Lessings Ringparabel und die Verständigung zwischen den Religionen
| 17. April 2015Im Rahmen des 650-Jahr-Jubiläums lud die Katholisch-Theologische Fakultät am 9. und 10. April zum Symposium "Lessings Ringparabel – ein Paradigma für die Verständigung zwischen den Religionen?", das WissenschafterInnen aus unterschiedlichen Disziplinen zusammenführte.
Die Wahl des Themas bot sich zum einen an, weil die Vorlage von Lessings Ringparabel in die Mitte des 14. Jahrhunderts und damit in die Gründungsphase der Universität Wien (1365) zurückweist. In einem Brief hat Lessing ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er in Boccaccios "Decamerone" das Gleichnis von den drei Ringen vorgefunden habe, das er dann – mit neuen Akzenten versehen – in die Mitte seines dramatischen Gedichts "Nathan, der Weise" gestellt hat. Zum anderen hat Lessing – "kein Theologe, aber ein Liebhaber der Theologie" – die Ringparabel als Therapeutikum gegen dogmatische Unduldsamkeit und religiösen Fanatismus geschrieben – ein Thema, das auch heute von einiger Brisanz ist.
Friedliche Koexistenz
Denn auch im religionspolitisch aufgeheizten Klima der Gegenwart steht die Frage nach einer friedlichen Koexistenz der Religionen im Zentrum: Mit den Anschlägen von Paris und Kopenhagen ist erneut deutlich geworden, dass die Morde im Namen Gottes auch Europa erreicht haben. Das Gesicht des Islams droht durch den Islamismus nachhaltig entstellt zu werden. Als Gegenreaktion mehren sich barbarische Anschläge auf islamische Einrichtungen, islamophobe Tendenzen breiten sich in der Gesellschaft aus. Aber auch der Antisemitismus verzeichnet – 70 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz – besorgniserregende Zuwachsraten. In dieser angeschärften Gemengelage, die sich leicht durch weitere Beispiele vermehren ließe, gilt es daran zu erinnern, dass es ohne Verständigung und wechselseitigen Respekt keine friedliche Koexistenz der Religionen in einer globalen Welt geben kann.
Toleranz statt Ignoranz
Lessing, das wurde auf der interdisziplinären Tagung deutlich, an der neben christlichen auch jüdische und islamische ReferentInnen teilnahmen, demontiert eingefleischte Vorurteile und kritisiert doktrinale Ignoranz. Er wirbt für Toleranz gegenüber Andersgläubigen und versucht anderen Religionen dadurch gerecht zu werden, dass er deren Selbstverständnis Rechnung trägt. Lessing weist auf Humanitätspotenziale im Judentum und im Islam hin, hinter die das Christentum in seiner Geschichte nur allzu oft zurückgefallen ist.
Scharfsinnig markiert er die Aporie der geschichtlichen Offenbarungsreligionen und problematisiert deren Universalitätsanspruch: "Denn gründen alle sich nicht auf Geschichte? / Geschrieben oder überliefert! – Und / Geschichte muss doch wohl allein auf Treu / und Glauben angenommen werden? – Nicht? – / Nun wessen Treu und Glauben zieht man denn / Am wenigsten in Zweifel? Doch der Seinen? / […] Wie kann ich meinen Vätern weniger, / Als du den deinen glauben? Oder umgekehrt. –" (III, 7).
Wettstreit um das Gute
Wegen der Unentscheidbarkeit der Wahrheitsfrage verlagert Lessing den Streit um die wahre Religion auf die Ebene des Wettstreits zwischen den Religionen um das Gute: "Es eifre jeder seiner unbestochnen / Von Vorurteilen freien Liebe nach!" Nicht die ursprungsgetreue Überlieferung religiöser Wahrheit, die sehr schnell in doktrinale Überheblichkeit gegenüber Andersgläubigen einmünden kann, sondern die praktische Beförderung der Humanität ist das Kriterium, das den Wettstreit zwischen den Religionen entscheiden soll.
Dabei geht es Lessing nicht um einen abstrakten Humanismus, der die Menschwerdung der Menschen durch totale Emanzipation von den positiven Religionen vorantreiben will: Das Jude-, Christ- und Muslimsein soll gerade nicht neutralisiert, sondern als geschichtliche Quelle von Humanität stark gemacht werden. Die jeweilige Religion soll als Vehikel der Menschwerdung des Menschen dienen, die strittige Echtheit des Ringes soll durch die humane Praxis seines Trägers sichtbar gemacht werden. "Es strebe von euch jeder um die Wette […] Mit innigster Ergebenheit in Gott".
Renommierte Vortragende
Diese Verlagerung vom Streit um das Wahre zum Wettstreit um das Gute hat der renommierte Ägyptologe und Kulturwissenschaftler Jan Assmann (Heidelberg/Konstanz) in seinem Festvortrag "Die performative Wendung der Wahrheitsfrage" herausgestellt. Assmann, der bereits im Oktober 2013 anlässlich des Dies Facultatis referiert hatte (vgl. den soeben im Herder Verlag erschienenen Band: "Monotheismus unter Gewaltverdacht. Im Gespräch mit Jan Assmann"), hat in einer gewissen Nähe zu Lessing den Offenbarungsreligionen empfohlen, ihre Wahrheitsansprüche auf eine verborgene Menschheitsreligion hin zurückzunehmen. Religion im Modus des "Als ob", wobei er dieses Als ob nicht fiktional, sondern performativ verstanden wissen wollte. Ob diese Empfehlung das Selbstverständnis der Religionen trifft, wenn sie davon ausgehen, dass Gott aus dem Verborgenen herausgetreten ist und sich ein für alle Mal geoffenbart hat, wurde auf dem Symposium diskutiert.
Neben Jan Assmann haben an der Tagung, die ebenfalls im Herder Verlag dokumentiert werden soll, folgende Referenten mitgewirkt: Micha Brumlik (Frankfurt/M.), Walter Andreas Euler (Trier), Marc Föcking (Hamburg), Reinhold Grimm (Jena), Milad Karimi (Münster), Hans Dieter Klein (Wien), Karl-Josef Kuschel (Tübingen), Christoph Schulte (Berlin), Jan-Heiner Tück (Wien), Friedrich Vollhart (München).
Das Symposium "Lessings Ringparabel – ein Paradigma für die Verständigung zwischen den Religionen?" wurde von Rudolf Langthaler, Vorstand des Instituts für Christliche Philosophie, und Jan-Heiner Tück, Vorstand des Instituts für Systematische Theologie, konzipiert.