In memoriam Rosita Schjerve-Rindler

Das Institut für Romanistik der Universität Wien trauert um die Soziolinguistin Univ.-Prof. Mag. Dr. Rosita Schjerve-Rindler, die am 13. September 2013 unerwartet verstorben ist.

Am 13. September 2013 starb Rosita Schjerve-Rindler, Universitätsprofessorin am Institut für Romanistik der Universität Wien, im letzten Monat ihres aktiven Dienstverhältnisses: völlig unerwartet, für uns, ihre KollegInnen, Freunde und Freundinnen, die wir uns von ihrer wie immer tadellosen Haltung, Präsenz und Würde in Sicherheit wiegen ließen. Knapp vor der Pensionierung konnte Rosita Schjerve-Rindler auf eine vorbildliche Karriere und die internationale Rezeption ihrer wissenschaftlichen Leistungen zurückblicken. Wenn ich diese in der Folge zu würdigen versuche, bitte ich zu bedenken, dass ich – nicht Soziolinguistin, sondern Literatur- und Kulturwissenschafterin – ihr Tun immer mit Interesse begleitet habe, als Fachnachbarin gleichsam, nicht aber als Vertreterin ihres Faches.

Nach einem Übersetzer- und Dolmetschstudium sowie dem Studium der romanischen und englischen Philologie promovierte Rosita Schjerve-Rindler 1975 an der Universität Wien. 1986 habilitierte sie sich mit einer Arbeit über Sprachkontakt auf Sardinien in Romanischer Sprachwissenschaft, 1991 wurde sie zur außerordentlichen Professorin und 2000 zur Universitätsprofessorin am Institut für Romanistik der Universität Wien ernannt.

Der Insel Sardinien, dem Sprachkontakt zwischen dem Sardischen und Italienischen ist ihr erster und langjähriger Forschungsschwerpunkt gewidmet: auch nach der Publikation ihrer Habilitationsschrift "Sprachkontakt auf Sardinien. Soziolinguistische Untersuchung des Sprachenwechsels im ländlichen Bereich" (1987) verfolgte sie die Frage des Sprachenwechsels und des Codeswitching auf Sardinien als "Langzeitstudie" (so hat sie diese rote Linie in ihrer Forschungstätigkeit selbst benannt) mit zahlreichen, international wahrgenommenen Aufsätzen und Handbuchbeiträgen. Im Zentrum des Interesses steht dabei die Frage, wieweit das Phänomen des Codeswitching als Symptom für die fortschreitende Desintegration der Minderheitensprache Sardisch gewertet werden kann oder aber eine nützliche Strategie für Sprecher einer dominierten Sprache darstellt.

Vom Interesse für eine der sogenannten "kleinen" romanischen Sprachen und deren Überleben führt ein gerader Weg zu Rosita Schjerve-Rindlers später entwickeltem Forschungsschwerpunkt, der Mehrsprachigkeit und Sprachenpolitik in Europa, namentlich in dem von ihr mitinitiierten Projekt "LINEE – Languages in a Network of European Excellence" im 6. EU-Rahmenprogramm, dessen internationale Mitglieder auch nach Projektabschluss (2010) als Verein weiterhin aktiv bleiben. In dem gemeinsam mit Eva Vetter verfassten Buch "European Multilingualism: Current Challenges and Perspectives" (2012) kondensieren sich die langjährigen Forschungsergebnisse zur Wichtigkeit und Förderung der europäischen Mehrsprachigkeit. Auch das jüngere Projekt "A Toolkit for Transnational Communication in Europe", an dessen Zustandekommen und Durchführung Rosita Schjerve-Rindler wieder federführend beteiligt war, situiert sich im Rahmen der Mehrsprachigkeitsforschung und untersucht neue Formen mehrsprachiger Kommunikation. Ihr spezielles Interesse galt dabei erneut dem Codeswitching als einem sprachlichen "tool" zur Bewältigung zwei- und mehrsprachiger Kommunikation. Der Sprachenpolitik im Habsburgerstaat und der Frage, ob diese ein Modell für transnationale Mehrsprachigkeit im gegenwärtigen Europa gesehen werden könne, widmete sich Rosita Schjerve-Rindler, gemeinsam mit KollegInnen und SchülerInnen, in mehreren Projekten; ein viel beachtetes Resultat ist der von ihr herausgegebene Sammelband "Diglossia and Power. Language Policies and Practice in the 19th Century Habsburg Empire" (2003).
Die Leitlinie durch die Forschungstätigkeit Rosita Schjerve-Rindlers, von den Arbeiten zum Sprachenkonflikt auf Sardinien bis zu den jüngsten Publikationen, bildet also die Liebe für die Vielfalt der Sprachen sowie das wissenschaftliche und zugleich politische Engagement für die Förderung der Mehrsprachigkeit in Europa.

Fast möchte man meinen, Rosita Schjerve-Rindler habe die Vorteile einer Forschungsprofessur genossen: doch in Wahrheit war sie gleichzeitig Universitätslehrerin an einem großen Institut, in dem der Lehraufwand mitunter gewaltig sein kann. Ich habe sie selbst als Lehrende kennengelernt, als ich als junge Studentin nach Wien kam und Rosita als junge Assistentin ihre ersten Proseminare abhielt (klug, elegant, schön – ein Vorbild nicht nur für mich). In den vielen Jahren ihrer Tätigkeit hat sie italienische und französische Sprachwissenschaft unterrichtet und zahlreiche Diplomarbeiten und Dissertationen betreut. Ihre Studentinnen und Studenten kannten und schätzten sie als verlässliche, einsatzbereite, Qualität bietende und auf Qualität pochende Lehrerin. Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses lag ihr nicht nur sehr am Herzen, sie betrieb sie äußerst erfolgreich und ermöglichte mehreren Personen den Einstieg in die Wissenschaft.

Ihre universitätspolitische Kompetenz, ihre demokratische Grundeinstellung, ihr Engagement für ihr Institut und ihre Universität sowie ihre menschlichen Qualitäten führten dazu, dass sie ebenso das Vertrauen vieler Kolleginnen und Kollegen genoss, auch und gerade in der Erfüllung der zahlreichen Funktionen, die sie in ihrer Berufslaufbahn zu übernehmen bereit war: 2002-2004 als Vorständin des Instituts für Romanistik, 2000-2004 sowie 2006-2009 als Mitglied des Senats der Universität Wien, 2000-2007 als Leiterin des interfakultären und postgradualen Universitätslehrgangs "Europäische Studien". Ihr Engagement für die curriculare Weiterentwicklung der Lehramtstudien dieser Universität ist vorbildlich zu nennen; sie ließ sich in diesem zeitaufwändigen und mäandernden Prozess durch Rückschläge und Widrigkeiten nicht entmutigen.

Als ich sie vor kurzem das letzte Mal sah, mit ihr sprechen durfte, war sie schön und elegant und freundlich wie immer, so wie ich sie in Erinnerung behalten möchte. Ihre Einsatzbereitschaft, ihre unbeirrbare Aufrichtigkeit, ihre Bereitschaft zur Solidarität, ihre Lebenslust – wie sehr wird jemand fehlen, der diese Eigenschaften besaß. Rosita Schjerve- Rindler war ein außergewöhnlich liebenswerter Mensch.

Nachruf von o. Univ.-Prof. Mag. Dr. Birgit Wagner, Vorständin des Instituts für Romanistik