Die feine Nase der Erdmännchen
Theresa Dirtl (uni:view) | 17. Oktober 2012Wie reagieren Erdmännchen auf den Geruch von Feinden? Eigene Wächter halten nach Raubtieren Ausschau und erkennen das Gefahrenpotenzial am Geruch. Ihre Taktiken erforschte der Nachwuchswissenschafter Markus Zöttl vor Ort in der Kalahari Wüste und publizierte dazu kürzlich im Journal "Behavioral Ecology".

Seit Beginn der 1990er Jahre stehen die Erdmännchen im südlichen Afrika unter ständiger Beobachtung. Die kleinen Säugetiere sind mittlerweile so an die WissenschafterInnen gewöhnt, dass sie sie einfach ignorieren und ihrem Alltag nachgehen – ein Traum für jeden Verhaltensforscher. Ins Leben gerufen wurde das "Kalahari Meerkat Project" 1993 von Tim Clutton-Brock von der University of Cambridge, heute leitet er es gemeinsam mit Marta B. Manser von der Universität Zürich. (Foto: Markus Zöttl)

Mittlerweile gibt es sogar eine eigene US-Dokusoap einer Erdmännchengruppe aus Clutton-Brocks Projekt. Im Mittelpunkt der Serie "Meerkat Manor" steht "Flower", das dominante Erdmännchen-Weibchen und ihre Gruppe – vier Staffeln und drei EMMY-Awards sprechen für den Erfolg der Serie und die Faszination, die diese kleinen Säuger und ihr durchaus aufregendes Alltagsleben auf Menschen ausüben. (Foto: Markus Zöttl)

Im Zuge seiner Feldforschung in der Kalahari Wüste verbrachte der Verhaltensforscher Markus Zöttl viele Wochen mit den Erdmännchen. Zöttl, derzeit Postdoc Research Associate an der University of Cambridge bei Tim Clutton-Brock, unternahm seine Feldforschung bei den Erdmännchen im Rahmen seiner Diplomarbeit an der Universität Wien – seine Betreuerin war Eva Millesi von der Universität Wien, Leiterin des Departments für Verhaltensbiologie, neben Tim Clutton-Brock, Raphaela Lienert und Marta B. Manser ebenso an der Publikation beteiligt. Im Bild sieht man eine der täglichen Routinen von Zöttl während seiner Feldforschung: Bis zu drei Mal am Tag werden die Erdmännchen auf einer tragbaren Waage gewogen. Um die Tiere auf die Waage zu locken, verwendete der Verhaltensforscher eine Wasserflasche. (Foto: Elisabeth Zöttl)

Markus Zöttl ist begeistert von "seinen" Erdmännchen: "Meine persönliche Faszination ist die Kooperation im Tierreich. Obwohl Egoismus ein zentrales Element der darwinistischen Evolutionsbiologie ist, sind Kooperationen überall zu finden: bei Mikroorganismen, Insektenstaaten, Fischen, Raubtieren und Nagetieren bis hin zum Menschen. Diesen scheinbaren Widerspruch versuchen Projekte wie das 'Kalahari Meerkat Project' zu verstehen." Da die Erdmännchengruppen in der Kalahari kontinuierlich seit 1993 beobachtet werden, können VerhaltensforscherInnen auf ein immenses Datenvolumen, sprich Wissen über diese Tiere zurückgreifen und so immer neue Forschungsfragen mit entsprechendem Hintergrund angehen. Zöttl interessierte sich in seinem Projekt für die – durchaus erfolgreiche – Taktik der Erdmännchen, Feinde bzw. die Gefahr, die von ihnen ausgeht, am Geruch zu erkennen; zu ihren größten Feinden gehören Greifvögel, Schlangen, Schakale und Wildkatzen. Im Bild filmt Zöttl gerade eine Gruppe von Erdmännchen bei einer ihrer Hauptbeschäftigungen, der Nahrungssuche; dazu zählen hauptsächlich Insekten, aber auch Vögel, Eidechsen und Eier. (Foto: Elisabeth Zöttl)

