Kai Carsten Hultzsch: Chemie nachhaltig gestalten
| 03. Januar 2018Chemie ist für Kai Carsten Hultzsch, Leiter des Instituts für Chemische Katalyse, quasi ein Familienerbe: Bereits sein Großvater war Chemiker. Die eigene Leidenschaft für chemische Forschung führte Hultzsch von Wiesbaden über New Jersey bis nach Wien.
"Was Chemie betrifft, bin ich familiär geprägt", erzählt Kai Carsten Hultzsch von seinen Wurzeln. Während seine Eltern in der Pharmazie zu Hause sind, zog es Hultzsch bereits in seiner Schulzeit zur Chemie: "Im Apothekenlabor meiner Eltern habe ich erste chemische Experimente durchgeführt und ich hatte zum Glück tolle LehrerInnen, die mich für Chemie motivierten", erinnert sich Hultzsch. Sein Studium begann der gebürtige Deutsche in Mainz. Aber recht bald wollte er mehr von der Welt sehen.
Industrie vs. Wissenschaft
Noch während seines Studiums ging er für ein Semester nach Kanada. Mit dem Auslandssemester in Toronto festigte sich sein Wunsch, in die Wissenschaft zu gehen. "In Toronto habe ich das erste Mal einen Einblick bekommen, was wissenschaftliche Forschung bedeutet", erzählt Hultzsch. Kurz schnupperte er auch in die industrielle Chemie, stellte aber bald fest, dass sein Karriereweg ein anderer ist: "In der Forschung bin ich wesentlich flexibler und kann eher das machen, was mich auch persönlich interessiert."
Von Wiesbaden nach Massachusetts …
Den Grundstein für seine wissenschaftliche Laufbahn legte Hultzsch in Mainz: Er promovierte summa cum laude und erhielt über ein Stipendium die Möglichkeit, ein Postdoktorat am Massachusetts Institute of Technology (MIT) im Arbeitskreis des späteren Chemie-Nobelpreisträgers Richard Schrock in den USA anzuschließen.
"Im MIT war Tag und Nacht Betrieb. Dort hat sich niemand entschuldigt, weil er gerne hart arbeitet", schildert Hultzsch begeistert die Arbeitsatmosphäre an der amerikanischen Eliteuniversität und ergänzt lachend: "Dadurch, dass viele Gebäude unterirdisch miteinander verbunden sind, könnte man fast vermuten, dass manche WissenschafterInnen schon länger kein Tageslicht mehr gesehen haben."
Kai Carsten Hultzsch während seines Postdoktorandenaufenthalts am Massachusetts Institute of Technology mit seinem Postdoc-Mentor Richard Schrock, der 2005 den Nobelpreis für Chemie erhielt.(Foto: privat)
Für seine Habilitation ging Hultzsch nach Erlangen in Deutschland. Aufgrund der besseren Stellenaussichten kehrte er aber nach sechs Jahren wieder in die USA zurück und lehrte dort mehrere Jahre als Assistenzprofessor an der Rutgers University in New Jersey.
… und von New Jersey nach Wien
Dass die Universität Wien die vorläufig letzte Station ist, hat kulturelle, aber auch familiäre Gründe: "Meine Frau, die aus Polen kommt, und ich, als gebürtiger Deutscher, wollten näher bei unseren Familien sein. In Wien kommt uns die Mentalität entgegen und die Lebensqualität ist hervorragend", freut sich Hultzsch über die Gelegenheit, die Annehmlichkeiten der Stadt mit seinem Beruf zu verbinden.
Im Gegensatz zu den USA schätzt Hultzsch am europäischen Studiensystem, dass es zu mehr Selbstständigkeit erzieht: "Das amerikanische System ist stark verschult, in Europa muss man sich auch mal durchkämpfen". Das sei vor allem für die eigene Karriere hilfreich. "Wenn man selbst akademisch arbeitet, steht nicht immer jemand neben dir, der dir sagt, was du tun musst", stellt Hultzsch fest.
Verbesserungspotenzial sieht Hultzsch in der Talentförderung: "Momentan fangen in Wien jedes Jahr etwa 800 junge Leute an Chemie zu studieren, ein Nachwuchsproblem haben wir also nicht. Aber wir haben manchmal ein Problem, die wirklich guten StudentInnen zu halten." Extra-Lehrangebote, sogenannte "Honor Classes", wie sie im angloamerikanischen Raum üblich sind, könnten aus Hultzschs Sicht helfen, die "hochmotivierten und hochtalentierten StudentInnen" zu fördern.
Die Grüne Chemie
Als Leiter des Instituts für Chemische Katalyse an der Universität Wien beschäftigt sich Hultzsch seit 2014 vor allem mit der sogenannten Grünen Chemie und der Frage, wie chemische Reaktionen effizienter und damit auch nachhaltiger gestaltet werden können. "Wir versuchen Katalysatoren zu entwickeln, die atomökonomisch sind, das heißt möglichst wenig Abfall in einer Reaktion produzieren", erklärt Hultzsch seinen Arbeitsbereich.
Seinen StudentInnen möchte er vor allem die Relevanz des Fachs für unseren Alltag näher bringen: "Ohne die Chemie wären wir in der Medizin und in der Industrie nicht dort, wo wir heute stehen. Viele Pharmazeutika und Düngemittel basieren auf der Chemie." Ein Beispiel ist das Haber-Bosch-Verfahren, ein chemischer Prozess, in dem aus Luft Dünger gemacht wird: "Die Hälfte aller Stickstoffatome in unserem Körper, in unseren Proteinen und unserer DNA stammt aus diesem Verfahren."
Vorurteile ab- und Talentförderung ausbauen
Sein Tipp an künftige WissenschafterInnen: Scheuklappen ablegen und ins Ausland gehen. "Wenn man für längere Zeit in einem anderen Land lebt, kann man Vorurteile abbauen und lernt andere Kulturen kennen", ist Hultzsch vom Wert eines Auslandsaufenthalts während des Studiums überzeugt. Er selbst habe sehr davon profitiert: "Wenn man die Möglichkeit hat, ein Auslandssemester zu machen, ist das die beste Entscheidung, die man treffen kann."(pp)
Kai Carsten Hultzsch hält am 17. Jänner 2018 um 17 Uhr seine Public Lecture zum Thema "Economical use of Atoms: Efficiency in synthesis through catalysis" im Kleinen Festsaal der Universität Wien.
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