Uni:Blicke: Eröffnung des Instituts für europäische Integrationsforschung
Redaktion (uni:view) | 06. Dezember 2012Im April wurde das Institut für europäische Integrationsforschung (EIF) von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften an die Universität Wien transferiert. Am 3. Dezember 2012 wurde es im Rahmen des Symposiums "Europas Krise: Beiträge aus Wissenschaft und Praxis" feierlich eröffnet.

Das Institut für europäische Integrationsforschung (EIF) ist an der Universität Wien seit April 2012 als interfakultäre Forschungs- und Lehrplattform verankert. Am 3. Dezember wurde das neue Institut an der Universität Wien von Rektor Heinz W. Engl mit einem Symposium zu Europas Krise eröffnet. Teilnahmen u.a. (v.l.n.r.): Fritz W. Scharpf vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, Silvia Angelo, Wirtschaftsexpertin der AK Wien, Franz Fischler, EU-Kommissar und Bundesminister a.D., Gertrude Tumpel-Gugerell, ehem. Mitglied des Direktoriums der EZB und OeNB, Wirtschaftswissenschafter und Politiker Alexander van der Bellen, Rektor Heinz W. Engl, Gerda Falkner, Leiterin des EIF, Barbara Weitgruber, Sektionschefin im Wissenschafts- und Forschungsministerium und Heinrich Neisser, Zweiter Nationalratspräsident und Bundesminister a.D.

"Von dieser Erweiterung des Forschungsbereichs profitieren auch die Studierenden der Universität Wien über zusätzliche Lehrangebote", so Rektor Heinz W. Engl in seiner Eröffnungsrede. "Die nächsten drei Jahre bieten die Gelegenheit, das Institut in die Universität Wien zu integrieren, was natürlich auch gewisse Herausforderungen beinhaltet." Da Bundespräsident Heinz Fischer nicht an der Eröffnung teilnehmen konnte, verlas der Rektor dessen vorab übermittelte Grußbotschaft: Der Universität Wien sei zum neuen Institut zu gratulieren, denn die "Bedeutung des europäischen Integrationsprozesses ist in der heutigen Politik bekanntlich überragend". Daher sei die EU auch als Forschungsthema unverzichtbar und beispielweise für die Ökonomie, die Rechtswissenschaft sowie die Kultur- und Sozialwissenschaften von großer Relevanz. Vor diesem Hintergrund bezeichnete er die Eröffnung der Forschungsplattform als Kooperation dieser vier Fakultäten als "kluge und zukunftsweisende Entscheidung".

"Die Eröffnung der Forschungsplattform 'Europäische Integrationsforschung' an der Universität Wien ist in vielerlei Hinsicht ein gelungenes Beispiel für die österreichische Forschungspolitik der vergangenen Jahre", so Barbara Weitgruber, Sektionschefin der Sektion II (Wissenschaftliche Forschung und internationale Angelegenheiten) im Wissenschafts- und Forschungsministerium. Die Übertragung des Instituts von der ÖAW an die Universität Wien hat für beide Einrichtungen und die ForscherInnen einen Mehrwert. "Darüber hinaus wird die Universität Wien in ihrer Profilbildung gestärkt und das Forschungsportfolio der ÖAW geschärft." Für Sektionschefin Weitgruber ist die neue Forschungsplattform auch "Ausdruck der positiven Weiterentwicklung des Forschungsstandorts Österreich, der Förderung der Grundlagenforschung und der bestmöglichen Nutzung vorhandener Ressourcen".

Gerda Falkner leitet das Institut für europäische Integrationsforschung bereits seit Jänner 2008. "EU-Politik prägt heute fast alle Bereiche und zentrale Dynamiken der Politik in den Mitgliedstaaten", so Falkner. "Deshalb darf die EU auf wissenschaftlicher Ebene nicht vernachlässigt werden, wenn es um Wirtschaft, Recht, Politik und Gesellschaft geht." Falkner studierte Politikwissenschaft in Verbindung mit Kommunikationswissenschaft und Ökonomie an der Universität Wien. Sie war danach am Europakolleg in Brügge, arbeitete an den Universitäten von Warwick und Colchester sowie als Forschungsgruppenleiterin in der deutschen Max-Planck-Gesellschaft, als Abteilungsleiterin für Politikwissenschaft am Institut für Höhere Studien, und schließlich als EIF-Direktorin an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Mit dem Umzug des Instituts an die Universität Wien kehrte Falkner wieder auf Vollzeitbasis in ihre akademische Heimatinstitution zurück, wo sie schon seit 1998 außerordentliche Universitätsprofessorin ist.

Der anschließende Festvortrag von Fritz W. Scharpf, Direktor Emeritus des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung in Köln, behandelte die aktuelle Finanzkrise in Europa aus multi-disziplinärer Sicht: Er verband historische, ökonomische, juristische sowie politikwissenschaftliche Aspekte. Grundlegendes Problem sei nicht eine budgetpolitische Fahrlässigkeit der Krisenländer; es seien vor allem die für deren Ökonomien unverträglichen Wirkungsmechanismen einer Wirtschafts- und Währungsunion, die eine einheitliche Zentralbankpolitik für uneinheitliche Volkswirtschaften vorsieht.

In der anschließenden Podiumsdiskussion wurde die Krise auch in Hinblick auf Österreich thematisiert. Auswirkungen auf das – vergleichsweise milde, aber dennoch – betroffene Österreich wurden auf mehreren Ebenen diskutiert (Banken, politisches System, Politikfelder wie die Landwirtschaft) und teilweise divergierende Standpunkte wurden benannt (z.B. aus Arbeitnehmer- versus Arbeitgebersicht). Insgesamt wurde gefordert, die Europäisierung der Politik ernster zu nehmen. Als in Österreich vollziehbare praktische Änderungen wurden verstärkte europapolitische Diskurse empfohlen, auch um Populismus vorzubeugen; sowie mehr praktische Erfahrungen auf EU-Ebene, beispielsweise für Nationalratsmitglieder, am besten noch vor ihrem nationalen Amtsantritt. Einig war man sich schließlich, dass auch ein kleines Land in der EU mit guten Ideen überzeugen könne. Im Bild v.l.n.r.: Silvia Angelo, Franz Fischler, Gerda Falkner, Heinrich Neisser und Gertrude Tumpel-Gugerell.

Das Publikum im großen Festsaal der Universität Wien durfte sich über ein zusätzliches hochrangiges Grußwort aus dem Ausland freuen. Es stammte von der deutschen Soziologin und Politikwissenschafterin Renate Mayntz, die vor dem Transfer des Instituts für europäische Integrationsforschung im Wissenschaftlichen Beirat an der ÖAW das fachzuständige Mitglied war: "Das EIF hat sich in wenigen Jahren zu einem international angesehenen Zentrum sozialwissenschaftlicher Europaforschung entwickelt. Gerade die derzeitige Krise macht deutlich, wie wichtig ein besseres Verständnis der Probleme ist, mit denen die europäische Integration zu kämpfen hat. Das durch zahlreiche Publikationen und die Qualität seiner Mitarbeiter bestens ausgewiesene EIF wird hier auch in seiner neuen institutionellen Form als Forschungsplattform der Universität Wien einen wichtigen Beitrag leisten." Anschließend gab ein kleiner Sektempfang Gelegenheit, die angesprochenen Themen zu vertiefen und auf das neue Institut anzustoßen. (Fotos: APA Fotoservice)