Erdmännchen gelten als sehr soziale Tiere. Sie leben in Gruppen von bis zu dreißig Tieren, an der Spitze steht ein dominantes Pärchen, ein Weibchen und ein Männchen, sowie deren Nachkommen. Arbeitsteilung ist für die Erdmännchen-Großfamilie eine Selbstverständlichkeit: Während der Groβteil der Gruppe nach Insekten gräbt, halten Wächter nach potenziellen Feinden Ausschau. Auch für das "Babysitting" sind nicht nur die Eltern verantwortlich, sind etwa die Mutter und der Vater weit weg auf Nahrungsuche unterwegs, schauen – wie auch im Bild – andere Erdmännchen in der Zwischenzeit auf die Jüngsten und verzichten dabei oft einen ganzen Tag auf Nahrungsaufnahme. (Foto: Markus Zöttl)

Woran erkennen die Wächter nun, ob die Gruppe in Gefahr ist? Geruch spielt dabei eine wesentliche Rolle, wie Markus Zöttl in seinem Forschungsprojekt herausgefunden hat. Hier präsentiert der Verhaltensforscher dem Wächter-Erdmännchen einen typischen Räubergeruch – in diesem Fall Katzenurin – mit einer Angelleine. Daraufhin ruft das Tier die anderen Erdmännchen aus seiner Gruppe zu sich und alle Gruppenmitglieder werden besonders wachsam und blicken um sich, um den Räuber zu entdecken. (Foto: Elisabeth Zöttl)

Der Ruf des Erdmännchens war erfolgreich. Die Tiere haben sich versammelt und beobachten den sogenannten Räuber – ein vom Verhaltensforscher platziertes, ausgestopftes Tier – aus sicherer Entfernung. Die Zeit, die die Erdmännchen benötigten, um sich zu versammeln und den Räuber zu entdecken, wurde von Zöttl gemessen. "In unserer Studie konnten wir nun zeigen, dass Erdmännchen anhand des Alters der Gerüche die Gefahr beurteilen", so Zöttl: "Obwohl alte Gerüche auch dazu führen, dass andere Erdmännchen gerufen werden, reagierten die Erdmännchen mit erhöhter Wachsamkeit nur auf frische Gerüche, nicht aber auf die Menge des Katzenurins. Unsere Studie belegt ausserdem experimentell erstmals, dass Tiere die Verursacher dieser Gerüche tatsächlich schneller entdecken können. Dies wird immer wieder in Modellen als selbstverständlich angenommen, wurde bisher aber noch nie untersucht." (Foto: Elisabeth Zöttl)

Die Reaktion von Erdmännchen auf einen Raubfeindgeruch oder Ruf eines Gruppenmitglieds: Das Fell und der Schwanz werden aufgestellt und die Gruppe schließt sich zusammen, um sich dem Geruch oder dem rufenden Gruppenmitglied anzunähern. (Foto: Markus Zöttl)

Die kleinen Wüstenbewohner – hier recht entspannt beim Spielen in ihrer Heimatwüste, der Kalahari – lassen sich auch in Wien beobachten: Im Tiergarten Schönbrunn lebt eine Gruppe von Erdmännchen, die erst jüngst Nachwuchs bekommen haben – sie scheinen sich also auch fernab ihrer Heimat wohl zu fühlen: Am 7. August 2012 sind vier Jungtiere zur Welt gekommen, die nun ihre ersten Ausflüge in der Anlage unternehmen. (Fotos: Elisabeth Zöttl, Markus Zöttl; Text: Theresa Dirtl)
Die Publikation "The effects of recruitment to direct predator cues on predator responses in meerkats" (AutorInnen: Markus Zöttl, Raphaela Lienert, Tim Clutton-Brock, Eva Millesi, und Marta B. Manser) erschien am 28. September 2012 im Journal "Behavioral Ecology".