6 Fragen an Dekanin Elisabeth Nemeth (2014-16)

Für Elisabeth Nemeth beginnt am 1. Oktober 2014 die mittlerweile zweite Funktionsperiode als Dekanin der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft. Im Interview spricht die Philosophin über ihre Erwartungen, Ziele und Herausforderungen – und zeigt uns ihren alten Studentenausweis.

1) Was für Erwartungen haben Sie an Ihre Position? Welche Ziele verfolgen Sie als Dekanin?
In den vergangenen zwei Jahren – meiner ersten Funktionsperiode als Dekanin – hatte sich die Fakultät einer Reihe von Anforderungen zu stellen, die viel Aufmerksamkeit und Zeit gekostet haben: Die bildungswissenschaftliche Ausbildung der LehrerInnenbildung, die früher Aufgabe unserer Fakultät war, ist dem neuen ZLB zugeordnet worden, wobei eine enge Kooperation zwischen den beiden Organisationseinheiten besteht und weiter entwickelt wird. Im letzten Jahr wurde unsere Fakultät umfassend evaluiert. Dies hat zwar auch viel Arbeit bedeutet, war aber letztlich erfreulich: die Peers haben unserer Fakultät eine sehr positive Entwicklung bescheinigt. Schließlich war in den vergangenen Monaten der neue Entwicklungsplan zu erarbeiten. Das geschah in einem insgesamt sehr konstruktiven Prozess. Ich erwarte und hoffe, dass wir auf Basis dieser Erfahrungen die konstruktive Arbeit in der Fakultät weiterführen können.

Als Dekanin versuche ich, anstehende strategische Entscheidungen transparent zu machen und mit den Kolleginnen und Kollegen offen zu diskutieren. In manchen Fällen habe ich mich von der Fakultätskonferenz überzeugen lassen und meine ursprünglichen Absichten revidiert. In anderen Fällen bin ich dabei geblieben, weil ich sie für richtig hielt, auch wenn es kräftigen Gegenwind gab. Mein Ziel ist es, eine Kultur von Kommunikation und Auseinandersetzung zu fördern, die den Mitgliedern der Fakultät das Bewusstsein vermittelt, dass ihre Anliegen gehört und ernst genommen werden, auch wenn es natürlich nicht immer möglich ist, alle Anliegen umzusetzen.

2) Was sehen Sie als größte Herausforderung an?
Meine Aufgaben als Dekanin mit meiner Tätigkeit in Forschung und Lehre unter einen Hut zu bekommen und gleichzeitig mein Privatleben nicht zu vernachlässigen.



BIOGRAPHISCHES:

Elisabeth Nemeth, geb. 1951 in Wien, ist seit Oktober 2012 Dekanin der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft der Universität Wien. 1969-1974 Lehramtstudium Philosophie, Psychologie und Pädagogik sowie Katholische Theologie, Universität Wien. 1974 Mag. Phil. 1974/75 Philosophiestudium an den Universitäten München und Oxford. 1975 Assistentin von Karl Ulmer am Institut für Philosophie der Universität Wien. 1981 Doktorat bei Karl Ulmer. 1988 Assistenzprofessorin am Institut für Philosophie der Universität Wien. 2000 Venia Legendi für Philosophie (Habilitationsschrift: "Denken in Beziehungen. Beiträge zur Ortsbestimmung der Erkenntnisphilosophie"). 2001 außerordentliche Universitätsprofessorin am Institut für Philosophie der Universität Wien.



3) Wo sehen Sie die Universität Wien in zehn Jahren, und was ist auf dem Weg dorthin wichtig?
Ich weiß nicht, wo die Universität Wien in zehn Jahren sein wird. Mit Blick auf die letzten zehn Jahre glaube ich zu beobachten, dass ein Bedürfnis innezuhalten besteht. Ein Bedürfnis nach Bestandsaufnahme: wo stehen wir nach zehn Jahren permanenter Reorganisation von Forschung, Lehre und Management? – Aus meiner Sicht ist die deutliche Internationalisierung der Universität Wien ein uneingeschränkt positives Ergebnis der jüngeren Entwicklung. Trotz der bekannt schwierigen budgetären Situation erzielt die Universität Wien in vielen Bereichen Erfolge in der internationalen Spitzenforschung. Hier bestehen hervorragende Voraussetzungen für die Zukunft.
Ich sehe aber auch problematische Züge, die freilich weit über die Universität Wien hinausreichen. Ein Beispiel ist die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses. Heute sind junge Wissenschafterinnen und Wissenschafter gezwungen, für viele Jahre eine große Unsicherheit in der Lebensplanung in Kauf zu nehmen. Dass dies insbesondere Frauen demotiviert, eine akademische Laufbahn einzuschlagen, ist inzwischen durch Studien belegt. Ich beobachte mit einer gewissen Beunruhigung, dass auffallend viele hochbegabte Studierende – Frauen und Männer – einer akademischen Karriere mit Skepsis gegenüberstehen. Dabei scheinen vor allem diejenigen von der Wissenschaft abgehalten zu werden, die ihre wissenschaftliche Tätigkeit mit Aufmerksamkeit für andere Lebensbereiche, insbesondere für ihr soziales Umfeld, verbinden wollen. Gesamtgesellschaftlich gesehen muss es nicht problematisch sein, wenn sie aus der Wissenschaft herausfallen: sie werden ihre Beiträge in anderen gesellschaftlichen Bereichen leisten. Ob die stattfindende Selektion der wissenschaftlichen Forschung, und erst recht ob sie den Universitäten gut tut, darf bezweifelt werden.

Ein anderes Beispiel ist das Commitment gegenüber der Universität als Institution und deren Weiterentwicklung. Derzeit lebt die Universität noch davon, dass die Akteurinnen und Akteure, die den Großteil ihrer akademischen Sozialisation im früheren System – also vor 2002 – erfahren haben, dieses Commitment in beachtlichem Maße mitgebracht haben. Im heutigen System sind die Anreize ganz anders gesetzt. In gewisser Weise schöpft die heutige Universität eine (inzwischen zu Ende gehende) Ressource ab, die aus dem früheren System stammt. Wie sie diese Ressource unter den bestehenden Bedingungen selbst hervorbringen kann, kann ich derzeit nicht sehen. Davon, wie diese und eine Reihe anderer Fragen gestellt, diskutiert und beantwortet werden, wird abhängen, wo die Universität Wien in zehn Jahren stehen wird.

4) Ihr wissenschaftliches Vorbild?
Ich habe im Laufe meines Lebens von sehr unterschiedlichen WissenschafterInnen viel gelernt. Ein Vorbild im eigentlichen Sinn habe ich nicht.


BLICK INS FOTOALBUM:

Elisabeth Nemeth über ihre Studienzeit: "Mein Philosophiestudium war noch geprägt durch die Spaltung des Instituts in zwei verfeindete philosophische Lager, die sich darin ausdrückte, dass die Türe zwischen den beiden Instituten immer verschlossen war. Das hat mich insofern geprägt, als ich in meiner philosophischen Arbeit den Jargon von philosophischen Schulen und die Zuordnung zu philosophischen Lagern immer zu vermeiden gesucht habe." (Foto: Privat)




5) Ihr Lieblingsplatz an der Universität Wien?
Weiterhin: Der Lesesaal der Universitätsbibliothek.

6) Welches Buch liegt zurzeit auf Ihrem Nachtkästchen?
Ein Band Erzählungen von Alice Munro.