Uni:Blicke: Verleihung des Ehrendoktorats an die "Weltstars der Wissenschaft"
Redaktion (uni:view) | 04. Dezember 2012Am Dienstag, 4. Dezember 2012, erhielten der kanadische Chemiker Alfred Bader, der US-amerikanische Physiker Walter Kohn und der britische Historiker Peter Pulzer das Ehrendoktorat der Universität Wien.

Die Verleihung der Ehrendoktorate an Peter Pulzer und Walter Kohn – Alfred Bader konnte aus gesundheitlichen Gründen an der Veranstaltung nicht persönlich teilnehmen – fand in feierlicher Atmosphäre im Großen Festsaal der Universität Wien statt.

Nach dem festlichen Einzug nahmen die Ehrengäste Walter Kohn und Peter Pulzer zwischen den WürdenträgerInnen der Universität Wien Platz (v.l.n.r.: Claudia Theune-Vogt, Peter Pulzer, Friedrich Stadler, Walter Kohn, Markus Arndt und Bernhard Keppler), während Rektor Heinz W. Engl das Podium betrat.

Der Rektor der Universität Wien begrüßte alle anwesenden Gäste, insbesondere die Ehrengäste Walter Kohn und Peter Pulzer und bedauerte, dass es der Gesundheitszustand von Alfred Bader nicht zulasse, die weite Reise aus den USA nach Wien zu unternehmen. Die Veranstaltung werde aber auf Video aufgezeichnet und ihm zugesendet, so Engl.

Rektor Engl wies in seiner Begrüßungsrede darauf hin, dass es für die Universität Wien eine große Ehre sei, dass alle drei Ausnahmewissenschafter die Ehrendoktorwürde angenommen haben. Das sei keine Selbstverständlichkeit, in Anbetracht dessen, dass alle drei im Jahre 1938 aus ihrer Heimatstadt Wien von den Nazis vertrieben wurden. Unter normalen Umständen, so der Rektor, hätten sie wahrscheinlich hier studiert. Er hoffe, so Engl abschließend, dass sie sich über die mit großer Verspätung verliehene Ehrung auch mit der Universität Wien freuen können.

Claudia Theune-Vogt, Dekanin der Historisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät, übernahm nach der Begrüßung die einleitenden Worte, in denen auch sie betonte, dass es für die Universität Wien und für die Fakultäten eine große Ehre sei, Bader, Kohn und Pulzer als Ehrendoktoren im Kollegium aufzunehmen. Für Theune-Vogt gehören alle drei zu den "Weltstars der Wissenschaft".

Die Laudatio für den persönlich nicht anwesenden Chemiker Alfred Bader hielt Bernhard Keppler, Dekan der Fakultät für Chemie. Einleitend sagte der Dekan, dass die Fakultät für Chemie einen Bezug sowohl zu Alfred Bader als auch zu dem Physiker Alfred Kohn habe, da Kohn zwar Physiker sei, den Nobelpreis aber 1998 für Chemie erhalten habe. Dekan Keppler ging in seiner Laudatio auf biografische Eckpunkte von Alfred Bader ein, der Ende 1938 mit einem Kindertransport nach Großbritannien kam und als Jugendlicher als "Enemy Alien" in einem kanadischen Kriegsgefangenenlager landete. Nach dieser schweren Zeit begann er 1941 an der Queen's Universität (Kanada) das Studium der Technischen Chemie und machte 1950 in Harvard sein Doktorat – der Startpunkt einer außergewöhnlichen wissenschaftlichen Karriere.

Keppler erzählte dem interessierten Publikum, dass Alfred Bader Inhaber von über 100 Patenten ist und mittlerweile neun Ehrendoktorate innehat. Heute finanziert Bader als Kunstsammler und Mäzen zusammen mit seiner Frau Isabel Projekte aus Kunst und Naturwissenschaften. Mit seiner finanziellen Unterstützung wurde u.a. an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften der Ignaz L. Lieben Preis wieder eingerichtet.

Markus Arndt, Dekan der Fakultät für Physik, sprach die Laudatio für den Physiker Walter Kohn und zeigte sich sehr geehrt, ihm die Ehrendoktorwürde verleihen zu dürfen. Sichtlich beeindruckt schildert Arndt die Karriere des Physikers, der bereits mit 25 Jahren sein Doktorat in Harvard abschloss. 1979 wurde Kohn Professor an der University of California, Santa Barbara, wo er auch emeritierte. Gemeinsam mit John A. Pople erhielt er 1998 für die Entwicklung der Dichtefunktionaltheorie, deren Grundlage das Hohenberg-Kohn-Theorem ist, den Chemie-Nobelpreis. Seit 2011 ist Walter Kohn Ehrenmitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Walter Kohn blickt in seiner Laufbahn als Physiker nicht nur auf über auf weit über 100 Publikationen, sondern neben zahlreichen Ehrungen auch auf 17 Ehrendoktorate renommierter Universitäten zurück – das Ehrendoktorat der Universität Wien ist Nummer 18. Arndt betonte, dass er es schön finde, dass Kohn sich nach wie vor auch mit Österreich verbunden fühle – trotz seiner Vertreibung. Kohn sage über sich selbst "I am American and a former Austrian". Abschließend betonte Arndt, wie viel Walter Kohn für das Fach Physik geleistet hat, und dass ohne seine von ihm entwickelten Methoden heute vieles nicht funktionieren würde und es so manche Professur gar nicht gäbe.

