Der Wiener Kreis schließt sich
Redaktion (uni:view) | 20. Mai 2015Eine außergewöhnliche Gruppe von WissenschafterInnen steht im Mittelpunkt der Ausstellung "Der Wiener Kreis" – die Schau zählt sicherlich zu den Höhepunkten im Jubiläumsjahr der Universität Wien. Am 19. Mai fand die Eröffnung mit prominenten Gästen statt.
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Die Eröffnung der Ausstellung "Der Wiener Kreis" wollen diese leicht verspäteten Gäste nicht verpassen und eilen durch den eigens gebauten Eingang in die rund 1.100 Quadratmeter großen Räumlichkeiten. Der Eingang befindet sich für die Ausstellungsdauer – 19. Mai bis 31. Oktober 2015 – an der linken Rampe neben dem Haupteingang des Hauptgebäudes der Universität Wien.
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Zahlreich sind die BesucherInnen erschienen, um bei der Eröffnung mit dabei zu sein. Für die Ausstellung wurden die ehemaligen Räume des Universitäts-Sportinstituts zu Multifunktionsflächen umgestaltet, die für Ausstellungen, Kongresse und Lehrveranstaltungen zur Verfügung stehen. Geplant wurde der Umbau von Architekt Gunther Palme.
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Der "Hausherr", Rektor Heinz W. Engl, freut sich über die zahlreichen BesucherInnen und das sichtlich große Interesse an der Ausstellung. Unter den Gästen begrüßt er auch u.a. Bürgermeister Michael Häupl, Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny, ÖAW-Präsident Anton Zeilinger, den ehemaligen FWF-Präsident Arnold Schmidt, den Wissenschaftsreferent der Stadt Wien Hubert Christian Ehalt, Universitätsratsvorsitzende Eva Nowotny, die Senatsvorsitzende Gabriele Kucsko-Stadlmayer und seinen Amtsvorgänger Georg Winckler.
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Insbesondere freut sich Engl über den Ehrengast Martin Karplus, der erst kürzlich im Rahmen des "Dies Honorum" die Ehrendoktorwürde der Universität Wien angenommen hat. Anschließend übergibt der Rektor das Wort an Oliver Lehmann, Vorsitzender des Klubs der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten, der die Eröffnung moderiert.
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Nicht allzu oft wird Bürgermeister Michael Häupl diese Frage gestellt bekommen haben: "Warum eröffnet ein Bürgermeister diese Ausstellung?" Häupl schmunzelt über die originelle Frage und meint darauf: "Wir mischen uns hier ein." Weiters betont der Bürgermeister, dass die Stadt Wien eine Tradition habe, Geistes- und Naturwissenschaften zu verbinden und genau das sei ja auch die Grundidee des Wiener Kreises – jener Idee möchte auch die Stadt Wien Rechnung tragen. "Ich bin stolz auf diese Tradition", so Häupl.
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Im Publikum neben Rektor Engl: Universitätsratsvorsitzende Eva Nowotny und Ehrengast Martin Karplus, dessen ungewöhnlichen Reisefotografien aus den 1950er Jahren übrigens ebenso gerade in einer Ausstellung im Hauptgebäude (1. Stock) noch bis 12. August 2015 besichtigt werden können.
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Zunächst zeigt sich Anton Zeilinger überrascht, als er von Oliver Lehmann zu den Stufen gebeten wurde und meint, dass er davon doch gar nichts wusste. "Umso besser", freut sich Oliver Lehmann und fragt ihn zu seiner Verbindung zum Wiener Kreis. Ohne es zu wissen habe Zeilinger in den ehemaligen Räumen des Wiener Kreises Physik an der Universität Wien studiert. Nach dem Studium in Wien ging er in die USA ans MIT. "Dort habe ich etwas sehr vermisst: Genau den Brückenschlag zwischen den Geistes- und Naturwissenschaften. In Wien haben mir dies meine akademischen Lehrer mitgegeben." Weiters betonte Zeilinger, dass Wien in der Monarchie ein Anziehungspunkt war und ist überzeugt, dass es dies wieder werden könne: "Wien kann ein Fokuspunkt werden, wir können eine einmalige Position in Europa annehmen."
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Der Ehrengast und Ehrendoktor der Universität Wien Martin Karplus gibt im Gespräch mit Oliver Lehmann zu, bis dato nicht allzu viel über den Wiener Kreis gewusst zu haben – gleichzeitigt fragt er sich, ob es diese Ausstellung nicht schon viel früher hätte geben sollen. "Ich finde es wichtig, dass junge Leute sehen, wie Wien war; lernen, was passiert ist, was nicht mehr passieren soll", so Karplus. Auf die Frage von Lehmann, was ihn mit anderen Vertriebenen, die als Kinder geflüchtet sind, verbinde, meint der Nobelpreisträger, dass dies wahrscheinlich der Drang sei, in einem fremden Land etwas zu erreichen; vielleicht hätte es diesen Drang nicht gegeben, wenn er in Wien geblieben wäre.
