Gabriele Kucsko-Stadlmayer: Universität der Möglichkeiten

Menschenrechte und Gleichbehandlung durchziehen die Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte der Juristin Gabriele Kucsko-Stadlmayer wie ein roter Faden. Die Professorin vermittelt den Studierenden die Bedeutung des Verfassungs- und Verwaltungsrechts für das menschliche Zusammenleben.

Informatik, Mathematik oder doch Schauspiel? Die Interessen der jungen Gabriele Kucsko-Stadlmayer waren breit gefächert. Schlussendlich hat sie sich doch für die Juristerei entschieden. "Mein Hintergedanke war, Kulturattaché in Paris zu werden – deshalb hab ich daneben Dolmetsch studiert", erinnert sich die Professorin schmunzelnd. "Als Studienassistentin habe ich die Faszination an der wissenschaftlichen Arbeit entdeckt und deshalb keine diplomatische, sondern eben eine akademische Laufbahn eingeschlagen."

Nicht ganz unwesentlich bei dieser Entscheidung war der Einfluss ihrer Mentoren – u.a. Rudolf Welser und Robert Walter – an der Universität Wien, wo Kucsko-Stadlmayer studiert, promoviert und sich schließlich habilitiert hat – übrigens als erste Frau Österreichs im Öffentlichen Recht. "Verfassungsrecht hat mich deshalb so fasziniert, weil es die Grundlage aller anderen Rechtsgebiete darstellt und die Basisnormen für das Zusammenleben der Menschen in einem Staat regelt", erklärt die stv. Vorständin des Instituts für Staats- und Verwaltungsrecht.

Menschenrechte im Fokus

Der Kern in diesem Normengefüge sind die Grund- und Menschenrechte. Damit beschäftigt sich die Verfassungsrechtlerin bereits seit 20 Jahren. "Im Jahr 1995 wurde ich Ersatzmitglied des Verfassungsgerichtshofs, der sich mit der Auslegung und Weiterentwicklung der Menschenrechte befasst", erzählt Kucsko-Stadlmayer, die zudem seit 2006 in der Venedig-Kommission des Europarats die europäischen Staaten in Fragen zu Menschenrechten und Demokratie berät.

2008 hat sie den stv. Vorsitz des Menschenrechtsbeirats im Innenministerium übernommen. Dieser war Vorbild für die Institution gleichen Namens, die 2012 mit Verfassungsnovelle in der österreichischen Volksanwaltschaft eingerichtet wurde. "Damit hat die Volksanwaltschaft neue Kompetenzen erhalten und europaweit eine Vorreiterrolle eingenommen", betont die Expertin. Österreich hat die einzigartige Chance, das Konzept des Menschenrechtsbeirats für die Volksanwaltschaft zu verwerten, gut genutzt. Einzigartig deshalb, weil es den Menschenrechtsbeirat in dieser Form nur in Österreich gab. "Diese hochinteressante Entwicklung wird Thema meiner Antrittsvorlesung am 27. Mai sein", so die Juristin.

Alternativer Rechtsschutz

Im Rahmen eines rechtsvergleichenden Forschungsprojekts hat sie die europäischen Ombudsmann-Einrichtungen – zu denen auch die Volksanwaltschaft gehört – untersucht. "Diese haben sich ab den 90er Jahren zu zentralen Einrichtungen des Menschenrechtsschutzes entwickelt", erzählt Kucsko-Stadlmayer.

Die – zunächst als Beschwerdestellen eingerichteten – Institutionen sollten den BürgerInnen anfänglich nur das Gefühl der Ohnmacht gegenüber der Verwaltung nehmen. Heute bieten sie einen alternativen Rechtschutz und eine Ergänzung zu den Verfassungsgerichten.


