Ausstellungseröffnung "Bedrohte Intelligenz"
| 18. März 2015Im vollbesetzten Festsaal wurde am Dienstag, 17. März, die Ausstellung "Bedrohte Intelligenz" an der Universität Wien eröffnet. Sie thematisiert den "Anschluss", die Nazifizierung der Hochschule sowie die Leiden der NS-Opfer an der Universität Wien. Vom 18. März bis 6. April sind die Schautafeln im Hauptgebäude zu sehen.
Auf 69 Schautafeln präsentiert sich aktuell in der Aula im Hauptgebäude der Universität Wien die Ausstellung "Bedrohte Intelligenz. Von der Polarisierung und Einschüchterung zur Vertreibung und Vernichtung im NS-Regime" Studierenden, MitarbeiterInnen und BesucherInnen.
Am Dienstag, 17. März, fand im Großen Festsaal der Universität Wien die offizielle Eröffnung statt. Der vollbesetzte Saal zeigt das breite Interesse an der Thematik.
Rektor Heinz W. Engl eröffnete die Ausstellung und betonte, dass das 650-Jahre-Jubiläum der Universität Wien nicht nur ein Grund zum Feiern sei, sondern auch, um kritisch auf die eigene Geschichte zu schauen. Ihm sei es in seiner Funktion als Rektor ein vorrangiges Anliegen, der Aufarbeitung der Geschichte der Universität im Nationalsozialismus und dem Gedenken an die Opfer und Vertriebenen einen besonderen Stellenwert einzuräumen.
Wolfgang Brandstetter, Bundesminister für Justiz, betonte die Bedeutung des Kampfes gegen Rassismus und Intoleranz (auch) in der heutigen Zeit. Aus diesem Grund habe er sich für strengere Regeln bei dem Tatbestand der Verhetzung eingesetzt. Der neue Gesetzesentwurf sieht vor, dass öffentliche Hetze nun bereits strafbar ist, wenn sie "vielen Menschen zugänglich" wird – also rund 30 Personen. Bislang galt es erst bei etwa 150 Personen.
Franz Stefan Meissel von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, einer der beiden Kuratoren der Ausstellung, hob hervor, dass zur Rechtsgeschichte auch die Unrechtsgeschichte gehöre. "Gerade im Jubiläumsjahr ist es wichtig, aufzuzeigen, dass sich die Universität Wien auch kritisch mit ihrer eigenen Geschichte beschäftigt und auch jenen Aspekten nachgeht, die alles andere als feiernswert sind", erklärt der Rechtshistoriker im Vorgespräch: "So ist die Universität Wien schon im späten 19. Jahrhundert, vor allem aber nach dem Ersten Weltkrieg, durch antisemitische Umtriebe stark hervorgetreten, denen sehr viele Lehrende und Studierende zum Opfer gefallen sind. Besonders dramatisch wurde es nach März 1938 – fast jeder zweite Lehrende wurde aus seinem Amt vertrieben."
Thomas Olechowski, ebenfalls Kurator und von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, betonte, dass die Ausstellung sowohl die Entwicklungen im Nationalsozialismus und die Vertreibungen und Tötungen von Studierenden und MitarbeiterInnen als auch die verhängnisvolle Rolle des bereits viel früher herrschenden Antisemitismus an der Universität Wien aufzeigen soll. "Ich freue mich, dass im Jubiläumsjahr die Gelegenheit genutzt wurde, auch diesem schmerzlichen und wohl dunkelsten Kapitel in der Geschichte der Universität Wien Platz einzuräumen", so Olechowski.
Klaus Taschwer, Wissenschaftsjournalist bei "Der Standard" und Mitwirkender an der Ausstellung, stellte in seiner Rede die "Vorgeschichten der Vertreibung" dar. Er vertritt die These, dass die Universität Wien kein Opfer, sondern im Gegenteil Wegbereiterin des Nationalsozialismus gewesen sei. So zeigte er auf, dass die Universität spätestens seit Anfang der 30er Jahre eine "Hochburg des Antisemitismus und eine Brutstätte des Nationalsozialismus" war. Zugleich spannte er den Bogen in die Gegenwart und appellierte, der Erinnerungskultur einen beständigen und sichtbaren öffentlichen Raum zu geben.