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Verantwortlich für die Gestaltung der Ausstellung ist Hermann Czech (li. neben Oliver Lehmann), der seine Intentionen zur Gestaltung erklärt: "Eine erste 'Konfusion' beim Betreten des Raumes ist durchaus beabsichtigt, die sich jedoch rasch auflöst. Die BetrachterInnen finden ihren Weg durch die Ausstellung, in der es sehr wohl auch, aber nicht nur, eine chronologische Reihung gibt. Was es nicht gibt, ist ein zwingender Weg durch die Ausstellung." Peter Weibel (li. neben Czech), verantwortlich für die vielen digitalen Medien in der Ausstellungspräsentation, meint auf die Frage Lehmanns, warum eigentlich der Wiener Kreis mit viel neuer Technologie dargestellt wird: "Der Wiener Kreis hat die Grundlagen für diese Technologie geschaffen – so basiert u.a. die Programmiersprache auf dessen logisch-empirischen und kritisch-rationalen Überlegungen. Daher ist es nur naheliegend, den Wiener Kreis auch mit digitalen Medien zu zeigen."
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Das abschließende Gespräch findet mit den beiden "Köpfen" hinter der Ausstellung statt, den Kuratoren Friedrich Stadler (li.) und Karl Sigmund – als Zeithistoriker und Mathematiker schlagen sie selbst die Brücke zwischen Geistes- und Naturwissenschaften. Oliver Lehmann stellt die Eingangsfrage: "Sie beschäftigen sich seit Jahrzehnten mit dem Wiener Kreis. Schließt die Ausstellung zum Wiener Kreis einen Kreis?" Zeithistoriker Stadler darauf: "Gewissermaßen ja. Eine Ausstellung über eine Philosophengruppe ist eine Herausforderung. Jetzt war die Zeit reif dazu, auch durch die 650-Jahr-Feier. Ich bin stolz, dass mit der aktuellen Schau die erste Ausstellung zum Wiener Kreis überhaupt in Wien eröffnet wurde."
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Mathematiker Karl Sigmund ist überzeugt, dass die Ausstellung ist eine wichtige Zwischenetappe zur Bekanntheit des Wiener Kreises sei. "Ich war schon als Schüler vom Wiener Kreis fasziniert, dann habe ich mich in der Studienzeit damit beschäftigt und jetzt die Ausstellung kuratiert. Aber es gibt noch einiges zu tun", so Sigmund: "Mein Traum ist es ja, Woody Allen davon zu überzeugen, einen Film über den Wiener Kreis zu machen." Weiters betont er, dass die Offenheit dem Volk gegenüber ein sehr wichtiger Aspekt des Wiener Kreises war – nicht nur an der Uni zu agieren, sondern auch in Volkshochschulen, etc. Genau diese Öffnung werde auch durch die Ausstellungsarchitektur symbolisiert: "Der Architekt hat mit dem Aussstellungseingang auf den Ring hinaus sprichwörtlich Wände eingerissen."
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Von li. nach re.: Moderator Oliver Lehmann, Ehrengast Martin Karplus, Rektor Heinz W. Engl, Künstler Peter Weibel, Kurator Friedrich Stadler, Bürgermeister Michael Häupl, Kurator Karl Sigmund, Architekt Hermann Czech und ÖAW-Vorsitzender Anton Zeilinger.
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Der Wiener Kreis wurde in den 1920er Jahren vom Philosophen Moritz Schlick, dem Sozialreformer Otto Neurath und dem Mathematiker Hans Hahn gegründet. Wöchentlich trafen einander die Mitglieder des Wiener Kreises zum Gedankenaustausch und legten dabei Grundsteine für wichtige Forschungsfelder des 20. Jahrhunderts. Im Fokus der Ausstellung stehen die philosophischen Fragen, denen sich der Wiener Kreis gewidmet hat: Wodurch zeichnet sich wissenschaftliche Erkenntnis aus? Haben metaphysische Aussagen einen Sinn? Worauf beruht die Gewissheit von logischen Sätzen? Wie ist die Anwendbarkeit der Mathematik zu erklären?
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Die Herausforderung in der Präsentation besteht darin, das akademische Wirken des Wiener Kreises einer breiten Öffentlichkeit zugänglich – und verständlich – zu machen. Die Schau realisiert erstmals eine "Visualisierung von Philosophie". Eine multimediale Interpretation des Wiener Kreises bietet die vom ZKM Karlsruhe entwickelte Installation "PanoramaVision." Eine etwa 20 Quadratmeter große, kreisrunde Projektionsfläche lädt BesucherInnen zur Interaktion mit Bildern und Textdokumenten ein. Hier probiert gerade Kulturstadtrat Mailath-Pokorny (Bildmitte) die interaktive Installation aus.
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Christian Falk Pastner (li.), Leiter des Veranstaltungsmanagements, und Harald Peterka, Leiter des Raum- und Ressourcenmanagements, freuen sich mit einem Glas Jubiläumswein über die sehr gelungene Ausstellungseröffnung zum Wiener Kreis. (Text: Redaktion uni:view, Fotos: www.derknopfdruecker.com)
Ausstellung "Der Wiener Kreis – Exaktes Denken am Rand des Untergangs"
Mittwoch, 20. Mai bis Samstag, 31. Oktober 2015
Hauptgebäude der Universität Wien
Universitätsring 1, 1010 Wien
Zugang direkt von der Ringstraße, seitlich links neben dem Haupteingang.
Öffnungszeiten: Mo bis Sa, 10 bis 18 Uhr
Nähere Informationen
VERANSTALTUNGSTIPP:
Workshop: "Politics, Democratic Education and Empowerment"
Donnerstag, 28. Mai 2015, 9 bis 19 Uhr
Alte Kapelle, Campus der Universität Wien
Spitalgasse 2-4, Hof 2.8, 1090 Wien
Programm (PDF)