An der Schnittstelle von Wissenschaft und Wirtschaft
| 27. September 2017Mit dem Steinbeis-Transferzentrum "Informatik.univie" kommt unternehmerisches Denken an die Universität Wien. Was die Fakultät für Informatik zur Wirtschaft beitragen kann und wie Studierende von der Kooperation profitieren, erklären Stefanie Rinderle-Ma und Wolfgang Klas im Gespräch mit uni:view.
uni:view: Sie leiten gemeinsam das neue Steinbeis-Transferzentrum "Informatik.univie". Was ist die Idee dahinter?
Wolfgang Klas: Das Steinbeis-Transferzentrum steht an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Einerseits werden Innovationen aus der Wissenschaft in die Industrie und Wirtschaft gebracht, andererseits gelangt unternehmerisches Denken an die Universität.
Stefanie Rinderle-Ma: An der Universität forschen wir, veröffentlichen Papers, lehren, führen Projekte durch. An einem gewissen Punkt hören die klassischen Aufgaben der WissenschafterInnen auf und es beginnt das Umsetzen. Da kommt das Steinbeis-Transferzentrum ins Spiel: Es ermöglicht, aus wissenschaftlichen Erkenntnissen einen Nutzen für Unternehmen zu generieren.
Das Steinbeis-Transferzentrum ergänzt die bestehenden Bemühungen der Universität Wien, den Wissensaustausch mit der Gesellschaft zu fördern. Die Technologietransferstelle unterstützt den Transfer von Technologien der Universität in die Industrie. (Foto: Universität Wien). Mehr Informationen
uni:view: Was kann man sich darunter vorstellen?
Rinderle-Ma: Die Expertise meiner Gruppe liegt im Bereich der Prozesstechnologie. Wenn ein Unternehmen zum Beispiel eine Software im Prozessbereich umsetzen möchte, kann es uns über das Transferzentrum kontaktieren. In dem Fall können wir ein prototypisches Demoszenario erstellen, die Auswirkungen besprechen und beratend tätig sein, bevor die Software flächendeckend eingeführt wird. Weitere Themen sind Weiterbildung oder Innovationsberatung – viele Unternehmen wissen gar nicht, wie sie sich technische Erneuerungen zu Nutze machen können; da helfen wir.
uni:view: Mit welchen Branchen bietet sich eine Zusammenarbeit an?
Klas: Die Konzepte aus der Informatik können in vielen Branchen fruchtbar umgesetzt werden. Es sind im Vorfeld bereits ÄrztInnen aus dem AKH an uns herangetreten, um Diagnosen bzw. Verordnungen technisch zu unterstützen. Es wäre hier denkbar, die medizinische Vorgeschichte von PatientInnen elektronisch zu erfassen und so potentiell gefährliche Entscheidungen zu reduzieren. Das System könnte dem Arzt oder der Ärztin etwa bei der medikamentösen Einstellung Allergien gegen Inhaltsstoffe anzeigen. Natürlich stellen sich auch Fragen des Datenschutzes, die noch geklärt werden müssen.
Auch das Öl- und Gasunternehmen OMV hat Interesse an einer Zusammenarbeit bekundet. In Deutschland macht gerade ein Start-Up von sich Reden, das mit Hilfe der Blockchain-Technologie ein Abrechnungssystem für das Tanken von e-Fahrzeugen entwickelt. Die Idee ist, dass die FahrerInnen ihre e-Autos an vorhandenen Steckdosen laden. Nun wird man aber für diese Micropayments keine Münzautomaten aufstellen, viel effizienter und sicherer sind Transaktionen via Blockchain, auf dem auch die Kryptowährung Bitcoin basiert. Daran haben die Energiekonzerne natürlich ein großes Interesse.
Steinbeis baut Brücken zwischen Wissen und Anwendung und arbeitet eng verzahnt mit Forschungseinrichtungen, Universitäten und Hochschulen zusammen. Mittlerweile besteht ein weltweites Netzwerk aus rund 1000 Transferunternehmen. Mehr Informationen
uniview: Worin sehen Sie die größte Herausforderung des Technologie- bzw. Wissenstransfers?
Rinderle-Ma: Wir kennen bereits die Themen und Bedürfnisse von Unternehmen, projektbasiert haben wir ja schon mit VertreterInnen aus Industrie und Wirtschaft zusammengearbeitet. Die hohe Kunst des Transfers besteht wohl darin, eine gemeinsame Sprache zu finden bzw. von der Informatiksprache in die jeweils andere Fachsprache zu übersetzen. Nur so können Wissenschaft und Unternehmen an einem Strang ziehen.
uniview: Inwiefern profitieren Studierende vom neuen Transferzentrum?
Rinderle-Ma: Studierende und NachwuchswissenschafterInnen können anwendungsnahe Fragestellungen in Projekten bearbeiten. Die Nähe zu den Unternehmen eröffnet auch Möglichkeiten, wenn es darum geht, case studies zu betreiben und theoretische Ergebnisse in der Praxis zu testen. Auch wenn ein Prototyp zum Spin-Off bereit ist, steht Steinbeis JungwissenschafterInnen unterstützend zur Seite.
Klas: Darüber hinaus ist es NachwuchswissenschafterInnen möglich, mit der Hilfe von Steinbeis zu gründen. In den USA steigt der Marktwert mit der Zahl der versenkten Start-Ups, aber in Österreich ist die Unternehmenskultur eine andere – ist die Umsetzung gescheitert, lautet das Urteil oft "versagt". Um die Angst vor dem Gründen zu nehmen, bietet Steinbeis eine Art Sandkasten an, in dem Ideen verwirklicht werden können. Wenn es schief geht, ist der Unternehmensvorgang innerhalb von Steinbeis gescheitert, der Druck lastet nicht auf einzelnen Schultern. Für mich ist das ein zukunftsweisendes Modell, das auf eine gesellschaftliche Problematik reagiert.
uni:view: Wie kam es zu der Kooperation zwischen Steinbeis und der Fakultät für Informatik?
Klas: Die Universität Wien hat bereits im April 2017 einen Rahmenvertrag mit Steinbeis abgeschlossen, der die Gründung von Transferzentren ermöglicht. Die Fakultät für Informatik macht am 1. Oktober den Anfang, denn hier arbeiten wir klassischerweise mit Konzepten und Ansätzen, die in verschiedenen Bereichen anwendbar sind. Die letzten Papiere wurden unterzeichnet, wir stehen in den Startlöchern.
uni:view: Dann viel Erfolg und danke für das Gespräch! (hm)
Über Stefanie Rinderle-Ma und Wolfgang Klas:
Univ.-Prof. Dipl.-Math. oec. Dr. Stefanie Rinderle-Ma leitet die Forschungsgruppe Workflow Systems and Technology an der Universität Wien, seit Oktober 2016 ist sie Dekanin der Fakultät für Informatik.
Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. Wolfgang Klas leitet die Forschungsgruppe Multimedia Information Systems an der Universität Wien, von Oktober 2008 bis September 2016 war er Dekan der Fakultät für Informatik.