Musikalisch umrahmt wurde die Eröffnungsveranstaltung von zwei Werken jüdischer Komponisten, die diese kurz vor ihrer Deportation in Konzentrationslager komponiert hatten: Gideon Kleins "Streichtrio: 2. Satz Lento" und Hans Krásas "Passacaglia für Streichtrio", vorgetragen vom "Trio Polukord". Klein wurde im Januar 1945 im KZ Fürstengrube und Krása im Oktober 1944 im KZ Auschwitz-Birkenau ermordet.
Ein anschließender kleiner Empfang bot die Möglichkeit zum Austausch und für Gespräche, bevor sich viele der Anwesenden einen Stock tiefer in die spannende Ausstellung vertieften.
Konzipiert hat die Ausstellung ein interdisziplinäres Team um die beiden Kuratoren Franz Stefan Meissel (2. Reihe, 2. v. l.) und Thomas Olechowski (1. Reihe, 2. v. l.): Susanne Gmoser, Klaus Taschwer, Linda Erker, Alexander Kada, Herbert Posch, Stefan Wedrac und Roman Pfefferle gehören zum wissenschaftlichen Team (v.l.n.r.). Dieter Schweizer und Katharina Hötzenecker (1. und 2. Reihe, rechts) vom Jubiläumsbüro unterstützten die Realisierung der Ausstellung tatkräftig.
Die Sektion "Vertriebene Studierende" haben Herbert Posch und Linda Erker, beide vom Institut für Zeitgeschichte, gemeinsam entwickelt. "Universitäten sind ein wichtiger Ort der Vermittlung und daher ist es wichtig, dass sich diese auch mit ihrer eigenen Geschichte auseinandersetzen", so Dissertantin Linda Erker, die sich bereits in ihrer Diplomarbeit mit den im NS vertriebenen Studierenden der Universität Wien beschäftigte.
"Mich begeistert, dass wir durch die Ausstellung ein schwieriges, aber wichtiges Thema an ein breites Publikum bringen können. Und zwar verdichtet und durchaus plakativ, aber inhaltlich wertvoll", erklärt Historiker und Mitwirkender an der Ausstellung Stefan Wedrac.
Die Publikation zur Ausstellung in Form einer Zeitung ist für alle Interessierten kostenlos beim Portier im Hauptgebäude der Universität Wien erhältlich.
Bereits vor der offiziellen Ausstellungseröffnung lockten die optisch ansprechenden Schautafeln in der Aula – installiert sind sie seit Anfang der Woche – zahlreiche Interessierte und PassantInnen zum Verweilen. Die Ausstellung kann noch bis zum 6. April im Hauptgebäude besucht werden, anschließend wird sie im Juridicum, folgend im Universitätszentrum Althanstraße und schließlich im Hörsaalzentrum am Campus aufgestellt. (Fotos: derknopfdruecker.com / Text: Marion Wittfeld)
Standorte der Wanderausstellung "Bedrohte Intelligenz – Von der Polarisierung und Einschüchterung zur Vertreibung und Vernichtung im NS-Regime"
18. März bis 06. April 2015
Aula im Hauptgebäude, Universitätsring 1, 1010 Wien
Montag bis Freitag: 6 bis 22 Uhr, Samstag: 7 bis 19.30 Uhr
07. April bis 26. April 2015
Aula im Juridicum, Schottenbastei 10-16, 1010 Wien
Montag bis Freitag: 6 bis 22 Uhr, Samstag: 7 bis 19 Uhr
27. April bis 18. Mai 2015
Universitätszentrum Althanstrasse, Althanstrasse 14, 1090 Wien
Montag bis Freitag: 7.30 bis 21.30 Uhr, Samstag: 7.30 bis 14 Uhr
26. Mai bis 27. Juni 2015
Hörsaalzentrum am Campus, Hof 2.6, Spitalgasse 2, 1090 Wien
Montag bis Freitag: 7.30 bis 21.30 Uhr, Samstag: 7.30 bis 17.30 Uhr