Lioba Theis: Byzanz herzeigen
| 12. April 2012Seit 2005 Professorin für Byzantinische Kunstgeschichte und bis 2010 Vorständin des Instituts für Kunstgeschichte – Lioba Theis ist seit mehreren Jahren in Wien "verankert". In den vergangenen Jahren begeisterte sich die Kunsthistorikerin u.a. für den Aufbau des Digitalen Forschungsarchivs Byzanz.
"Meinem Ruf an die Universität Wien folgte nicht sofort eine Antrittsvorlesung. 2006 wurde ich Institutsvorständin und mit den neuen Aufgaben zogen die Jahre ins Land. Nun realisiere ich mit einer Public Lecture zum Thema 'Auf Fels gebaut. Kultbauten auf steinernem Grund' sozusagen eine späte Antrittsvorlesung", schmunzelt die vielseitige Kunsthistorikerin, die sich ganz der byzantinischen Kunst und Architektur verschrieben hat.
Byzantinischer Einfluss damals und heute
Die byzantinische Kunstgeschichte umfasst einen Kernzeitraum von mehr als 1.000 Jahren: von 330 nach Christus – der Neugründung von Byzantion als Konstantinopolis – bis zur Eroberung der Stadt durch die Osmanen im Jahr 1453. "Christliche Kunst und Architektur wird zur Zeit Kaiser Konstantins in der Öffentlichkeit wirksam. Zu diesem Zeitpunkt spielen antike Einflüsse noch eine bedeutende Rolle. Genauso hat byzantinische Kunst und Kultur auch lange nach 1453 weitreichende Auswirkungen. Zu sehen ist das auch hier in Wien, u.a. anhand reicher Mosaikausstattungen, beispielsweise in der Kirche von Otto Wagner am Steinhof", erklärt Theis, die sich der Kultur- und Geistesgeschichte Südosteuropas und des östlichen Mittelmeerraums durch die Erforschung byzantinischer Kunst und Architektur annähert.
Durch die Weltgeschichte
Am Anfang ihrer wissenschaftlichen Karriere standen breit gefächerte Interessensgebiete: Neben der Kunstgeschichte begeisterte sich die gebürtige Düsseldorferin auch für die Musik und entschied sich daher für das Doppelstudium Kunstgeschichte und Violine. Mit der Spezialisierung auf byzantinische Kunstgeschichte – samt den Nebenfächern Klassische Archäologie und Christliche Archäologie – kam der Wechsel nach Bonn, wo sie 1988 promovierte. Dem folgten Berufs-, Lehr- und Forschungstätigkeiten in Mainz, München und Bonn sowie Forschungsaufenthalte in Griechenland und der Türkei. Nach der Habilitation 1997 ging es für Gast- und Vertretungsprofessuren nicht nur quer durch Deutschland und Österreich – Bonn, Mainz, München, Graz und Hamburg –, sondern auch über den Atlantik: im Rahmen eines Fellowship in Dumbarton Oaks in Washington, DC.
Studierende lernen Forschung
2005 war es so weit: Nach vielen Jahren "unterwegs" folgte Lioba Theis dem Ruf nach Wien, "der Stadt der spektakulärsten Kulturerlebnisse", und damit auch neuen Herausforderungen, die sich vor allem aus der großen Zahl der Studierenden ergaben. "In der Arbeit mit Studierenden ist mir besonders wichtig, dass sie sich bereits zu einem frühen Zeitpunkt in die Forschung einbringen und das Forschungsumfeld kennen lernen können", erzählt die Kunsthistorikerin. So organisierte sie beispielsweise mit einer Kollegin aus Belfast sowie Studierenden die Tagung "Female Founders", die sich mit Stifterinnen und Gründerinnen in Byzanz beschäftigte: "Die Studierenden vertieften sich in die Thematik und waren anschließend in alle Aspekte der Tagungsorganisation involviert. Ich habe miterlebt, dass sie dadurch enorm angeregt wurden und sahen, dass sie ihren Weg in die forscherische Zukunft aktiv mitbestimmen können. Eine schöne Erfahrung!" Ganz "sesshaft" ist die Professorin dennoch nicht geworden: Das Jahr 2010 prägten Gastprofessuren in Nikosia und Jerusalem.
Von der Bedeutung des Lichts
Von der zeitintensiven Lehre der vergangenen Jahre wird Theis für ein Semester pausieren, um ihre Publikation zum Thema "Licht" fertigzustellen. "Licht im christlichen Sakralbau wurde von den Gläubigen sehr stark mit der Präsenz Gottes verbunden. Es gab ganz konkrete Vorstellungen davon, wo Licht sein sollte und wo bewusst Schattenräume gebaut wurden", so die Forscherin. Auch künstliches Licht spielt dabei eine bedeutende Rolle: Weil es so teuer war, waren Kirchen von "Stiftungen für Licht" abhängig, d.h. Menschen gaben ganze Besitzungen, beispielsweise Olivenhaine ab, um sicherzustellen, dass das aus den Oliven produzierte Öl bis zum Ende aller Tage in Lampen abgebrannt werden und somit eine bestimmte Kirche "erleuchten" konnte. Diese "Lichtregie" – d.h., an welchen Stelle und zu welchen Zeiten Öllampen und Kerzen brennen mussten – zu rekonstruieren, ist nur eines der Ziele dieser umfassenden Forschungsarbeit.
Digitales Forschungsarchiv Byzanz
"Ein weiteres Projekt, das mir besonders am Herzen lag bzw. noch immer liegt, war die Etablierung des Digitalen Forschungsarchivs Byzanz (DiFaB)", so die Kunsthistorikerin über die Erfolge der letzten Jahre: "Auch dabei war die Zusammenarbeit mit Studierenden sehr bereichernd." Die Idee zu diesem frei zugänglichen Bildarchiv entstand, als die rund 100.000 Dias, Bilder von byzantinischen und postbyzantinischen Monumenten, des Doktorvaters der Kunsthistorikerin – Horst Hallensleben – sich farblich veränderten und eine Möglichkeit zur Langzeitarchivierung gesucht wurde. "Die Digitalisierung dieser Dias sowie weiterer am Institut für Kunstgeschichte bestehender historischen Bestände sowie der kontinuierliche Ausbau der auf Phaidra basierenden Datenbank durch Bilder, die auf Exkursionen und Forschungsreisen gemacht werden, hat uns beteiligten WissenschafterInnen auch internationales Renommee eingebracht", freut sich die engagierte Kunsthistorikerin. (dh)
Die Public Lecture von Univ.-Prof. Dr. Lioba Theis vom Institut für Kunstgeschichte zum Thema "Auf Fels gebaut. Kultbauten auf steinernem Grund" findet am Mittwoch, 18. April 2012, um 18 Uhr im Großen Festsaal statt.
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