Die Laudatio für Peter Pulzer hielt Friedrich Stadler, Leiter des Forums "Zeitgeschichte der Universität Wien" und Professor am Institut für Zeitgeschichte sowie am Institut für Philosophie, der einleitend gleich betonte, wie unmöglich es sei, so ein komplexes, beeindruckendes Leben wie das Pulzers in nur wenigen Worten zu skizzieren. Daher halte er sich an die wichtigsten Meilensteine. Auf Friedrich Stadlers Initiative hin – gemeinsam mit Gabriele Kucsko-Stadlmayer, der stv. Vorständin des Instituts für Staats- und Verwaltungsrecht – wurde die Ernennung des Ehrendoktors an Carl Djerassi (die Verleihung fand bereits am 5. Juni 2012 statt), Alfred Bader, Walter Kohn und Peter Pulzer in die Wege geleitet.

Auch in seiner Laudatio hob Stadler die wichtigsten Karrierestationen des Ausnahmehistorikers Peter Pulzer hervor. Nach Kindheit in Wien, Flucht 1938 nach London, promovierte Pulzer 1960 in Cambridge mit seinem Werk "The Rise of Political Anti-Semitism in Germany and Austria". Diese Publikation gilt bis heute als ein Standardwerk zur Antisemitismusforschung schlechthin, betont Stadler. Neben seinen Werken zum Antisemitismus verfasste Peter Pulzer auch wichtige Arbeiten in der Politikwissenschaft. "Er hätte wahrscheinlich hier an der Universität Wien studiert. Es ist an der Zeit, dass ihn die Universität Wien ehrt", so der Zeithistoriker abschließend.

Nach einer musikalischen Einlage verlasen die DekanInnen Markus Arndt, Bernhard Keppler und Claudia Theune-Vogt die Ehrenurkunden in lateinischer Sprache – für die Übersetzung ins Latein zeichnet übrigens Altdekan Franz Römer verantwortlich.

Unter großem Applaus überreichte Rektor Heinz W. Engl gemeinsam mit den DekanInnen die Urkunde an die neuen Ehrendoktoren der Universität Wien, Peter Pulzer ...

... und Walter Kohn.

Gleichermaßen beeindruckend und berührend waren die Worte von Walter Kohn, die er seiner Mutter widmete – wie sein Vater wurde sie von den Nazis ermordet. Sie war eine intelligente und humane Frau, so Kohn. Und sie war es, die darauf bestanden hat, dass er das Akademische Gymnasium in Wien besucht hat. Dort lernte er Latein – "mein Lieblingsfach". Er freute sich dann sehr, als auch seine Tochter in ihrer Schulzeit die Liebe zu dieser Sprache entdeckte und durch eine engagierte Lehrerin die Möglichkeit hatte, Latein zu lernen, Kohn lernte begeistert wieder mit. So habe es ihn auch sehr gefreut, heute die Verlesung der Urkunde auf Latein zu hören. Insgesamt freue er sich rückblickend über "unseren Beschluss, das Doktorat anzunehmen" und bedankte sich bei der Universität Wien.

Peter Pulzer begann seine abschließenden Worte mit der Frage: "Was wünschen sich junge Absolventen am meisten?" Um sie auch gleich zu beantworten: "Reichtum ist es sicher nicht. Es geht um Anerkennung." Und dabei sei die internationale Anerkennung die größte und beste. Deshalb freue ihn auch die Ehrung durch die Universität Wien sehr. Selbst ist er mit seiner Heimatstadt immer noch verbunden, manches in seinen Erinnerungen sei erfreulich, anderes weniger. Von seinen 83 Lebensjahren hat er 73 in England verbracht, seine Frau ist Engländerin, seine Kinder sind in England groß geworden und leben auch dort: "England ist meine Heimat." In den letzten Jahren ist er immer wieder, zumeist zu Forschungszwecken, nach Wien zurückgekehrt, und fühlt sich immer mehr willkommen. Besonders freuen ihn die Freundschaften, die er mit jüngeren Kollegen in den letzten Jahren aufgebaut hat.

Anschließend bestieg Rektor Heinz W. Engl nochmals das Podium, um sich bei allen Anwesenden zu bedanken, insbesondere bei den Ehrengästen, ...

... bevor er zum Empfang in den Senatssaal lud und damit die feierliche Ehrendoktoratsverleihung beschloss. (Text: Theresa Dirtl; Fotos: Petra Schiefer)