Gabriele Kucsko-Stadlmayer will sich den alternativen Rechtschutzinstrumenten auch in Zukunft widmen: "Ein spannendes Thema, das weltweit sehr forciert wird." Internationale Konventionen setzen verstärkt auf alternative Konfliktlösungsmechanismen. "Es ist somit ein Forschungsgebiet, das rechtsvergleichende Studien und interdisziplinäre Zusammenarbeit – u.a. mit dem Völkerrecht – notwendig macht", so die Juristin, die demnächst wieder eine verfassungsvergleichende Studie zum Thema Ombudsmann-Einrichtungen startet. (Foto: Altmann/Pixelio)



Frauenförderung und Gleichstellung


Ein wichtiger Aspekt im Rahmen der Menschenrechte ist das Gleichstellungsrecht: "Frauen haben es im akademischen Bereich nach wie vor schwer, die Karriereleiter hochzuklettern. Männlich geprägte Rollenbilder, einflussreiche Männernetzwerke und nicht zuletzt die beruflich schwer zu vereinbarenden Betreuungspflichten machen es den Wissenschafterinnen nicht einfach", betont Kucsko-Stadlmayer, selbst Mutter zweier – mittlerweile erwachsener – Kinder.

Als Vorsitzende der Schiedskommission vermittelt sie in Streitfällen von Universitätsangehörigen u.a. in Gleichbehandlungsfragen. Der Universitätsautonomie spricht sie in Hinblick auf die Frauenförderung eine positive Wirkung zu: "Die Autonomie sowie das UG 2002 haben im Ergebnis zu einer Stärkung der Frauen an der Universität Wien geführt. Es gibt nun viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb der Universität. Außerdem ist das Klima offener geworden."

Universitätsrecht als Rahmen

Die Universitätsautonomie ist ein Thema, für das sich die Juristin – 2009 bis 2011 als stv. Vorsitzende des Senats – seit langem einsetzt. Zum Forschungsschwerpunkt Universitätsrecht ist Kucsko-Stadlmayer vor 14 Jahren gekommen: "Die große Universitätsreform, die von der Universität Wien ausgehend in Richtung mehr Autonomie und rechtliche Selbstständigkeit vorbereitet wurde, warf eine Fülle von Rechts- und Verfassungsfragen auf." Damals war die Expertin für Öffentliches Recht vor allem für personalrechtliche Fragen zuständig. Seitdem berät sie die Österreichische Universitätenkonferenz und hat die Leitung einer Forschungsstelle für Universitätsrecht inne: "Ein spannendes Thema, weil wir mit dem rechtlichen Rahmen die Forschungsfreiheiten unser WissenschafterInnen wahren."

Gedankenfreiheit nutzen


Aber auch den Studierenden bietet die Alma Mater viele Freiheiten: "Die unvergleichlichen Möglichkeiten der Gedanken- und Meinungsfreiheit an der Universität Wien will ich den jungen AkademikerInnen bewusst machen", so Kucsko-Stadlmayer. Als Verfassungsrechtlerin vermittelt sie ihren Studierenden vor allem die Bedeutung des Fachs: "Als JuristInnen müssen sie das Verfassungsrecht für die Argumentation einer Rechtsposition heranziehen können. Als StaatsbürgerInnen sollen sie wissen, wie wichtig Menschenrechte und Demokratie im täglichen Leben sind."

Abseits vom Verfassungsrecht begeistert sich die Professorin vor allem für klassische Musik: "Wann immer ich kann, gehe ich in die Oper – oder in die Natur. Letzteres lässt sich gut mit der Arbeit vereinbaren – den Computer kann ich schließlich auch aufs Land mitnehmen", lacht sie. (ps)


Univ.-Prof. Dr. Gabriele Kucsko-Stadlmayer, stv. Vorständin des Instituts für Staats- und Verwaltungsrecht, hält am Montag, 27. Mai 2013, um 18 Uhr im Großen Festsaal der Universität Wien ihre Antrittsvorlesung zum Thema "Die Volksanwaltschaft als 'Nationaler Präventionsmechanismus'" gemeinsam mit Univ.-Prof. Dr. Ernst Karner (zum Porträt von Ernst Karner in uni:view) vom Institut für Zivilrecht. Die beiden Antrittsvorlesungen stehen unter dem Motto: "Perspektiven des Menschenrechtsschutzes in Österreich und Europa".