin tätig. Als Jüdin wurde ihr 1933 die Lehrbefugnis im Deutschen Reich entzogen; 1938 gelang ihr die Emigration nach Schweden. Weitere Informationen
uni:view: Stehen die Materialien und Komponenten in einem Bezug zu den Biographien der Wissenschafterinnen Bühler, Karlik und Meitner?
Baumann: Ich stelle sowohl über die Gestaltung der Sockel als auch über die ausgewählten Materialien Bezüge zu ihren Biografien her. So habe ich z.B. für die Physikerinnen Karlik und Meitner Glas gewählt, und es wird gesplittete Bruchkanten geben, weil beide zu Radioaktivität geforscht haben. Wir setzen bei der Herstellung auch einen Laser ein, der als Instrument wiederum gut zur Physik passt.
uni:view: Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Arkadenhofs?
Baumann: Die Skulpturen weisen darauf hin, dass lange eine große Missachtung der Leistungen weiblicher Forscherinnen stattgefunden hat. Dieser sichtbare Hinweis und die Ehrung dieser Leistungen liegen mir am Herzen. Ich hoffe, dass andere KünstlerInnen weitere Wissenschafterinnen porträtieren werden. So ist es von der Universität Wien geplant, und ich bin mir sicher, dass eine spannende Mischung entstehen wird – sowohl vom künstlerischen Standpunkt her als auch in Bezug auf die dargestellten Frauen. (jr/mw)
uni:view: Danke für das Gespräch!