In memoriam Hans Schwabl (1924-2016)

schwarze Flagge vor dem Hauptgebäude

Das Institut für Klassische Philologie, Mittel- und Neulatein trauert um den emeritierten Professor und ehemaligen Dekan der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät Hans Schwabl. Der Altphilologe verstarb in den Morgenstunden des 2. April im Alter von 92 Jahren.

Mit Hans Schwabl verlieren die Universität Wien, die Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät, deren Dekan er gewesen ist, vor allem aber das Institut für Klassische Philologie, Mittel- und Neulatein einen bewegenden Forscher, einen engagierten Lehrer, der mit seiner stillen, auf die Sache bezogenen Art Viele beeindrucken und begeistern konnte, und einen lieben Kollegen und Freund.

Hans Schwabl wurde am 17. Dezember 1924 in Zell am See (Salzburg) geboren. In seiner Heimat hat er auch die Schulen besucht und 1942 am Humanistischen Gymnasium in der Stadt Salzburg die Reifeprüfung abgelegt. Nach seiner Rückkehr aus russischer Kriegsgefangenschaft studierte er von 1947 bis 1950 Klassische Philologie an der Universität Wien und schloss sein Studium mit der Lehramtsprüfung für Latein und Griechisch und mit einer von Albin Lesky betreuten Dissertation zum Lehrgedicht des Parmenides ab.

In abgeänderter Form wurde ein Teil der Arbeit schon bald darauf – ein in diesen Jahren nicht allgemein üblicher Vorgang – in einer angesehenen Fachzeitschrift gedruckt (Wiener Studien 66, 1953), später erneut nachgedruckt, und der Beitrag ist auch heute noch wichtig für die Beurteilung des Lehrgedichts des Parmenides. Die Reihe seiner weit über hundert Veröffentlichungen beschließt mehr als 60 Jahre später – auch dies ein denkwürdiges Faktum – eine Arbeit zum Text des euripideischen Hippolytos, veröffentlicht in den Wiener Studien 128, 2015.

Doch schon bald entwickelten sich, wie die weiteren Publikationen zeigen, seine Interessen, die ihn an seinen Wirkungsstätten ein Leben lang begleiten sollten: zunächst als Assistent von Albin Lesky in Wien, dann als Ordinarius an der Freien Universität Berlin und schließlich, von 1968 bis 1992, als Nachfolger Albin Leskys wieder in Wien.

Der Altphilologe, emeritierte Universitätsprofessor und ehemalige Dekan der Philologisch-Kulturwissenschaftliche Fakultät Hans Schwabl verstarb in den Morgenstunden des 2. April im Alter von 92 Jahren.

Griechische Philosophie, besonders die Begriffswelt der Vorsokratiker, das griechische Epos mit Homer und ganz besonders Hesiod, dessen Stellenwert in der Dichtung er zu begründen versuchte gegen die allgemeine Tendenz der damaligen Philologie, die Gedichte wegen ihrer ausgeprägten formalen Gestaltung eher gering zu schätzen. Hesiod wurde so zu seinem Lebensbegleiter, immer wieder, bis in seine letzten Tage, hat er über den Mann aus Askra in Böotien nachgedacht, hat die Lehrgedichte in Publikationen, Vorlesungen und Vorträgen behandelt, und es ist Hans Schwabl zu verdanken, dass die Wirksabsichten, die formale Gestaltung und auch die religionsgeschichtliche Bedeutung der Dichtung heute besser verstanden werden.


Hans Schwabl war ein ruhiger, nachdenklicher Mann. In seinen Lehrveranstaltungen und auch im persönlichen Gespräch konnte er gelegentlich in schweigendem Nachsinnen lange Pausen machen, um dann wieder dort das Gespräch aufzunehmen, wo es unterbrochen worden war. Beeindruckend war auch seine Genauigkeit, in der Wissenschaft wie auch im Umgang mit Studierenden, mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Er vermied unscharfe Aussagen, und er vermied es auch, Hoffnungen zu erwecken, wenn er nicht sicher war, dass diese sich auch erfüllen würden. Dabei war sein ganzes Wesen eher in sich gekehrt. Er kannte seinen Wert, ohne ausdrücklich darauf hinweisen zu müssen, und die Rezeption seiner Publikationen und auch der Erfolg seiner Lehrveranstaltungen zeigen, dass er verstanden wurde und Wirkung erzielen konnte.

Bezeichnend dafür, was damit gemeint ist, ist vielleicht auch die Art und Weise, wie seine bedeutendsten wissenschaftlichen Leistungen veröffentlicht wurden: Es waren Beiträge zum umfassendsten Sammelwerk der Erforschung der Antike, der Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (erschienen zwischen 1890 und 1978!): Im Jahre 1958 habilitierte er sich in Wien mit dem Artikel "Weltschöpfung", einer Zusammenschau antiker Quellentexte zu diesem Thema (im Druck erschienen erst 1962), und sein Hauptwerk, an dem er mehr als zwanzig Jahre gearbeitet hat, der Artikel "Zeus", eigentlich eine umfangreiche, alle antike Quellen umfassende Monographie zum Wesen und zur Gestalt des höchsten Gottes der Griechen, ist im letzten, 1978 erschienenen Supplementband enthalten, mit dem das Riesenwerk seinen Abschluss gefunden hat. Die beiden Arbeiten sind zwar jeweils als Sonderpublikationen in Buchform in geringer Auflage herausgegeben worden, bleiben aber, in gewisser Weise bescheiden zurückhaltend und dennoch unübersehbar, bedeutende Teile eines sehr großen Ganzen.

Von seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwartete Hans Schwabl ebenso genaue und tiefgehende Arbeit, ohne dies direkt einzumahnen, denn man erkannte seine Haltung, wenn man ihn begleitete, und er stellte niemals Anforderungen, die nicht auch die persönliche Entwicklung gefördert hätten. Der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, deren Mitglied er war, und der Universität gegenüber erfüllte er seine Aufgaben ebenso sachlich, präzise und offen, und hat sich niemals geweigert, Verpflichtungen zu übernehmen, wie er auch das Dekanat der damaligen Geisteswissenschaftlichen Fakultät in den Studienjahren 1979 – 1981 übernommen hatte.

Uns allen aber bleibt jetzt nur, gemeinsam mit seinen Angehörigen, seiner Frau und seiner Familie, sein Andenken zu bewahren und ihm nachzurufen: Have, pia anima!
Herbert Bannert, Vorstand des Instituts für Klassische Philologie, Mittel- und Neulatein der Universität Wien